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  • · Fachbeitrag · Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch

    Analoge Anwendung auch zwischen Mietern vermieteten Sondereigentums

    Wird die Nutzung des Sondereigentums durch rechtswidrige Einwirkungen beeinträchtigt, die von im Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers stehenden Räumen ausgehen, kann dem betroffenen Eigentümer ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zustehen; das gilt auch im Verhältnis von Mietern solcher Räume (BGH 25.10.13, V ZR 230/12, Abruf-Nr. 133765).

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte betrieb als Mieter ein ambulantes Operationszentrum. Das Grundstück ist nach dem WEG geteilt. Eines Nachts löste sich im Sterilisationsraum eine Schlauchverbindung. Dadurch kam es zum Wasserschaden in den darunter liegenden gemieteten Praxisräumen des Versicherungsnehmers der Klägerin. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz des von ihr ausgeglichenen Schadens (166.000 EUR). Der Klage wird in den Instanzen dem Grunde nach stattgegeben. Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH entscheidet erstmals, dass § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog anzuwenden ist, wenn Sondereigentum durch Einwirkungen beeinträchtigt wird, die von einem anderen Sondereigentum ausgehen. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB setzt in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich voraus, dass die Störung von einem anderen Grundstück herrührt (BGHZ 157, 188), also ein grenzüberschreitender „Eingriff von außen“ vorliegt. Das Berufungsgericht stellt dabei zutreffend nur auf das Verhältnis der Sondereigentümer und nicht auf das der Mieter ab. Grund: Bei der Frage, ob ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu bejahen ist, geht es um den Ausgleich gleichrangiger Eigentümerbefugnisse, an denen berechtigte Besitzer lediglich partizipieren.

     

    Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung liegen vor. Bei von Sondereigentum ausgehenden Beeinträchtigungen geht es um solche „von außen“. Insoweit stehen sich strukturell keine gleichgerichteten Interessen gegenüber. Anders als bei Beeinträchtigungen, die von dem Gemeinschaftseigentum ausgehen, stehen sich die Sondereigentümer mit gegensätzlichen Interessen gegenüber. Ebenso wie Grundstückseigentümer in den idealtypischen, also unmittelbar von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB erfassten Fällen.

     

    Auch der Aspekt der Schutzbedürftigkeit spricht für eine planwidrige Regelungslücke. Grundlage des Anspruchs nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist ein billiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen bei der Nutzung benachbarter Grundstücke auf der Grundlage eines zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Zwischen Sondereigentümern besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, wie nicht zuletzt § 14 Nr. 1 und § 15 Abs. 3 WEG belegen. Das daraus folgende Gebot der Rücksichtnahme ist den Verpflichtungen, die Grundstückseigentümern aus dem Nachbarverhältnis auferlegt sind, durchaus vergleichbar.

     

    Praxishinweis

    Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB setzt voraus, dass von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten. Vorausgesetzt der davon betroffene Eigentümer war aus besonderen Gründen gehindert, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (BGHZ 142, 66; NJW 03, 1732). Inhaltlich erfasst der Anspruch über den Gesetzeswortlaut hinaus auch - wie hier - die Störung durch sogenannte Grobimmissionen wie etwa Wasser (BGHZ 157, 188; 185, 371).

     

    Die analoge Anwendung der Norm erfordert nach tradierter Rechtsprechung, an der der V. Senat festhält, einen grenzüberschreitenden „Eingriff von außen“. Die Sachverhalte müssen hieran gemessen strukturell vergleichbar und die Schutzbedürftigkeit des betroffenen Grundstückseigentümers darf nicht anders zu befriedigen sein. Anspruchsberechtigt ist auch der Besitzer eines Grundstücks, dessen Abwehranspruch aus § 862 Abs. 1 BGB aus tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte (BGH NJW 01, 1865). Umgekehrt kann auch der Benutzer des Grundstücks, von dem die Emissionen ausgehen, zum Ausgleich verpflichtet sein, sofern er die Nutzungsart bestimmt. Der Umstand, dass weder der Versicherungsnehmer der Klägerin noch die Beklagte Grundstückseigentümer sind, sondern ihre Rechtsstellung mittelbar von dem jeweiligen Sondereigentümer ableiten, steht daher einer analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nicht entgegen.

     

    Beachten Sie | Eine analoge Anwendung scheidet mangels eines grenzüberschreitenden Außeneingriffs bei einem Konflikt zweier Nutzer desselben Grundstücks aus. Das betrifft z.B. das Verhältnis von Mietern bei Beeinträchtigungen, die von einer Mietwohnung innerhalb desselben (ungeteilten) Grundstückseigentums auf eine andere Mietwohnung ausgehen (BGH MK 04, 73, Abruf-Nr. 040310), das Verhältnis von Wohnungseigentümern, wenn die Nutzung des Sondereigentums durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum beeinträchtigt wird (BGHZ 185, 371) und das Verhältnis von Bruchteilseigentümern, die sich jeweils eine Teilfläche des gemeinschaftlichen Grundstücks zur alleinigen Nutzung zugewiesen haben (BGH NJW 13, 2343). Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist subsidiär (BGHZ 120, 239; 160, 18). Das heißt: Er ist ausgeschlossen, soweit eine andere in sich geschlossene Regelung besteht. Eine abschließende Sonderregelung ergibt sich mit Blick auf das Verhältnis der Sondereigentümer untereinander weder aus dem WEG noch aus den §§ 823 ff. BGB (BGH NJW 11, 3294). Das Berufungsgericht konnte daher für die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB offen lassen, ob die Beklagte ein Verschulden an dem Wasseraustritt trifft. Zur Klärung etwaiger ausgleichspflichtiger Positionen hebt der BGH das Berufungsurteil auf und verweist den Rechtsstreit zurück.

     

    MERKE | Ein nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB geschuldeter Ausgleich ist kein Schadenersatzanspruch, sondern nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen (BGH NJW 08, 992). Auszugleichen ist nur der unzumutbare Teil der Beeinträchtigung, weil Einwirkungen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit hingenommen werden müssen (BGH NJW 09, 762).

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 68 | ID 42571344