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  • · Fachbeitrag · Werbegemeinschaft

    Trotz unwirksamen Beitritts: Beiträge für eine Werbegemeinschaft-GbR sind zu zahlen

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Mieter eines Ladenlokals in einem Einkaufszentrum sind in der Regel zugleich Pflichtmitglieder in einer zugehörigen Werbegemeinschaft. Diese wird oft als GbR gegründet. Die Beitrittserklärung kann formularmäßig bereits in den Mietvertrag integriert sein oder sich aus einer gesonderten Vereinbarung ergeben. Für Letztere nimmt der XII. Zivilsenat des BGH erstmals zu den Folgen Stellung, die sich aus einem unwirksamen Beitritt zu einer als GbR organisierten und in Vollzug gesetzten Werbegemeinschaft ableiten. |

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte ist Mieterin von gewerblichen Räumen in einem Einkaufszentrum. Zeitgleich mit dem Abschluss des Mietvertrags hat sie in einer gesonderten Vereinbarung den Beitritt zu einer in der Rechtsform einer GbR organisierten Werbegemeinschaft erklärt. Diese verlangt von der Beklagten die Zahlung rückständiger Mitgliedsbeiträge. Die Beklagte verweigert die Zahlung. Sie hält den Beitritt zu der Werbegemeinschaft für unwirksam und beruft sich auf eine von ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber der Klägerin erklärte Kündigung.

     

    Diese klagt als Geschäftsbesorgerin in gewillkürter Prozessstandschaft für die Werbegemeinschaft in den Instanzen erfolgreich auf Zahlung. Der BGH (28.4.16, XII ZR 147/14, Abruf-Nr. 185745) weist den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von PKH für die Durchführung des Revisionsverfahrens zurück.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung steht in Einklang mit der Rechtsprechung des für Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des BGH. Sie schafft für Betreiber und Mieter in Einkaufscentren Rechtssicherheit, wenn Zweifel an dem wirksamen Beitritt zu einer Werbegemeinschaft bestehen.

     

    Für die Prosperität eines Einkaufszentrums sind eine einheitliche Außenpräsentation und koordinierte Werbemaßnahmen unerlässlich (Leonhard in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummietrecht, Anhang 1 zu § 535 BGB, Rn. 116). Um dieses Ziel zu erreichen, wird üblicherweise eine Werbegemeinschaft gegründet, die von allen Mietern und vom Betreiber des Einkaufszentrums gebildet wird und die in der Praxis nicht selten (noch) als GbR organisiert ist.

     

    Es ist nicht ungewöhnlich, dass bereits der Mietvertrag eine vertragliche Pflicht des Mieters normiert, einer Werbegemeinschaft beizutreten. Wird die Beitrittspflicht - wie in der Praxis üblich - formularmäßig vereinbart, wird der Anwendungsbereich des § 305c Abs. 1 BGB deshalb nicht tangiert (BGH MK 06, 189, Abruf-Nr. 062726).

     

    Nach BGH (MK 06, 189) verstößt die formularmäßige Verpflichtung des Mieters in einem Einkaufszentrum, einer Werbegemeinschaft in Form einer GbR beizutreten, jedoch wegen des damit verbundenen Haftungsrisikos des Mieters (§ 128 HGB) gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Der BGH spricht in diesem Zusammenhang nur allgemein davon, dass das Haftungsrisiko bei anderen Organisationsformen gegebenenfalls vermeidbar wäre.

     

    PRAXISHINWEIS | Hieran anknüpfend werden in der Praxis deshalb andere Rechtsformen für die Werbegemeinschaft diskutiert, z. B.

    • Verein oder GmbH (Leonhard in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummietrecht, Anhang 1 zu § 535 BGB, Rn. 127);
    • KG, GmbH, eingetragener oder nicht eingetragener Verein (Bieber/Eupen, Mietrecht in Einkaufszentren und anderen Spezialimmobilien, B.XII.12);
    • GmbH (Günter, WuM 12, 587, 592);
    • KG mit niedriger Kommanditisteneinlage (Schmid, GuT 06, 300, 302).
     

    In der BGH-entscheidung (MK 06, 189) war die formularmäßige Beitrittsverpflichtung in den Mietvertrag integriert. Findige Kautelarjuristen haben versucht, die Entscheidung des BGH zu umgehen. Sie wollten den Beitritt des Mieters formal in einen gesonderten Beitrittsvertrag auslagern. Es ist umstritten, ob diese Vertragsaufspaltung zulässig ist. Das LG Halle/Salle (BeckRS 12, 21458; ebenso Leonhard a.a.O., Rn. 125) sieht hierin einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB. Demgegenüber verneint das Berufungsgericht (BeckRS 14, 22946) einen Umgehungstatbestand. Es lässt aber wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zu.

     

    Der BGH hält die Zulassungsfrage nicht für entscheidungserheblich und begründet dies mit den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft. Diese finden auch bei einem fehlerhaften Beitritt zu einer Personengesellschaft Anwendung. Das heißt: Der fehlerhaft vollzogene Beitritt ist regelmäßig nicht von Anfang an nichtig, sondern wegen des Nichtigkeits‑ oder Anfechtungsgrundes nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar.

     

    Bis der Fehler geltend gemacht wird, ist der vollzogene Beitritt grundsätzlich voll wirksam, muss also im Innenverhältnis der Gesellschafter auch nicht über § 812 BGB rückabgewickelt werden. Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter richten sich insoweit nach dem Gesellschaftsvertrag (BGH NJW 03, 1252; NJW 92, 1501).

     

    Beachten Sie | Damit die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auf den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft angewendet werden können, ist es erforderlich, dass der Beitritt - wie hier - tatsächlich vollzogen worden ist (BGH NJW 92, 1501).

     

    Der XII. Senat überträgt diese Grundsätze auf die als GbR organisierte Werbegemeinschaft. Das heißt: Der Beklagten ist der Einwand versagt, die Vermieterseite, zu der die Klägerin gehört, versuche mit der separaten Vertragsgestaltung die Vorgaben von BGH (MK 06, 189) zu umgehen. Ihr Beitritt sei daher entsprechend den Ausführungen des BGH nach § 307 BGB unwirksam. Folge: Die Beklagte schuldet die streitgegenständlichen Werbebeiträge unabhängig davon, ob sie der Werbegemeinschaft wirksam beigetreten ist. Sie hätte sich aus ihrer Zahlungsverpflichtung nur mit Wirkung ex nunc lösen können, wenn sie eine wirksame Kündigung erklärt hätte.

     

    Beachten Sie | Für die Kündigung des Gesellschaftsvertrags gilt § 723 BGB. Die Kündigung muss allen Mit-Gesellschaftern zugehen. Ein Zugang gegenüber den vertretungsberechtigten Gesellschaftern genügt nicht, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts Gegenteiliges regelt. Grund: Deren Befugnis erstreckt sich nicht darauf, die Mitgesellschafter in Bezug auf die Gesellschaftsgrundlagen zu vertreten(MüKo/Schäfer, BGB, 6. Aufl., § 723, Rn. 11).

     

    Eine wirksame Kündigung liegt hier nicht vor. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben die Kündigung fehlerhaft gegenüber der für die Werbegemeinschaft tätigen Geschäftsbesorgerin erklärt, nicht aber gegenüber den Mitgesellschaftern der Beklagten.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 94 | ID 44050078