· Nachricht · Abgrenzung Miete, Leihe, Gefälligkeitsverhältnis
Langjährige Duldung der unentgeltlichen Nutzung eines Fahrradschuppens ist Leihe
| Wenn ein Vermieter langjährig eine unentgeltliche Nutzung eines Fahrradschuppens durch die Mieterin duldet, wird in der Regel ein Leihvertrag vereinbart, der weder zu einer Einbeziehung in den Mietvertrag noch zu der Annahme einer unwiderruflichen Gestattung führt. Der Vermieter kann jederzeit die Rückgabe verlangen, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck heraus zu entnehmen ist (AG Brandenburg 29.1.21, 34 C 34/20, Abruf-Nr. 221629 ). |
Der Vermieter verlangte nach § 985 BGB von der Mieterin, einen Fahrradschuppen herauszugeben. Im Mietvertrag mit dem Voreigentümer ist die Nutzung nicht geregelt. Der Vermieter meinte, es liege ein Gefälligkeitsverhältnis vor, sodass der Schuppen jederzeit zurückgefordert werden könne. Die Beklagte wandte ein, sie nutze den Schuppen bereits seit 18 Jahren unentgeltlich aufgrund einer mündlichen Vereinbarung mit dem Voreigentümer. Das führe zur Einbeziehung in den Mietvertrag oder zur Annahme einer unwiderruflichen Gestattung.
Nach Ansicht des AG handelt es sich bei dem zwischen der Mieterin und dem Voreigentümer vereinbarten Nutzungsgewährungsverhältnis über den Schuppen um eine Leihe (§§ 598 ff. BGB) und nicht um eine Miete oder ein Gefälligkeitsverhältnis. Abzugrenzen sei im Einzelfall nach Anlass und Zweck der Gebrauchsüberlassung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und der Interessenlage der Parteien. Anders als bei einem Gefälligkeitsverhältnis ohne vertragliche Bindung habe hier ein Rechtsbindungswille bestanden.
MERKE | Indiz für die Leihe ist das schutzwürdige Interesse daran, dass die Gebrauchsmöglichkeit nicht willkürlich abgekürzt werden kann (BGH 22.6.56, I ZR 198/54; KG 5.6.86, 12 U 6006/85; OLG Koblenz 11.1.08, 10 U 1705/06). Das AG ist davon ausgegangen, dass die Nutzungsüberlassung durch den Vorvermieter der Mieterin ermöglichen sollte, den Schuppen zum Unterstellen ihrer Fahrräder ohne Störungen nutzen zu können. Damit schied ein jederzeitiges Rückforderungsrecht für den Vermieter, wie bei einem Gefälligkeitsverhältnis, aus. |
Der Wohnraummietvertrag sehe eine Pflicht des Vermieters nicht vor, der Mieterin über die Wohnräume hinaus auch einen Schuppen zur Verfügung zu stellen. Da die Mieterin unstreitig keine Miete für den Schuppen zahle, sei von einem Leihvertrag auszugehen. Der Entleiher könne somit jederzeit die Nutzungsberechtigung widerrufen (§ 604 Abs. 3 i. V. m. § 985 BGB) und die Herausgabe verlangen.
Beachten Sie | Ein Mietvertrag unterscheidet sich vom Leihvertrag vor allem darin, dass die Gebrauchsüberlassung entgeltlich und beim Leihvertrag unentgeltlich erfolgt (BGH 18.12.19, XII ZR 13/19). Der Vermieter muss den Gebrauch der Mietsache für die Dauer der Mietzeit gewähren, der Verleiher muss nur den Gebrauch des Leihobjekts gestatten, d. h. die Gebrauchsmöglichkeit verschaffen und die Nutzung während der Dauer der Leihe dulden (§§ 598, 601 BGB).
MERKE | Anders als bei der Miete hat der Verleiher nicht die Pflicht, die Sache für den vertragsgemäßen Gebrauch instand zu setzen oder instand zu halten. Die Erhaltungspflicht obliegt dem Entleiher (§ 601 Abs. 1 BGB). Vorliegend hätte die Mieterin z. B. das Dach des Schuppens auf eigene Kosten reparieren müssen. |
Etwas anderes folge auch nicht aus der Duldung über 18 Jahre hinweg, da das bloße Zeitmoment nicht dazu führen könne, dass der Vermieter sein Recht zum jederzeitigen Widerruf der Duldung aufgibt. Es gebe hier keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gestattung unwiderruflich gewesen sei. Auch die langjährige Duldung einer unentgeltlichen tatsächlichen Nutzung des Schuppens führe noch nicht zu einer Einbeziehung in den Mietvertrag oder zu der Annahme einer unwiderruflichen Gestattung (Verweis auf LG Frankfurt/M. 8.5.14, 2/11 S 86/14; LG Berlin 27.7.99, 65 S 350/98; LG Saarbrücken 7.6.96, 13 B S 13/96; AG Frankfurt/M. 27.4.18, 33 C 3648/17; 21.7.17, 33 C 767/17).
Beachten Sie | Ein Mietvertrag ist auf eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung gerichtet. Ein Mieter kann daher nicht ohne besondere Umstände davon ausgehen, dass eine Duldung der unentgeltlichen Nutzung den Pflichtenkreis des Vermieters und den Rechtskreis des Mieters dauerhaft erweitert.