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  • · Fachbeitrag · Insolvenzverschleppung

    Insolvenzabhängige Lösungsklauseln unwirksam

    Ein Vermieter, der dem Mieter vor Insolvenzreife Räume überlassen hat, ist regelmäßig Altgläubiger. Er erleidet keinen Neugläubigerschaden infolge der Insolvenzverschleppung, weil er sich bei Insolvenzreife nicht vom Mietvertrag hätte lösen können (BGH 22.10.13, II ZR 394/12, Abruf-Nr. 133992).

     

    Sachverhalt

    Die Kläger vermieteten an die Schuldnerin, deren Geschäftsführer die Beklagten waren, Geschäftsräume auf fünf Jahre befristet mit Verlängerungsoption. § 3 Abs. 5 des Mietvertrags lautet: „Bleibt der Mieter mit dem monatlichen Mietzins länger als 2 Monate im Rückstand, ist der Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. Ferner ist der Vermieter im Fall des Konkurses, des Vergleichs oder der Zahlungseinstellung des Mieters zur fristlosen Kündigung des Mietvertrags berechtigt“. Die Schuldnerin zahlte die Miete in 11/09 nur teilweise, in 4/09 und von 2/10 bis 9/10 überhaupt nicht. Am 4.2., 5.3., 8.4. und 8.6.10 kündigten die Kläger das Mietverhältnis wegen Nichtzahlung der Miete jeweils fristlos. Mit Räumungsvergleich vom 11.6.10 verpflichtete sich die Schuldnerin, die Geschäftsräume zum 31.8.10 zu räumen und die Miete für 7 und 8/10 noch zu zahlen. Auf Antrag der Beklagten vom 18.6.10 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin am 22.7.10 eröffnet. Das OLG gibt der Schadenersatzklage auf Zahlung rückständiger Miete und Kaution statt. Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Kläger sind keine Neu-, sondern Altgläubiger (so bereits OLG Stuttgart MK 13, 27, Abruf-Nr. 130172).

     

    • Wurde ein Dauerschuldverhältnis vor Insolvenzreife begründet, ist der Gläubiger für seine nach Insolvenzreife fällig werdenden, aber ohne Gegenleistung bleibenden Leistungen Alt- und nicht Neugläubiger. Grund: Der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht ist nicht ursächlich für den Vertragsabschluss und damit für die Geld- oder Sachleistung nach Insolvenzreife.

     

    • Die Kläger konnten sich bei Insolvenzreife nicht von dem Mietverhältnis mit der Schuldnerin lösen. Grund: Weder endet ein Mietverhältnis mit der Insolvenzeröffnung (§ 108 InsO; BGHZ 171, 46) noch kann es vom Vermieter außerordentlich bei Insolvenzreife oder Insolvenzeröffnung gekündigt werden.

     

    • Die Kläger konnten das Mietverhältnis auch nicht fristlos aufgrund des vereinbarten Sonderkündigungsrechts kündigen. Grund: Eine in einem Mietvertrag vereinbarte insolvenzabhängige Lösungsklausel ist unwirksam (OLG Hamm NZM 02, 343; OLG Düsseldorf OLGR 07, 125).

     

    • Auch auf das im Mietvertrag enthaltene Kündigungsrecht für den Fall der Zahlungseinstellung - die nicht festgestellt ist - hätten die Kläger eine fristlose Kündigung nicht stützen können, wenn die Beklagten pflichtgemäß einen Eröffnungsantrag gestellt hätten. Nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Vermieter das Mietverhältnis weder wegen Verzugs mit der Entrichtung der Miete, der in der Zeit vor dem Eröffnungsantrag eingetreten ist, noch wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners kündigen (§ 112 InsO). Da die Vermögensverschlechterung kein gesetzlicher Kündigungsgrund ist, werden davon gerade entsprechende Vertragsklauseln erfasst (Nachweise Urteilsgründe, Rn. 14). Die Zahlungseinstellung, die die Zahlungsunfähigkeit vermuten lässt (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO), ist ein Fall der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, sodass aus einer darauf gestützten Kündigungsklausel ab dem Eröffnungsantrag kein Kündigungsrecht abgeleitet werden kann.

     

    Praxishinweis

    Nur Neugläubiger einer GmbH haben bei einem schuldhaften Verstoß der Geschäftsführer gegen die Insolvenzantragspflicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 15a Abs. 1 S. 1 InsO einen Anspruch gegen diese auf Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind. Anders als der Schaden der Altgläubiger, der in der durch die Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht, liegt der Schaden eines Neugläubigers deshalb darin, dass er der GmbH im Vertrauen auf deren Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen werthaltigen Gegenanspruch oder eine Gegenleistung zu erlangen.

     

    Neugläubiger sind Gläubiger, die ihre Forderungen gegen eine GmbH nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers erworben haben. Bei einem Dauerschuldverhältnis wie dem Mietverhältnis ist das nur der Fall, wenn das Dauerschuldverhältnis mit Insolvenzeröffnung endet oder gekündigt werden kann (BGHZ 171, 46) oder eine Lösung vom Vertrag bei Stellung eines Eröffnungsantrags möglich ist. Dann kann die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses darauf beruhen, dass der Gläubiger seine Leistung im Vertrauen auf die Solvenz der GmbH fortsetzt, obwohl er sich bei Kenntnis der Insolvenzreife vom Vertrag gelöst hätte. Fehlen diese Voraussetzungen und ist der Mietvertrag vor Insolvenzreife abgeschlossen, lässt sich die Neugläubigerstellung des Vermieters auch nicht daraus herleiten, dass der Anspruch auf Zahlung der monatlichen Miete mit Beginn des jeweiligen Monats fortlaufend neu entsteht (BGH WM 05, 1712). Das OLG hatte das anders gesehen.

     

    Der BGH stellt klar, dass die vertragliche Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Insolvenzeröffnung gegen § 119 InsO verstößt. Grund: Sie beschränkt die Anwendung der §§ 108 ff. InsO. Das Mietverhältnis über Räume besteht nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO im Fall der Insolvenzeröffnung fort. Nur der Verwalter kann es nach § 109 Abs. 1 InsO kündigen. Der Vermieter kann es gemäß § 112 InsO nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht einmal wegen eines Verzugs mit der Entrichtung der Miete, der in die Zeit vor dem Eröffnungsantrag fällt, oder wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners kündigen.

     

    Den Altgläubigerschaden können die Kläger nicht einklagen. Solange das Insolvenzverfahren andauert, ist allein der Insolvenzverwalter klagebefugt (BGHZ 171, 46; OLG Stuttgart, MK 13, 27).

     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 43 | ID 42519253