· Fachbeitrag · Zwangsversteigerung
ZVG-Kündigungsrecht hat Vorrang vor Zugehörigkeit zu einer Vermietergemeinschaft
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
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Sachverhalt
Der Beklagte schloss mit einem Bauträger einen befristeten Mietvertrag über ein noch zu errichtendes Gebäude (13 Wohnungen und Stellplätze) zum Betrieb einer Altenwohnanlage („betreutes Wohnen“). Er war zur Unter- oder Weitervermietung berechtigt. In der Folgezeit erwarb Herr B einen 77/1000-Miteigentumsanteil an dem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der streitgegenständlichen Eigentumswohnung. Diese hatte der Beklagte vereinbarungsgemäß als gewerblicher Weitervermieter an Endmieter vermietet. Nach Ersteigerung dieser Wohnung am 7.4.11 kündigte die Klägerin den Mietvertrag gegenüber dem Beklagten unter Berufung auf § 57a ZVG zum 31.7.11. Ihre Räumungsklage ist in den Instanzen erfolgreich. Der BGH weist die Räumungsklage ab und stellt auf ihren Hilfsantrag fest, dass das Mietverhältnis der Parteien über die streitgegenständliche Wohnung durch die Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 31.12.11 beendet worden ist.
Entscheidungsgründe zu Leitsatz 1
Nach § 57 ZVG rückt der Ersteher als Erwerber in entsprechender Anwendung des § 566 BGB als Vermieter in das Mietverhältnis ein. Bei der Versteigerung lediglich eines Teils eines einheitlich vermieteten Grundstücks führt dies schuldrechtlich zu einer Vermietergemeinschaft. Folge: Diese kann als Bruchteilsgemeinschaft vertragliche Kündigungsrechte nur im Rahmen der gemeinschaftlichen Verwaltung gemäß §§ 744, 745 BGB ausüben (BGH ZMR 12, 692; MK 06, 35 Abruf-Nr. 053244). Eine nur auf eine Teilfläche bezogene Kündigung ist schuldrechtlich unzulässig (BGH MK 12, 59 Abruf-Nr. 113809).
Der BGH entscheidet, dass § 57a ZVG hiervon abweichend dem Ersteher einer von mehreren zu einem einheitlich vermieteten Objekt gehörenden Wohnungseinheit die Kündigung allein dieser Einheit ohne Beteiligung der übrigen Bruchteilsgemeinschafter ermöglicht.
Bereits das Reichsgericht hat § 57a ZVG mit Blick auf Zielrichtung und Regelungszusammenhang dahingehend ausgelegt, dass bei Versteigerung nur eines Teils einer verpachteten Fläche der Ersteher den Pachtvertrag für diese Teilfläche kündigen kann (RGZ 124, 195 ff.). Grund: Die Sonderregelung des § 57a ZVG habe das dort gewährte außerordentliche Kündigungsrecht auf andere Grundlagen als die der Vertragskündigung gestellt, sodass es sich auch in dieser bürgerlichrechtlichen Gestaltung durchsetze.
Der BGH schließt sich dieser Auffassung an und überträgt sie auf die vorliegende Fallgestaltung, bei der eine von mehreren zu einem einheitlich vermieteten Objekt gehörenden Wohnungseinheiten versteigert worden ist. Grund: Versteigerungsgegenstand ist Wohnungseigentum i.S. des § 1 Abs. 2 WEG. Dieses ist selbstständig beleih- und veräußerbar. Insbesondere das dem jeweiligen Wohnungseigentümer zustehende Recht der gesonderten Beleihbarkeit würde jedoch dann, wenn § 57a ZVG auf den Fall einer sich auf mehrere Wohneinheiten beziehenden Gesamtvermietung keine Anwendung fände, in nicht gerechtfertigter Weise beeinträchtigt, weil dies den Beleihungswert regelmäßig spürbar reduzieren würde. Den Interessen des Mieters ist vielmehr dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er sein Mietrecht gemäß § 9 Nr. 2 ZVG anmelden und gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 ZVG Änderungen der Versteigerungsbedingungen durchsetzen kann. Nur dann, wenn es bei doppeltem Ausgebot nach § 59 Abs. 2 ZVG zu keinem oder nur zu einem geringeren Gebot auf das geänderte Ausgebot und daher zum Zuschlag auf die gesetzliche Ausgebotsform kommt, bleibt es bei § 57a ZVG.
Entscheidungsgründe zu Leitsatz 2
Soweit der Beklagte verurteilt wurde, die Wohnung nebst Kellerraum und Stellplatz zu räumen und an die Klägerin herauszugeben, ist ihm dies unmöglich i.S. des § 275 Abs. 1 BGB. Grund: Die Klägerin ist gemäß § 565 BGB mit Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten als Vermieterin in das Mietverhältnis mit den Endmietern eingetreten. Diese sind nach wie vor zum Besitz und zur Nutzung berechtigt, ohne dass der Beklagte einen Einfluss hierauf hat.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 565 BGB liegen hier vor. Die Vertragsparteien hatten ein Mietverhältnis mit dem Zweck abgeschlossen, dass der Beklagte die Wohneinheiten als Wohnraum weitervermieten sollte. Dass diese Weitervermietung im Rahmen des „betreuten Wohnens“ erfolgen sollte und erfolgte, steht dem nicht entgegen. Damit gegebenenfalls verbundene Betreuungsleistungen sind weder Bestandteil des ursprünglichen Gesamtmietvertrags zwischen Bauträger und Beklagtem, in den die Wohnungseigentümer auf Vermieterseite eingetreten sind, noch des zwischen dem Beklagten und den Endmietern abgeschlossenen Mietvertrags die streitgegenständliche Wohnung betreffend.
Praxishinweis
Das Sonderkündigungsrecht des Erstehers nach § 57a ZVG beruht auf dem gesetzlich gewollten Vorrang der Interessen der Realkreditgläubiger gegenüber den Mieterinteressen. Vermietete Grundstücke werden sich ohne das Sonderkündigungsrecht in der Regel schlechter versteigern lassen und darum weniger gern beliehen (RGZ 124, 195; KG NZM 12, 304; Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen Band 5, S. 48, 118). Dass der Versteigerungsgegenstand hier Teil eines einer einheitlichen mietrechtlichen Bestimmung unterliegenden Objekts war, stellt aus Sicht des BGH keinen substanziellen Unterschied zu sonstigen Verträgen dar, die sich - bei dann ebenfalls notwendig einheitlichem Zweck - auf einen einheitlichen Miet- oder Pachtgegenstand wie eine angepachtete Fläche beziehen. Das heißt: Das mit dem Zuschlag erworbene quasi dingliche Kündigungsrecht wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass das Mietverhältnis auch andere Flächen schuldrechtlich erfasst. Andernfalls wäre - so der BGH - die rechtlich mögliche Beleihbarkeit von abgegrenzten Teilen - etwa von im Grundbuch separat geführten Grundstücken oder auch von - wie hier - einer von mehreren Wohnungseigentumseinheiten in erheblicher, mit dem gesetzgeberischen Willen nicht zu vereinbarender Weise eingeschränkt.
Nach § 57a S. 1 ZVG kann der Ersteher das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Diese ist abhängig von der Rechtsnatur des zugrunde liegenden Mietverhältnisses und folgt hier aus § 580a Abs. 2 BGB. Grund: Im Hauptmietverhältnis liegt eine gewerbliche Weitervermietung vor, die der BGH zutreffend als Geschäftsraummiete einstuft (BGH MK 04, 191 Abruf-Nr. 042199; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 580a BGB Rn. 14) und die Berufung des Zwischenmieters auf die Kündigungsschutzrechte für Wohnraummieter ausschließt. Bei einem Geschäftsraummietverhältnis ist die ordentliche Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahrs zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahrs zulässig. Das heißt: Wegen § 57a S. 2 ZVG musste die Kündigung hier spätestens am 3.7.11 erklärt werden. Die Klägerin hat am 21.4.11 gekündigt, sodass das Mietverhältnis mit dem Beklagten entgegen der Angabe im Kündigungsschreiben nicht am 31.7., sondern am 31.12.11 endete.
Merke | Gibt der Ersteher im Kündigungsschreiben einen zu frühen Endtermin an, endet das Mietverhältnis gleichwohl zum nach § 580a Abs. 2 BGB nächstmöglichen Termin, wenn - wie hier - den Umständen nach erkennbar ist, dass der Vertrag jedenfalls zu diesem Termin beendet werden soll (BGH WM 96, 133).
Übt der Ersteher das Sonderkündigungsrecht nicht oder nicht fristgerecht aus, ist er nicht anders zu behandeln, als im Fall der freihändigen Veräußerung eines Wohnungseigentums, das Teil eines aus mehreren Wohnungseinheiten bestehenden und insgesamt für einen einheitlichen Zweck vermieteten Objekts ist.
Weiterführender Hinweis
- Zur Kaution bei ZVG-Erwerb in der Vermieterinsolvenz MK 12, 101