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  • · Fachbeitrag · Mietrückstand

    Saldoklage ist doch zulässig

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Eine „Saldoklage“, mit der Mietrückstände aus einem mehrere Jahre umfassenden Zeitraum geltend gemacht werden, ist zulässig (BGH 9.1.13, VIII ZR 94/12, Abruf-Nr. 130485).

    Sachverhalt

    Die Kläger begehren für die Zeit von 1/07 bis 3/10 Nutzungsentschädigung (17.948 EUR). Sie behaupten, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung seit Mietende in 2003 monatlich 1.918 EUR beträgt und die Beklagten zum Schadenersatz verpflichtet sind, soweit die von ihnen gezahlte Miete dahinter zurückbleibt (§ 546a Abs. 2 BGB). Die Widerklage betrifft die Auszahlung der Guthaben aus den Betriebskostenabrechnungen 2007 bis 2009 (7.060 EUR). Hiergegen haben die Kläger mit der von ihnen für 2005 und 2006 beanspruchten (restlichen) Nutzungsentschädigung aufgerechnet (je 5.836 EUR). Das AG hat die Klage als unzulässig abgewiesen und der Widerklage wegen Unbestimmtheit der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen stattgegeben. Die Berufung der Kläger blieb erfolglos. Der BGH entscheidet zugunsten der Kläger und verweist den Rechtsstreit an das LG zurück.

     

    Entscheidungsgründe

    Ein Klageantrag muss hinreichend bestimmt sein (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

     

    Checkliste / Das muss ein Klageantrag erfüllen

    Ein Klageantrag ist i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn er:

    • den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet,
    • dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt,
    • Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt,
    • das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich
    • eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH NJW 99, 954).

    Die Kläger haben ihre Forderung damit begründet, dass ihnen für den gesamten streitigen Zeitraum eine monatliche Nutzungsentschädigung von 1.918 EUR zugestanden habe und die Beklagten von dem sich daraus ergebenden Gesamtbetrag 17.948,28 EUR schuldig geblieben seien. Das heißt: Sie haben keine Teilforderung geltend gemacht, sondern die gesamte von ihnen noch beanspruchte Nutzungsentschädigung für den streitigen Zeitraum eingeklagt. Dieser einheitliche (Gesamt-)Anspruch ist hinreichend bestimmt. Grund: Für die Entscheidung kommt es allein darauf an, ob den Klägern für den streitigen Zeitraum als Nutzungsentschädigung ein Betrag von 1.918 EUR monatlich zusteht und inwieweit die von den Beklagten erbrachten Zahlungen dahinter zurückbleiben. Für den Ausgang des Rechtsstreits ist ohne Bedeutung, wie die erbrachten Zahlungen auf einzelne Zeitabschnitte innerhalb des streitigen Zeitraums zu verteilen sind.

     

    Praxishinweis

    In der Instanzrechtsprechung wurde bisher überwiegend angenommen, dass eine „Saldoklage“ dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 ZPO nicht gerecht werde und deshalb unzulässig sei (Nachweise Urteilsgründe Rn. 11). Der BGH ist dem zu Recht nicht gefolgt.

     

    • Folge: Die Zulässigkeit der Saldoklage setzt nicht voraus, dass der Vermieter für jeden einzelnen Monat aufschlüsselt, welcher Betrag unter Berücksichtigung der seitens des Mieters geleisteten Zahlungen jeweils noch als restliche Nutzungsentschädigung begehrt wird. Dieser Angaben bedarf es nicht. Grund: Sie sind weder für den Entscheidungsumfang des Gerichts (§ 308 ZPO) noch zur Ermittlung der Rechtskraft einer späteren gerichtlichen Entscheidung oder einer Zwangsvollstreckung von Bedeutung.

     

    • Für die Zulässigkeit der Klage ist es hingegen ohne Relevanz, ob sich bei Zugrundelegung der von den Klägern beanspruchten ortsüblichen Vergleichsmiete nach Abzug der - unstreitigen - Zahlungen der Beklagten ein geringerer als der von den Klägern geforderte Gesamtbetrag ergibt. Grund: Das ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die materiell-rechtlich im Prozess zu klären ist. Ergibt sich eine geringere Vergleichsmiete als behauptet, ist die Klage insoweit unbegründet.

     

    • Die Saldoklage ist abzugrenzen von der Teilzahlungsklage, insbesondere wenn mit ihr mehrere selbstständige Ansprüche geltend gemacht werden. Hier ist es unabdingbar, genau anzugeben, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Grund: Andernfalls ergeben sich unüberwindliche Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Streitgegenstands und damit zusammenhängend auch bei der Bestimmung der materiellen Rechtskraft und der Verjährungsunterbrechung (BGH NJW-RR 97, 441; NZI 08, 558). Fehlt es an der gebotenen Abgrenzung, ist die Teilleistungsklage unzulässig.

     

    • Verlangt z.B. der Pächter wegen Zerstörung seiner Gaststätte von dem Brandverursacher Schadenersatz und macht er Schäden am Inventar und an privaten Gegenständen sowie einen Verdienstausfallschaden geltend, handelt es sich um mehrere selbstständige prozessuale Ansprüche, die er dem Gericht nicht wahlweise oder gar beliebig zur Ausfüllung des Betrags der Teilklage zur Disposition stellen darf (BGH NJW 84, 2346).

     

    Merke | Eine im Hinblick auf § 253 Abs. 2 ZPO vorgenommene nähere Aufgliederung der Klageforderung ist kein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel, sondern gehört zum Angriff selbst. Sie unterliegt daher nicht der Präklusion nach § 531 Abs. 2 ZPO.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 42 | ID 37988500