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  • · Fachbeitrag · Beendigung des Mietverhältnisses

    Wegen nachträglicher Mängel darf die Nutzungsentschädigung nicht gemindert werden

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Ist das Mietverhältnis beendet und weigert sich der Mieter auszuziehen, muss er dem Vermieter Nutzungsentschädigung zahlen. Tritt dann ein Mangel an der Mietsache auf, muss der Vermieter ihn nicht beseitigen. Der Mieter darf aber nicht mindern. Der BGH lässt zwei Ausnahmen zu. Eine ist, wenn der Mieter - etwa während eines Streits um die Kündigung - mit nachvollziehbaren Erwägungen davon ausgehen durfte, weiterhin die Mietsache besitzen zu dürfen. Damit gibt der BGH der Praxis Steine statt Brot. |

    Sachverhalt

    Der Beklagte wurde in 4/11 rechtskräftig zur Räumung eines Lokals verurteilt. Er negierte das Urteil und zahlte bis 12/11 weiterhin einen monatlichen Betrag in Höhe der vereinbarten Miete. Er räumte das Objekt Ende 4/12. Er beruft sich gegenüber dem Nutzungsentschädigungsanspruch des Klägers für die Monate 1 bis 3/12 auf Minderung. Grund: Es habe zwischen 9/11 und 4/12 in den Mieträumen insgesamt fünf Wasserschäden gegeben. Zudem rechnet er hilfsweise mit einem Schadenersatzanspruch wegen aufgetretener Wasserschäden an seinen Waren auf. Die Zahlungsklage hat in allen Instanzen Erfolg.

     

    • 1. Eine erstmals nach Vertragsbeendigung eingetretene Verschlechterung der Mietsache, die beim Fortbestehen des Mietverhältnisses eine Minderung der Miete zur Folge gehabt hätte, führt grundsätzlich nicht dazu, den Anspruch des Vermieters auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung in entsprechender Anwendung von § 536 BGB herabzusetzen.
    • 2. Etwas anderes gilt nur, wenn den Vermieter nach Treu und Glauben im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses ausnahmsweise eine nachvertragliche Pflicht zur Beseitigung von Mängeln der vorenthaltenen Mietsache trifft.
     

    Relevanz für die Praxis

    Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Frage, ob sich ein im Stadium zwischen Beendigung des Mietverhältnisses und tatsächlicher Räumung des Mietobjekts erstmals auftretender Mangel auf die Höhe der vom Mieter nach § 546a Abs. 1 BGB zu zahlenden Nutzungsentschädigung auswirkt. Der BGH entscheidet, wie aus den Leitsätzen ersichtlich.

     

    Die Frage hat der BGH erstmals 1960 entschieden (NJW 61, 916). Dabei hat er gesagt, dass es für den Anspruch des Vermieters auf eine Nutzungsentschädigung unerheblich sei, ob sich der Mietwert der vorenthaltenen Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses (weiter) verringert habe. Grund: „Die bei einem bestehenden Mietverhältnis kraft Gesetzes eintretende Abänderung der Vertragspflicht des Mieters zur Zahlung der Miete folge aus der besonderen Verpflichtung des Vermieters, seinem Mieter den vertragsmäßigen Gebrauch der Sache fortgesetzt zu gewähren; diese Verpflichtung entfalle mit Beendigung des Mietverhältnisses. Der Vermieter könne daher trotz weiterer Verschlechterung der ihm vorenthaltenen Mietsache den letzten Mietzins als Mindestschaden weiter fordern.“ Dem haben sich die obergerichtliche Rechtsprechung und weite Teile der Literatur angeschlossen (Urteil Tz. 14).

     

    Die Kritik an der Rechtsprechung des BGH

    Die Kritik (Urteil Tz. 15) an dieser Rechtsprechung knüpft rechtlich vor allem daran an, dass der BGH den Nutzungsentschädigungsanspruch in den Gründen seines Urteils aus 1960 noch ausdrücklich als „reinen Schadenersatzanspruch“ angesehen habe. In späterer Zeit sei er von dieser Sichtweise abgerückt und behandele den Anspruch auf Nutzungsentschädigung jetzt in ständiger Rechtsprechung als einen vertraglichen Anspruch eigener Art, der an die Stelle des weggefallenen Anspruchs auf Miete getreten sei.

     

    Wenn aber der Anspruch auf Nutzungsentschädigung vertraglicher oder vertragsähnlicher Natur sei, müsse auch das Prinzip der Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung im Grundsatz erhalten bleiben. Entscheide sich der Vermieter, die Mängel nicht zu beseitigen und sein Leistungsniveau entsprechend bewusst zu verringern, müsse er konsequenterweise auch die daraus resultierenden Folgen für die Höhe seines Nutzungsentschädigungsanspruchs hinnehmen. Alles andere liefe auf eine Bestrafung des Mieters und damit auf eine unzulässige Druckausübung hinaus.

     

    Die Antwort des BGH

    Diese Auffassung lehnt der BGH unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien und den Sinn und Zweck der Norm ab. Grund: § 546a Abs. 1 BGB soll dem Vermieter einen leicht durchsetzbaren Ersatzanspruch gewähren, der in seiner Höhe nicht davon abhängig ist, ob und inwieweit ihm ein wirtschaftlicher Schaden erwachsen ist, weil ihm die Mietsache vorenthalten wurde. Ebenso wenig davon, ob der Mieter aus der Mietsache einen dem Wert der von ihm zu entrichtenden Nutzungsentschädigung entsprechenden Nutzen hat ziehen können (BGH MK 06, 4, Abruf-Nr. 053318; zweifelnd Zehelein, ZfIR 15, 657).

     

    Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn sich der Vermieter in der Vorenthaltungszeit generell mit der Einwendung auseinandersetzen müsste, dass der frühere Mieter wegen eines nachträglichen Mangels der Mietsache keinen ausreichenden Gegenwert für die Nutzungsentschädigung mehr erhalte. Indem ausgeschlossen wird zu mindern, liegt keine Bestrafung des Mieters, die mit der vertraglichen oder vertragsähnlichen Natur nicht in Einklang zu bringen wäre. Grund: Das schuldrechtliche Verhältnis der Vertragsparteien ist in der Vorenthaltungszeit nur noch auf Abwicklung und damit auf Rückgabe der Mietsache angelegt. Diese ist vom Willen des Mieters abhängig. Könnte sich der Mieter in diesem Stadium auf jede weitere Verschlechterung der Mietsache berufen, um die Nutzungsentschädigung zu kürzen, würde ihn dies in seinem Willen zur weiteren - widerrechtlichen - Vorenthaltung der Mietsache nur bestärken (BGH NJW 61, 916) und damit gerade den Zweck des schuldrechtlichen Abwicklungsverhältnisses gefährden.

     

    Auch wenn das Äquivalenzprinzip danach im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses nicht mehr anzuwenden ist und der frühere Mieter keinen Anspruch auf Mangelbeseitigung gegen den Vermieter mehr hat, hält der XII. Senat der Praxis - wie schon im Fall der Versorgungssperre nach Vertragsbeendigung (BGH MK 09, 127, Abruf-Nr. 091890) - in Leitsatz 2 eine Hintertür offen. Das heißt: Den Vermieter kann nach § 242 BGB ausnahmsweise im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses eine nachvertragliche Pflicht treffen, Mängel zu beseitigen. Der BGH nennt als Beispiel, dass ohne Instandhaltung oder Instandsetzung akute und schwerwiegende Gefahren für Leben, Gesundheit oder hohe Eigentumswerte des Mieters drohen.

     

    Beachten Sie | Allein eine besonders hohe Gefahr für Rechtsgüter des früheren Mieters kann für sich genommen aber noch keine nachvertragliche Mangelbeseitigungspflicht des Vermieters auslösen. Grund: Der frühere Mieter hat es in seiner Hand, sich den durch den Zustand der Mietsache drohenden Gefahren für seine Rechtsgüter zu entziehen, indem er aufhört, die Mietsache widerrechtlich zu nutzen und sie an den Vermieter zurückgibt.

     

    Folge | Eine Mangelbeseitigungspflicht des Vermieters kann als Ausfluss nachvertraglicher Pflichten aus Sicht des BGH nach Treu und Glauben nur in solchen Fällen bejaht werden, in denen die fortgesetzte Vorenthaltung der Mietsache durch den früheren Mieter in einem milderen Licht erscheint. Das soll anzunehmen sein,

    • wenn und soweit gesetzliche Regeln (z.B. §§ 721, 765a ZPO) dem Mieter eine Weiterbenutzung der Mietsache gestatten
    • oder wenn der Mieter - etwa während eines Streits um die Wirksamkeit der Kündigung - mit nachvollziehbaren Erwägungen davon ausgehen durfte, weiterhin zum Besitz der Mietsache berechtigt zu sein.

     

    Letzteres ist wenig überzeugend. Der BGH versäumt es, sein Verständnis von „nachvollziehbaren Erwägungen“ zu erläutern und der Praxis hierfür klare Regieanweisung zu geben. Ist die Kündigung des Vermieters wirksam, kann es für die Anwendung des § 546a Abs. 1 BGB keine Rolle spielen, ob der Mieter aus nachvollziehbaren Gründen annehmen durfte, weiterhin zum Besitz berechtigt zu sein. Der Mieter, der sich auf eine Räumungsklage einlässt, handelt auf eigenes Risiko, wenn sich im Prozess herausstellt, dass die Kündigung des Vermieters das Mietverhältnis wirksam beendet hat. An einen Rechtsirrtum stellt der BGH allgemein hohe Anforderungen. Warum soll das im Anwendungsbereich des § 546a Abs. 1 BGB nicht gelten?

     

    PRAXISHINWEIS | Auch wenn die potenzielle Minderungsquote sehr hoch ist, kann diese im Prozess nicht als taugliches Kriterium für die Anwendung des § 242 BGB ins Feld geführt werden. Denn: Wenn dem Mieter wegen des Zustands der Mietsache die volle Nutzungsentschädigung zu hoch ist, hat er es selbst in der Hand, sie - wie vertraglich geschuldet - herauszugeben und sich damit von der Zahlungsverpflichtung zu befreien.

     
    Quelle: Sonderausgabe 01 / 2017 | Seite 1 | ID 44525810