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  • · Fachbeitrag · Ehewohnung

    Überlassung an den nicht mietenden Ehegatten während Trennungsphase kein Kündigungsgrund

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1.Ein Ehegatte, der nicht Partei des Mietvertrages ist, ist nicht Dritter i.S. des §§ 540, 553 BGB, solange es sich bei der von ihm bewohnten Wohnung um eine Ehewohnung handelt.
    • 2.Eine Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Ehewohnung nicht schon dadurch, dass der mietende Ehegatte die Wohnung dem anderen - auch für einen längeren Zeitraum - belassen hat bzw. diese nur noch sporadisch nutzt, sondern erst mit endgültiger Nutzungsüberlassung.

    (BGH 12.6.13, XII ZR 143/11, Abruf-Nr. 132131)

     

    Sachverhalt

    Nach Auszug des Beklagten A aus der mit der Beklagten B angemieteten Wohnung zog der Beklagte C dort ein. Die Vermieterin V lehnte es ab, den A durch den C als Mieter auszutauschen. B und C heirateten in 2001. 2006 zog die B aus der Wohnung aus und beantragte die Scheidung. Nachdem die V den A und die B in 3/2010 wegen unerlaubter Untervermietung abgemahnt hatte, teilte C mit, er sei mit B verheiratet und wolle den Mietvertrag übernehmen. V lehnte ab und kündigte das Mietverhältnis am 12.5.10 wegen unbefugter Gebrauchsüberlassung an einen Dritten. Im Scheidungstermin (27.5.10), in dem das Scheidungsurteil rechtskräftig wurde, vereinbarten B und C eine Alleinnutzung der Wohnung durch C und teilten dies der V mit. Diese sprach erneut die Kündigung aus. Ihre im Revisionsverfahren übereinstimmend erledigte Räumungsklage war in den Instanzen erfolglos. Vor dem BGH streiten V und B und C noch um die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

    Entscheidungsgründe

    Der BGH verneint eine Pflichtverletzung als Voraussetzung des Anspruchs der V aus § 280 BGB auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten. Grund: Eine vertragswidrige Überlassung der Wohnung an einen Dritten i.S. von §§ 540, 553 BGB, die hier allein in Betracht kommt, und damit ein Kündigungsgrund nach § 569, § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt nicht vor. Bis zur Rechtskraft der Scheidung und der Übermittlung der Vereinbarung über die weitere Wohnungsnutzung war C als Ehegatte berechtigt, die Wohnung zu nutzen. Daher war er nach § 986 Abs. 1 BGB der V gegenüber zum Besitz berechtigt. Für den sich daran anschließenden Zeitraum kann sich C gemäß § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB auf seine Rechtsstellung als Mieter berufen (§ 535 Abs. 1 BGB).

     

    Wer ist Dritter i.S. des § 540 BGB?

    Dritter i.S. des § 540 BGB ist grundsätzlich jede Person, die nicht Partei des Mietvertrags ist. Ausnahme: Die Familie des Mieters wegen ihrer engen, unter dem ausdrücklichen Schutz der Verfassung (Art. 6 GG) stehenden persönlichen Beziehungen (BGHZ 157, 1, 5). Kein Dritter ist namentlich der Ehegatte des Mieters. Das gilt grundsätzlich auch, wenn der Ehegatte, der allein Mietvertragspartei ist, anlässlich der Trennung der Ehegatten aus der Wohnung auszieht und sie dem anderen Ehegatten, der nicht Mietvertragspartei ist, (zunächst) allein überlässt. Maßgeblich ist insoweit allein die Frage, ob es sich nach wie vor um eine Ehewohnung handelt. Solange dies der Fall ist, ist der in der Wohnung verbliebene Ehegatte kein Dritter i.S. der §§ 540, 553 BGB.

     

    Wann ist eine Wohnung eine Ehewohnung?

    Die Qualifizierung als Ehewohnung hängt nicht davon ab, dass beide Ehegatten noch in der Wohnung leben bzw. der in der Wohnung verbliebene Ehegatte auch Mietvertragspartei ist. Das heißt: Die Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Ehewohnung nicht schon dadurch, dass der mietende Ehegatte die Wohnung dem anderen - auch für einen längeren Zeitraum - überlassen hat bzw. diese nur noch sporadisch nutzt (a.A. Schmidt-Futterer/Blank, MietR, 11. Aufl. § 540 BGB Rn. 26). Erst wenn der Ehegatte, der die Wohnung verlassen hat, diese endgültig aufgibt, verliert sie ihren Charakter als Ehewohnung. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die Überlassung an den anderen Ehegatten noch den aktuellen Erfordernissen in der Trennungssituation geschuldet ist oder ob ihr schon eine endgültige Nutzungsüberlassung zugrunde liegt.

     

    Eine andere Sichtweise würde die vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit der Wohnungszuweisung unterlaufen und zwar nach § 1361b BGB während des Getrenntlebens und nach § 1568a BGB für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung. Grund: Oftmals hat einer der Ehegatten vor einer gerichtlichen Zuweisung die Ehewohnung bereits verlassen. Wäre dieser zufällig der alleinige Mieter, könnte der Vermieter das Mietverhältnis wegen vertragswidriger Überlassung an einen Dritten noch vor einer Entscheidung über eine Zuweisung der Wohnung kündigen. Eine Wohnungszuweisung wäre dann nicht mehr möglich. Die B hat die Wohnung endgültig erst in 2010 aufgegeben und dem C zur Nutzung überlassen. Der BGH billigt die Auffassung des LG, dass die Weiternutzung der Wohnung durch den C, der nicht Mieter ist, in der Trennungsphase keine Verletzung der mietvertraglichen Pflichten darstellt.

     

    Eintritt in das Mietverhältnis gemäß § 1568a BGB

    Zwar hat die Wohnung mit der Vereinbarung von B und C vom 27.5.10 ihren Charakter als Ehewohnung verloren, weil sie nun endgültig dem C überlassen worden ist. Dies ist gleichwohl keine vertragswidrige Überlassung der Wohnung an einen Dritten. Grund: Mit der Mitteilung an die V, dass die Wohnung an C überlassen ist, ist dieser gemäß § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB anstelle der B in den Mietvertrag eingetreten. Das heißt: Mit dem Vertragseintritt des C fehlte es auch der erneuten Kündigung der V an einem Kündigungsgrund.

    Praxishinweis

    Überlässt der Mieter-Ehegatte während des Scheidungsverfahrens dem anderen Ehegatten die alleinige Nutzung der Wohnung, verliert diese dadurch im Regelfall nicht ihren Charakter als Ehewohnung und der Vermieter kann das Mietverhältnis mit dem ausgezogenen Mieter nicht wegen unerlaubter Gebrauchsüberlassung an einen Dritten gemäß § 569, § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB kündigen. Einigen sich die Ehegatten - wie hier - bei der Ehescheidung über die Überlassung der Ehewohnung an den in der Wohnung verbliebenen Ehegatten, kommt es mit Zugang der Mitteilung hierüber an den Vermieter nach § 1568a Abs. 3 BGB zu einem gesetzlichen Mieterwechsel. Der Vermieter wird bei einem Vertragseintritt des nicht mietenden Ehegatten durch das Sonderkündigungsrecht des § 1568a Abs. 3 S. 2 i.V. mit § 563 Abs. 4 BGB geschützt. Danach kann er das Mietverhältnis innerhalb eines Monats nach Kenntnis vom Mieterwechsel außerordentlich kündigen, wenn in der Person des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt. Zu § 563 Abs. 4 BGB hat der BGH entschieden, dass der wichtige Grund so beschaffen sein muss, dass er dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund von Umständen unzumutbar macht, die in der Person des Mieters liegen (MK 13, 113, Abruf-Nr. 131566).

     

    Die Frage, ob etwas anderes gilt, wenn der andere Ehegatte nicht allein, sondern mit einem Dritten die Wohnung angemietet hatte, lässt der BGH offen. Grund: Der A war durch konkludente Vereinbarung mit der Hausverwaltung und mit Zustimmung der B wirksam aus dem Mietverhältnis ausgeschieden.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 191 | ID 42341296