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  • · Fachbeitrag · Störung des Hausfriedens

    Ordentliche Kündigung wegen Pflichtverletzung erfordert keine Abmahnung

    | Typischerweise wird eine fristlose Kündigung des Vermieters wegen einer Pflichtverletzung des Mieters oder seiner Besucher mit einer ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB verbunden. In der Rechtsprechung des BGH ist grundsätzlich geklärt, ob es in diesen Fällen einer (nochmaligen) Abmahnung bedarf und ob ein Mieter für Fehlverhalten seiner Besucher einzustehen hat. Gleichwohl wird der BGH immer wieder im Rahmen von PKH- und Einstellungsanträgen mit diesen Fragen befasst. Meist vergeblich, wie auch die aktuelle Entscheidung zeigt. |

    Sachverhalt

    Die Beklagte ist durch vorläufig vollstreckbares Urteil des AG München zur Räumung der von den Klägerinnen vermieteten Wohnung verurteilt worden. Ihre Berufung wurde nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

     

    Die Vorinstanzen haben die ‒ neben einer fristlosen Kündigung hilfsweise erklärte ‒ ordentliche Kündigung der Klägerinnen für begründet erachtet, weil die Beklagte den Hausfrieden nachhaltig gestört habe.

     

    Die Beklagte hat fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Für diese hat sie die Bewilligung von PKH sowie im Hinblick auf die angekündigte zwangsweise Räumung der Wohnung die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 719 Abs. 2 ZPO beantragt. Der BGH (25.8.20, VIII ZR 59/20, Abruf-Nr. 217920) weist beide Anträge zurück.

    Entscheidungsgründe

    Die Beklagte hat die Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO nicht dargetan, weil die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nach derzeitigem Sachstand unbegründet ist. Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) ist von der Beklagten weder gezeigt worden noch sonst ersichtlich. Vielmehr entspricht der Beschluss des Berufungsgerichts der Rechtslage.

     

    Eine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) liegt nur vor, wenn eine Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann. Die Rechtssache berührt dann das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts, das heißt, sie ist allgemein von Bedeutung.

     

    Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Frage, welche Bedeutung eine Abmahnung, die vor einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses erklärt wurde (§ 543 Abs. 3 BGB), für die hiermit verbundene hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses ‒ hier nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB ‒ hat, ist ‒ soweit dies abstrakt möglich ist ‒ dem Grunde nach geklärt und entzieht sich weitgehend einer generalisierenden Betrachtung.

     

    MERKE | Die Abmahnung ist lediglich ein einzelner Gesichtspunkt bei der umfassenden Prüfung, ob eine schuldhafte, nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Mieters vorliegt (BGH 28.11.07, VIII ZR 145/07, Abruf-Nr. 080138).

     

    Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) zuzulassen. Das Berufungsgericht hat den Begriff der „Nachhaltigkeit“ der Störung des Hausfriedens nicht verkannt. Die tatrichterliche Würdigung zeigt keine zulassungsrelevanten Rechtsfehler.

     

    Schließlich ist die Revision auch nicht aus Gründen der Rechtsfortbildung zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Die Grundsätze sind hinreichend geklärt, unter denen sich ein Mieter das Verhalten von Besuchern (hier des Lebensgefährten) nach § 278 BGB zurechnen lassen muss und dieses demnach bei der Frage einer Vertragspflichtverletzung (§ 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB) zulasten des Mieters berücksichtigt werden kann. Ob die Voraussetzungen hierfür im Einzelfall vorliegen, entzieht sich einer typisierenden Festlegung.

    Relevanz für die Praxis

    Einstellungs- und PKH-Antrag waren mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet. Der BGH hat die von der Beschwerdeführerin darzulegenden Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und § 2 ZPO schulmäßig verneint. Damit lag die für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 i. V. m. §§ 544 Abs. 7 S. 2, 522 Abs. 3 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde nicht vor. Zugleich war damit dem PKH-Antrag (§ 114 Abs. 1 ZPO) der Boden entzogen.

     

    Materiell-rechtlich betrifft die Entscheidung drei Bereiche, die in der Praxis immer wieder thematisiert werden, die der BGH aber sämtlich als grundsätzlich geklärt ansieht:

     

    • 1. Relevanz der Abmahnung für die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB?
    •  
    • 2. Alltägliche Konflikte zwischen Mietparteien als nachhaltige Störung des Hausfriedens?
    •  
    • 3. Sind Besucher des Mieters im Hinblick auf die Einhaltung des Hausfriedens seine Erfüllungsgehilfen?

     

    Abmahnung

    Der BGH bestätigt, dass die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum wegen schuldhafter erheblicher Vertragsverletzung des Mieters (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) keine Abmahnung des Mieters durch den Vermieter voraussetzt (grundlegend BGH NJW 08, 508). Sie kann aber je nach Fallgestaltung indizieren, dass die ordentliche Kündigung berechtigt ist. Das ist der Fall, wenn der Mieter die Abmahnung nicht beachtet und erst hierdurch die Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht erhält, etwa weil vorher nur ein schlichtes Versehen des Mieters vorgelegen hat oder eine Duldung des Vermieters zu vermuten war. Ob und wann dies der Fall ist, entzieht sich einer typisierenden Festlegung. Beurteilungsfehler des Berufungsgerichts hat der BGH hier nicht gefunden.

     

    Störung des Hausfriedens

    Nach MK 15, 78 (Abruf-Nr. 175685) setzt eine nachhaltige Störung des Hausfriedens voraus, dass eine Mietpartei die gemäß § 241 Abs. 2 BGB aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgende Pflicht in schwerwiegender Weise verletzt: Mieter haben sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden. Hieran hält der BGH fest. Nachhaltig störend können damit auch sog. alltägliche Konflikte zwischen Mietparteien sein, wenn sie diese Voraussetzungen erfüllen ‒ wie hier (zahlreiche Beleidigungen und Bedrohungen von Mitmietern, zuletzt die Bezeichnung eines Mitmieters durch den Lebensgefährten der Beklagten als „Du Arschloch“).

     

    Beachten Sie | Maßgebend ist immer eine Gesamtwürdigung des störenden Verhaltens, die hier zulasten der Beklagten ausgefallen ist.

     

    Die obergerichtliche Rechtsprechung hat eine nachhaltige (= schwerwiegende) Störung des Hausfriedens bei lediglich einmaligen und vereinzelten Vorfällen sowie bei Störungen, welche dem Bagatellbereich zuzuordnen sind, verneint (OLG Düsseldorf MK 08, 50, Abruf-Nr. 080433; OLG Hamm BeckRS 2019, 38887).

     

    Besucher/Lebensgefährte des Mieters als Erfüllungsgehilfe

    Der BGH stellt klar, dass § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zwingend ein persönliches Fehlverhalten des Mieters erfordert, sondern dass auch ein ihm zuzurechnendes Verschulden von Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) genügen kann. Der Mieter ist danach für ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen in gleichem Umfang verantwortlich wie für ein eigenes Verschulden.

     

    MERKE | Erfüllungsgehilfen des Mieters sind auch Besucher, die sich mit seinem Einverständnis in der Wohnung aufhalten (BGH ZMR 17, 154). Das gilt auch für Familienangehörige (BGH MK 07, 26, Abruf-Nr. 063630) und ‒ wie hier ‒ für den Lebensgefährten der Mieterin.

     

    Häufig wird in den Fällen andauernder Störungen des Hausfriedens durch einen Besucher auch ein eigenes Verschulden des Mieters vorliegen, wenn er es pflichtwidrig unterlassen hat, auf diesen einzuwirken, die Störungen zu unterlassen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2021 | Seite 10 | ID 46995748