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  • · Fachbeitrag · Zwangsvollstreckung

    Entziehung von Wohnungseigentum: So setzt die Eigentümergemeinschaft den Anspruch durch

    von Diplom Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | In der WEG-Praxis kommt es immer wieder zu Störungen des „Hausfriedens“ durch einen oder mehrere Miteigentümer. In solchen Fällen soll die Entziehungsklage nach §§ 18 und 19 WEG als Ultima ratio den Wohnungseigentümern eine effektive Möglichkeit geben, den Gemeinschaftsfrieden wiederherzustellen (BGH 14.9.18, V ZR 138/17; Abruf-Nr. 205030 ). Die Frage ist allerdings, wie ein solcher Anspruch ‒ nämlich die Entfernung des Störenfrieds aus der Anlage ‒ durch die WEG durchzusetzen ist? |

     

    • Beispiel

    Die Eigentümergemeinschaft verklagt den Wohnungseigentümer E auf Entziehung des Wohnungseigentums. Im Erkenntnisverfahren ergeht folgendes Urteil:

     

    „Der Beklagte ist verpflichtet, seine in der Eigentumswohnungsanlage, ..., in ... gelegene Wohnung, bestehend aus einem Miteigentumsanteil zu ..., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nummer ..., eingetragen im Grundbuch des ...gerichts ..., Grundbuch für ..., Blatt ... bis ... zu veräußern.“

     

    1. Vollstreckung erfolgt durch Zwangsversteigerung

    Immer wieder wird versucht, die Verpflichtung des Schuldners aus dem Entziehungsurteil nach § 888 ZPO als unvertretbare Handlung mittels Zwangsgeld bzw. Zwangshaft durchzusetzen. Dies ist jedoch ein Irrtum. Die Durchsetzung des Anspruchs erfolgt nach § 19 Abs. 1 und 3 WEG, somit im Wege der Zwangsversteigerung.

     

    MERKE | Insofern ist das Entziehungsurteil bzw. ein Vergleich (vgl. § 19 Abs. 3 WEG) ein Titel, der gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG als persönlicher ‒ nicht dinglicher ‒ Anspruch vollstreckt werden kann.

     

    Die Anordnung der Zwangsversteigerung bewirkt dabei eine Beschlagnahme (§§ 20, 22 ZVG). Diese führt zu einem Veräußerungsverbot (§ 23 ZVG). Das bewirkt u. a., dass zwischenzeitliche Verfügungen des Wohnungseigentümers, insbesondere an nahe Verwandte, ausgeschlossen sind.

     

    2. Vorüberlegungen

    Nach § 19 Abs. 1 S. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer zur Zwangsvollstreckung berechtigt. Hierbei sind jedoch von vornherein zwei Dinge durch den Gläubiger zu beachten (vgl. auch Geiben in: jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 19 WEG Rn. 14 f.):

     

    • Eigentümergemeinschaft besteht aus mehr als zwei Eigentümern: § 19 Abs. 1 S. 2 WEG stellt klar, dass nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Vollstreckungsgläubiger ausübungsbefugt ist, sodass nur ihr die Vollstreckungsklausel d. h., der Gemeinschaft, zu erteilen ist.

     

    • Gemeinschaft besteht nur aus zwei Eigentümern: Besteht die Gemeinschaft nur aus zwei Miteigentümern ist nur der klagende Wohnungseigentümer allein zur Zwangsvollstreckung berechtigt. Insofern ist nur diesem die Vollstreckungsklausel zu erteilen.

    3. Dingliche Belastung kann Durchsetzung verhindern

    Praktische Probleme bei der Durchsetzung des Anspruchs bestehen oftmals darin, dass das Wohnungsgrundbuch des verurteilten Schuldners im Rahmen der Finanzierung regelmäßig mit Grundpfandrechten der finanzierenden Banken in wertübersteigernder Höhe belastet ist. Diese Grundpfandrechtsgläubiger gehen als dingliche Gläubiger gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG dem persönlichen Anspruch der WEG im Range vor. Das hat i. d. R. zur Folge, dass das Objekt oftmals nicht zu versteigern ist, da diese Grundpfandrechte von einem potenziellen Ersteher mit übernommen werden müssen! Die Erfahrung lehrt jedoch, dass ein Erwerber lastenfreies Eigentum erwerben will und daher bei einer solchen Konstellation keine Gebote abgegeben werden.

     

    • Abwandlung

    Im Ausgangsfall beantragt die WEG aufgrund des Entziehungsurteils die Zwangsversteigerung. Aus dem Grundbuch ergibt sich, dass für die finanzierende Bank in Abteilung III lfd. Nr. 1 eine (Sicherungs-)Grundschuld in Höhe von 150.000 EUR nebst 15 % Zinsen eingetragen ist. Der Wert der Wohnung wurde durch das Gericht gem. § 74a ZVG auf 160.000 EUR festgesetzt.

     

    Lösung: Das Vollstreckungsgericht muss im Versteigerungstermin ein geringstes Gebot verlesen. Dieses besagt, dass nur ein solches Gebot zugelassen wird, durch welches die dem Anspruch des Gläubigers (WEG) vorgehenden Rechte (finanzierende Bank) sowie die aus dem Versteigerungserlös zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden. Das geringste Gebot sieht daher wie folgt aus:

    1. Bestehen bleibende Rechte

    • III/1 Grundschuld von 150.000 EUR + 15 % Zinsen

    2. (Mindest-)Bargebot

      • a) Verfahrenskosten (angenommen)

    3.000 EUR

      • b) Zinsansprüche des bestehen bleibenden Rechts III/1
    • laufende Zinsen (von Amts wegen zu ermitteln; angenommen für 1 Jahr)

    22.500 EUR

    • 2 Jahre rückständige Zinsen (von Bank anzumelden)

    45.000 EUR

    Summe

    70.500 EUR

    Wenn jemand als Interessent 70.500 EUR bietet und erhält den Zuschlag, dann hat er als Ersteher zu dem zu zahlenden Betrag von 70.500 EUR zusätzlich noch das Recht III/1 in Höhe von 150.000 EUR + 15 % Zinsen zu übernehmen! Insofern hat er wirtschaftlich das Objekt, was 160.000 EUR wert ist, für insgesamt 220.500 EUR ersteigert. Es ist daher zu vermuten, dass niemand bieten wird.

    Musterformulierung / Antrag auf Zwangsversteigerung gemäß § 19 WEG

    An das Amtsgericht ... - Vollstreckungsgericht -

     

    In der Zwangsversteigerungssache

     

    Wohnungseigentümergemeinschaft ... - Gläubigerin -

    vertreten durch Wohnungseigentümerverwaltung ..., Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...

     

    gegen

     

    ... - Schuldner -

     

    Der Schuldner ist Eigentümer des im Grundbuch von ... Blatt... auf seinen Namen eingetragenen Grundbesitzes: Miteigentumsanteil von ... an Grundstück ..., Flur ..., Flurstück ..., Gebäude- und Freifläche, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung und den Räumen im Aufteilungsplan bez. mit Nr. ...

     

    Aufgrund des vollstreckbaren Urteils/Vergleichs vom ... hat sich der Schuldner verpflichtet, sein Eigentum, nämlich Miteigentumsanteil von ... an Grundstück ..., Flur ..., Flurstück ..., Gebäude- und Freifläche, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung und den Räumen im Aufteilungsplan bez. mit Nr. ... zu veräußern.

     

    Dieser Verpflichtung ist der Schuldner bislang nicht nachgekommen, sodass gemäß § 19 Abs. 1, 3 WEG das Zwangsversteigerungsverfahren anzuordnen ist. In der Anlage überreiche ich einen beglaubigten Grundbuchauszug, woraus sich ergibt, dass der Schuldner Eigentümer des Grundbesitzes ist.

     

    Darüber hinaus melde ich die Kosten des Anordnungsbeschlusses wie folgt an:

     

    Gerichtskosten (Nr. 2210 GKG-VV) 100 EUR

    Rechtsanwaltskosten (0,4 Verfahrensgebühr Nr. 3311 Nr. 1 RVG-VV)... EUR

     

    Für die weiter entstehenden Kosten, insbesondere für die Terminswahrnehmung (0,4 gem. Nr 3312 RVG-VV, werden pauschal zunächst angemeldet ... EUR

     

    Es wird beantragt die Zwangsversteigerung aus persönlichem Anspruch gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG anzuordnen.

     

    Rechtsanwalt

     

    PRAXISTIPP | Ist das Grundbuch allerdings unbelastet und droht ggf. eine Belastung durch den Schuldner, um dadurch quasi eine „Unversteigerbarkeit“ herbeizuführen, kann dies gegebenenfalls durch ein Belastungsverbot nach § 826 BGB oder eine Vormerkung verhindert werden (Geiben, a.a.O., § 19 WEG Rn. 13). Denn das Recht aus einem vorläufig vollstreckbaren Entziehungsurteil ‒ nicht Vergleich ‒ ist durch Vormerkung nach § 883 BGB, § 895 ZPO sicherbar. Die Eintragung einer Vormerkung in das Wohnungsgrundbuch zur Sicherung des Anspruchs der Titelgläubiger auf Rechtsübertragung an den künftigen Ersteher gilt als bewilligt (§ 895 ZPO; KG Rpfleger 79, 198).

     

    4. Problemlösung bei rückständigen Hausgeldzahlungen

    Neben einer Zwangsversteigerung aus einem rechtskräftigen Entziehungsurteil bzw. Vergleich ist es bei fälligen Hausgeldzahlungen auch möglich und i. d. R. sinnvoller, die Versteigerung aus der bevorrechtigten Rangklasse 2 gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG zu betreiben. In diesem Fall gehen nämlich die dinglichen Belastungen bei einer Zuschlagserteilung unter, was für eine wesentlich effektivere Vollstreckung sorgt (Mock, MK 18, 124).

    5. Bruchteilseigentum

    Der BGH hat durch Urteil vom 14.9.18 (V ZR 138/17; Abruf-Nr. 205030) geklärt, dass auch bei Bruchteilseigentum das Wohnungseigentum insgesamt entzogen werden kann, wenn auch nur einer der Miteigentümer einen Entziehungstatbestand nach § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WEG verwirklicht. Insofern kann die WEG also das gesamte Grundstück zur Versteigerung bringen.

     

    Um den nicht störenden Miteigentümer zu schützen, ist dieser analog § 19 Abs. 2 WEG berechtigt, die Wirkungen des Entziehungsurteils bis zur Erteilung des Zuschlags in der Zwangsversteigerung dadurch abzuwenden, dass er den Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers (Schuldners) selbst erwirbt, den störenden Miteigentümer dauerhaft und einschränkungslos aus der Wohnanlage entfernt und dass er der Wohnungseigentümergemeinschaft alle Kosten ersetzt, die dieser durch das Führen des Entziehungsrechtsstreits und die Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens zur Durchsetzung des Entziehungsanspruchs entstanden sind.

     

    PRAXISTIPP | Über das Bestehen oder Nichtbestehen der Abwendungsbefugnis des nicht störenden Miteigentümers ist im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage zu entscheiden und nicht im Rahmen des formellen Versteigerungsverfahrens. In diesem Rahmen ist zu prüfen:

     

    • ob der nicht störende Miteigentümer alles zur Abwendung der Vollstreckung des Entziehungsurteils Erforderliche veranlasst hat, und
    • ob der Kläger als nicht störender Miteigentümer entsprechend § 19 Abs. 2 WEG überhaupt abwendungsberechtigt ist.
     

    Etwas anderes gilt, wenn die Parteien ‒ was möglich ist ‒ im Interesse einer frühzeitigen Klärung bzw. einer Entlastung der Vollstreckung des Entziehungsurteils in Ergänzung der Entziehungsklage oder widerklagend die Feststellung beantragt haben, dass der andere Miteigentümer den Entziehungstatbestand auch verwirklicht hat und damit nicht entsprechend § 19 Abs. 2 WEG abwendungsberechtigt ist, oder dass das Gegenteil zutrifft. In diesem Fall stünde das Bestehen oder Nichtbestehen der Abwendungsbefugnis bereits im Entziehungsrechtsstreit fest. Im Vollstreckungsklageverfahren wäre dann (bei Bestehen der Abwendungsbefugnis) „nur noch“ zu prüfen, ob alles für die Abwendung der Vollstreckung Erforderliche umgesetzt worden ist.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Klage gegen einen Miteigentümer auf Nutzungsuntersagung, MK 18, 21
    • Hobbyraum darf nicht für dauerhaftes Wohnen genutzt werden, MK 15, 114
    Quelle: Ausgabe 02 / 2019 | Seite 30 | ID 45648458