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  • · Fachbeitrag · Corona-Krise

    Infiziert in der Mietwohnung: Wer haftet?

    von RA Dr. Hans-Reinold Horst, Hannover/Solingen

    | Corona verunsichert ‒ in allen Lebensbereichen. Auch im Mietrecht kommen immer wieder neue Fragen hierzu auf. Der folgende Beitrag fußt auf einschlägigen Leserfragen und -anregungen. |

    1. Prophylaxe

    Auch wenn es lapidar klingt: Vermieter sollten durch entsprechende Informationstafeln und Aushänge an zentraler Stelle auf die Übertragungsmöglichkeiten und auf einen hygienischen und verhaltensgetragenen Ansteckungsschutz vor Corona hinweisen. Dies kann durch Texthinweise, auch in verschiedenen Sprachen, und durch Piktogramme geschehen. Diese Hinweise sollten sich an Mieter sowie an deren Angehörige, Besucher etc. richten.

    2. Eintritt des Ernstfalls: Corona im Haus

    Doch was passiert, wenn ein Mieter im Haus coronaverdächtig oder sogar positiv getestet worden ist, und vom Gesundheitsamt in die eigene Mietwohnung in Quarantäne „abgesondertH“ wird? Die Nachbarn im Haus haben gegen den Vermieter keine Ansprüche auf gesundheitliche Schutzvorkehrungen. Als Zivilperson muss und darf er auch nicht für eine „Isolationshaft“ des Mieters sorgen und ihn weder am Verlassen seiner Wohnung hindern, noch ist er gehalten, Desinfektionsprodukte (Handdesinfektionsmittel, Einweghandschuhe, Atemmasken) zur Verfügung zu stellen. Ob er dies im Sinne eines guten Gebäudemanagements trotzdem veranlasst, ist eine andere Frage.

     

    Dies ergibt sich aus dem Infektionsschutzgesetz ‒ IfSG (vom 20.7.00, BGBl. I, S. 1045 in der Fassung vom 10.2.20, BGBl. I, S. 148). Denn Quarantäne (§ 28 Abs. 1 S. 2 IfSG) und weitere gesundheitliche Schutzmaßnahmen ‒ auch mit persönlichen Einschränkungen ‒ darf nur das örtliche Gesundheitsamt (§ 2 Nr. 14, § 16 Abs. 6 S. 1 IfSG) als untere kommunale Ordnungsbehörde der Länder (Art. 83 GG) anordnen (in Bayern die Landratsämter).

     

    Zwar kommen den Vertragsparteien vertragliche Schutz-, Fürsorge- und Obhutspflichten zu (§ 241 Abs. 2 BGB), doch würde man dies überspannen, wenn man auch die Pflicht, Gefahren und Schäden durch eine unbeherrschbare höhere Gewalt (Pandemie) zu verhüten, mit einbinden würde. Dies folgt schon aus der Wertung von § 275 Abs. 2 BGB. Denn die Bewahrung vor einer Ansteckung mit Corona dürfte bei der jetzigen Verbreitung und hohen infektiösen Dynamik i. S. d. Vorschrift „unmöglich“ sein. Aber auch rechtlich stehen dem Vermieter etwaige Zwangsmittel nicht zur Seite. Kurz: Der Vermieter haftet nicht für das allgemeine Lebensrisiko seiner Mieter (OLG Köln GE 05, 362).

     

    Am Umfang des Zutrittsrechts des Vermieters zur Wohnung des Mieters ändert sich ebenso nichts. Nur die Behörden haben besondere Befugnisse, die Wohnung zu betreten (§ 16 Abs. 2 und 4 IfSG). Ausschließlich die örtlichen Gesundheitsbehörden und in Amtshilfe auch die Polizei dürfen von bekannt gewordenen infektiösen Gefahrenlagen unterrichtet werden, sowohl durch den Vermieter als auch durch etwaige Mieter-Nachbarn. Für den Vermieter lässt sich dieses Gebot mit dem Hinweis auf seine vertraglichen Nebenpflichten im Verhältnis zu diesen Nachbarn stützen (§ 241 Abs. 2 BGB).

    3. Wenn der Vermieter Hausverbote erteilt

    Davon abzugrenzen ist die Frage, ob der Vermieter erkennbar symptomatischen Personen den Zutritt zum Haus verwehren kann (Hausverbot). Das muss bejaht werden. Wenn auch der Vermieter kraft des Mietvertrags das Hausrecht (Besitzrecht) an der Wohnung selbst dem Mieter übertragen hat, bleibt ihm doch das Hausrecht für die übrigen Gemeinschaftsflächen. Der Vermieter kann z. B. in das Hausrecht des Mieters durch ein Hausverbot eingreifen, wenn ein Besucher durch sein Verhalten den Hausfrieden erheblich gestört hat (AG Wetzlar ZMR 08, 634). Das muss erst recht im Pandemiefall gelten.

    4. Wenn der Mieter Hausverbote erteilt

    Auch der Mieter darf erkennbar symptomatischen Personen, etwa Mitarbeitern des Vermieters, den Zutritt zur Wohnung verwehren. Er hat die freie Entscheidung im Rahmen seines Hausrechts (§ 862 BGB), wen er in die Wohnung einlässt und wen nicht. Entsprechendes gilt für Heizungsableseunternehmen und für sonstige vom Vermieter beauftragte Handwerker.

     

    Beachten Sie | Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob es um Maßnahmen der Instandhaltung oder der Instandsetzung geht oder um angekündigte modernisierende Baumaßnahmen. Ebenso muss ohne Belang bleiben, wie dringend die Maßnahmen zu erledigen sind. Denn keinem bislang gesunden Menschen, insbesondere keinem Angehörigen von Risikogruppen, ist es zumutbar, sich mit unabsehbaren Folgen anstecken zu lassen. Müssen durch sofortige Notreparaturmaßnahmen entstandene Schäden eingedämmt werden, kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Denn der Vermieter muss sich zur Vermeidung eines ihm anzulastenden Organisations- und Auswahlverschuldens vorab über den Gesundheitszustand der eingesetzten Handwerker informieren. Im Hinblick auf weitere Schäden wegen unterbleibender Notreparaturen ist ihm also ein Mitverschulden anzulasten (§ 254 Abs. 2 BGB).

    5. Kosten und Aufwendungsersatz, Schadenersatz

    Geht es um Kosten von angeordneten Desinfektionsmaßnahmen in der Wohnung oder im Haus, werden sie zunächst aus öffentlichen Mitteln bestritten (§ 69 IfSG). In besonders gelagerten Fällen kann geprüft werden, ob der Wohnungsinhaber oder auch der Hauseigentümer für die Kosten geradestehen muss. Einzelheiten dazu regeln das IfSG und die dort in Bezug genommenen weiteren öffentlich-rechtlichen Vorschriften.

     

    Werden Hausrat und Einrichtungsgegenstände in der Wohnung durch die Schutzmaßnahmen, z. B. Desinfektionsmittel, beschädigt oder zerstört, haftet die anordnende öffentliche Hand dafür und für sonstige dadurch entstehende Vermögensnachteile nicht. Denn es geht darum, Krankheitserreger zu eliminieren (§ 65 Abs. 1 S. 1 IfSG) und so eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen. Im Pandemiefall muss man bereits von einer „Allgemeingefahr“ i. S. d. öffentlichen Gefahrenabwehrrechts bzw. Polizei- und Ordnungsrechts ausgehen. Es ist anzunehmen, dass es hier abseits von den im Infektionsschutzgesetz geregelten Tatbeständen der Entschädigung um ein Sonderopfer aufgrund öffentlichen Eingriffs zur Gesundheitsprophylaxe oder zur Eindämmung der Pandemie gehen wird.

     

    Auch wenn er die Wohnung im vertragsgemäßen Zustand zum Wohnen geeignet halten muss, geht es bei dieser Betrachtung nicht um die Bausubstanz, sondern um den geschädigten Hausrat des Mieters oder um sonstige Einrichtungsgegenstände in dessen Eigentum. Damit hat der Vermieter aber nichts zu tun. Denn nicht eine etwa kontaminierte Bausubstanz schädigt den Hausrat, sondern die behördliche Maßnahme. Krankheitsbezogen ist von höherer Gewalt auszugehen, maßnahmenbezogen handelt es sich um die Folge eines hoheitlichen notwendigen Eingriffs.

    6. Mietminderung oder Kündigung

    § 569 Abs. 1 BGB gestattet eine fristlose Kündigung des Mieters wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung, die von den Mieträumen ausgeht. Folge: Der Mieter kann bei eingetretenen Infektionssituationen in der Wohnung selbst wegen vertragswidrigen Zustands der Mieträume deshalb i. d. R. fristlos kündigen (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB) ‒ erst recht, wenn behördliche Nutzungsverbote ausgesprochen werden (Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl., § 543 BGB Rn. 19). Das Kündigungsrecht des Mieters besteht unabhängig vom Verschulden des Vermieters (Blank, a. a. O., § 569 BGB Rn. 9). Bei der eingetretenen viralen Situation handelt es sich auch um einen schädlichen Umwelteinfluss, der in unserem angenommenen Beispiel auf die Räume einwirkt und sie zum weiteren Wohnen ungeeignet macht, solange sie nicht ausreichend desinfiziert sind.

     

    Außerdem kommt eine Mietminderung in Betracht ‒ z. B. „auf null“ bzw. um 100 Prozent bei erwiesenen infektiösen Zuständen in der Wohnung. Sie entspringt der ‒ verschuldensunabhängigen ‒ Garantiehaftung des Vermieters.

     

    Beachten Sie | Der Mieter selbst hat die Quarantänesituation und möglicherweise die Infektionslage herbeigeführt. Das dürfte jedoch i. d. R. nicht (nachweisbar) schuldhaft geschehen sein. Daher muss der Sstreit darüber, ob der Mieter auch kündigen kann, wenn er selbst die Gesundheitsgefahr schuldhaft herbeigeführt hat, hier nicht vertieft werden. Zudem dürfte die Frage während der Erkrankung des Mieters kaum praktisch werden, sondern allenfalls nach seiner Genesung. Verstirbt er, gelten §§ 563 ff. BGB. Handelt es sich dagegen nur um bestätigte Corona-Fälle im Haus oder um Quarantäneanordnungen in noch laufenden Testverfahren, ist ohnehin ein vertragswidriger Zustand der Mieträume nicht erwiesen. Kündigungs- oder Minderungsrechte scheiden dann aus.

    7. Versterben in der Mietwohnung

    Kommt es zum Äußersten und verstirbt ein kranker Mieter in der Wohnung, gibt es wegen dadurch aufgetretener Wohnungsschäden nach der Rechtsprechung keine Schadenersatzansprüche des Vermieters gegen die Erben (AG Bad Schwartau 5.1.01, 3 C 1214/99).

    Quelle: Ausgabe 07 / 2020 | Seite 130 | ID 46416782