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  • · Fachbeitrag · WEG-Novelle

    Entziehung von Wohnungseigentum: Abmahnung, Entziehungsbeschluss, Klage und Vollstreckung

    von RAin Kornelia Reinke, www.schiffer.de, Bonn

    | In MK 21, 172 , haben wir den neuen § 17 WEG vorgestellt und über die Entziehungsgründe berichtet. Hieran schließt der folgende Beitrag an und stellt in diesem Zusammenhang aktuelle Probleme der Abmahnung, des Entziehungsbeschlusses sowie von Klage und Vollstreckung dar. |

    1. Abmahnung

    Vor der WEG-Novelle war eine Abmahnung nach dem BGH grundsätzlich auch erforderlich, wenn die Entziehung auf § 18 Abs. 1 WEG a. F. gestützt wurde, ohne dass ein Regelbeispiel nach § 18 Abs. 2 WEG a. F. vorlag (BGH 19.1.07, V ZR 26/06). Diese Rechtsprechung ist auch auf § 17 Abs. 1 WEG n. F. übertragbar.

     

    Die Abmahnung ist eine formfreie rechtsgeschäftsähnliche Erklärung, und kann auch durch den Verwalter oder einzelne Eigentümer ausgesprochen werden. Sie soll dem Wohnungseigentümer ein bestimmtes, als Entziehungsgrund beanstandetes Fehlverhalten vor Augen führen, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten zur Vermeidung eines Entziehungsbeschlusses aufzugeben oder zu ändern (BGH 20.2.08, VIII ZR 139/07). Dazu muss die Abmahnung hinreichend bestimmt sein und ein konkretes Verhalten aufzeigen, das einen Entziehungsbeschluss rechtfertigen kann (BGH 8.7.11, V ZR 2/11).

     

    An dem Merkmal „Bestimmtheit“ fehlt es z. B. bei der pauschalen Aufforderung, das Eigentum anderer Eigentümer oder das Gemeinschaftseigentum nicht zu beschädigen. Diese Formulierung lässt keine konkrete Verhaltensweise erkennen, da eine Sachbeschädigung auf viele Arten begangen werden kann. Zudem fehlt es an der Bezeichnung, welche Objekte beschädigt wurden. Auch die Aufforderung, man solle von anderen Bewohnern kein Tun oder Unterlassen verlangen, das keine gesetzliche Grundlage hat, ist zu unbestimmt, da kein konkretes Fehlverhalten bezeichnet wird (LG München I 22.9.08, 1 S 6883/08).

     

    MERKE | Auf die Abmahnung kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, etwa wenn sie der Gemeinschaft unzumutbar ist oder offenkundig keine Aussicht auf Erfolg bietet (BGH 19.1.07, V ZR 26/06; 25.1.18, V ZR 141/17). Die Abmahnung setzt nicht zwingend einen Beschluss voraus. Es genügt, dass der Verwalter oder ein Wohnungseigentümer eine Abmahnung ausspricht. Diese ist dann nicht selbstständig anfechtbar (BGH 19.1.07, V ZR 26/06). Erfolgt die Abmahnung aber in Form eines Beschlusses, ist dieser entsprechend anfechtbar (BGH 5.4.19, V ZR 339/17).

     

    Für einen Beschluss ist anders als nach § 18 Abs. 3 WEG a. F. keine qualifizierte Mehrheit mehr erforderlich; es genügt die Mehrheit der Stimmen. Bei der Berechnung kommt es allein auf die abgegebenen Stimmen an. Jede Versammlung ist beschlussfähig, unabhängig davon, wie viele Wohnungseigentümer teilnehmen, § 25 Abs. 1 WEG (BT-Drucksache 19/18791, S. 73).

    2. Entziehungsbeschluss

    Der Entziehungsbeschluss ist Prozessvoraussetzung für die Entziehungsklage (BGH 8.7.11, V ZR 2/11). Er muss das an den betroffenen Wohnungseigentümer gerichtete Verlangen enthalten, sein Wohnungseigentum zu veräußern. Bereits die Einladung zur Eigentümerversammlung muss deutlich erkennen lassen, dass über ein Entziehungsverlangen beschlossen werden soll (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 17 Rn. 18). Es bedarf eines entsprechenden Tagesordnungspunkts (OLG Köln 16.5.97, 16 WX 97/97).

     

    Der störende Wohnungseigentümer ist nach § 25 Abs. 4 WEG n. F. nicht stimmberechtigt. Er darf aber an der Versammlung teilnehmen (MüKo/Zschieschack, WEG, § 17 Rn. 31). Wird der Entziehungsbeschluss angefochten, werden im Rahmen dieser Klage nur die formellen Voraussetzungen der Beschlussfassung geprüft. Die materiellen Gründe sind dem Verfahren der Entziehungsklage vorbehalten (BGH 8.7.11, V ZR 2/11).

    3. Klage

    Kommt der störende Wohnungseigentümer dem Entziehungsbeschluss nicht nach, muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Entziehungsklage erheben. Die Klage ist vom Verwalter zu erheben, § 9b WEG n. F. Zuständig ist ‒ unabhängig vom Streitwert ‒ das AG, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, § 23 Nr. 2 Buchst. c GVG, § 43 Abs. 2 Nr. 2 WEG n. F. Der Streitwert einer Eigentumsentziehungsklage bemisst sich nach dem Verkehrswert des zu veräußernden Wohnungs- und Teileigentums (BGH 21.9.06, V ZR 28/06).

     

    Musterformulierung / Klageantrag (Hügel/Elzer, a. a. O., § 17 Rn. 27)

    Der Beklagte wird verurteilt, sein Wohnungseigentum …, bestehend aus … Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung …, eingetragen im Grundbuch …, zu veräußern.

     

    Ist die Klage zulässig und begründet, ergeht ein Veräußerungsurteil, § 894 ZPO. Der störende Eigentümer wird nach § 17 Abs. 4 WEG n. F. mittels Entziehungsklage zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verurteilt. Das Urteil gibt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Dieser Anspruch steht nur dem Erwerber zu. Dieser darf jedoch dem früheren Wohnungseigentümer den Besitz nicht wieder einräumen, wenn der seine Pflichten gröblich verletzt hat.

     

    MERKE | Aus dem Handeln des früheren Eigentümers in der Vergangenheit wird die Prognose abgeleitet, dass er auch künftig nicht von seinem gemeinschaftsschädigenden Verhalten Abstand nehmen wird. Ist dem Eigentümer das Wohnungseigentum entzogen worden, weil er trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen Pflichten verstoßen hat, steht durch das Urteil fest, dass sein Verbleib in der Wohnung den übrigen Wohnungseigentümern unzumutbar ist. Etwas anderes gilt, wenn der Wohnungseigentümer mit Beitragszahlungen im Rückstand ist. Dann wird i. d. R. ein Verbleib in der Wohnung für die übrigen Wohnungseigentümer zumutbar sein, wenn die Verpflichtung zur Kosten- und Lastentragung auf den neuen Wohnungseigentümer übergeht (§ 56 S. 2 ZVG).

     

    Überlässt der Erwerber die Wohnung dem früheren Wohnungseigentümer, verletzt er selbst die Pflichten nach § 14 Nr. 1 und 2 WEG n. F. Die übrigen Wohnungseigentümer würden in diesem Fall gezwungen, mit dem früheren Wohnungseigentümer die Gemeinschaft fortzusetzen, obwohl ihnen dieses gerade nicht zugemutet werden kann. Die Wirkung des Urteils würde unterlaufen. Das ist mit dem Sinn und Zweck des Entziehungsverfahrens nicht vereinbar. Dieser besteht darin, den Gemeinschaftsfrieden gegenüber einem „Störenfried“ wiederherzustellen (BGH 19.1.07, V ZR 26/06; 18.11.16, V ZR 221/15).

    4. Vollstreckung

    Nach § 17 Abs. 4 S. 1 WEG n. F. erfolgt die Zwangsvollstreckung entsprechend §§ 1 bis 161 ZVG und nicht nach den Vorschriften der Teilungsversteigerung (§§ 180 ff. ZVG). § 10 ZVG wurde im Rahmen der Novelle redaktionell angepasst und gilt im Übrigen materiell rechtlich unverändert weiter.

     

    PRAXISTIPP | Der störende Eigentümer ist als Bieter ausgeschlossen, analog § 81, § 68 Abs. 3 ZVG. Für den Ersteigerer ist der Zuschlagsbeschluss ein Räumungstitel nach § 93 ZVG. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann die Wohnung auch selbst ersteigern (MüKo/Zschieschack, WEG, § 17 Rn. 48, 49).

     

    Das Urteil ist ein zur Zwangsversteigerung nach dem ZVG geeigneter Titel, der im Rang des § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG vollstreckt werden kann. Diese Rangklasse 5 beinhaltet dabei alle Ansprüche der betreibenden Gläubiger, soweit sie nicht in einer der vorhergehenden Klassen zu befriedigen sind. Hierzu gehört auch der Anspruch auf Entziehung des Wohnungseigentums. Die Zuordnung des Entziehungsanspruchs zur Rangklasse 5 hat zur Folge, dass ‒ wie bisher in der freiwilligen Versteigerung ‒ in der Regel sämtliche Belastungen des Grundstücks im geringsten Gebot zu berücksichtigen und vom Ersteher zu übernehmen sind, wenn nur aus dem Entziehungsurteil vollstreckt wird.

     

    Beachten Sie | Die Beschlagnahme (§ 20 ZVG) hat auch im Entziehungsverfahren die nach § 23 ZVG vorgesehene Wirkung eines Veräußerungsverbotes (BT-Drucksache 16/887, 26). Eine Grundbuchsperre ist damit aber nicht verbunden (MüKo/Zschieschack, WEG, § 17 Rn. 47). Soweit der Wohnungseigentümer eine freihändige Veräußerung durchführen möchte, ist die Einstellung der Zwangsvollstreckung möglich. Die §§ 57 ff. ZVG regeln das Verhältnis des Erstehers zu den Mietern und Pächtern im Zwangsversteigerungsverfahren. Das durch § 57a ZVG gewährte außerordentliche Kündigungsrecht des Erstehers erhöht die Chancen einer erfolgreichen Versteigerung (BT-Drucksache 16/887, 26).

    5. Übergangsvorschriften

    Für das materielle Recht sind Übergangsvorschriften nicht vorgesehen (siehe auch MK 21, 30, 31). Für anhängige Verfahren gilt § 48 Abs. 5 WEG n. F. Die vorgesehenen Änderungen des Verfahrensrechts sollen bereits anhängige Verfahren unberührt lassen. Verfahren, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits bei Gericht anhängig sind, sind deshalb nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften zu führen (BT-Drucksache 19/18791, S. 86).

    Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 192 | ID 47622291