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  • · Fachbeitrag · Erhaltungspflicht des Vermieters

    Neues zur Gasetagenheizung

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Ist der Vermieter mit der Beseitigung eines Mietmangels in Verzug, kann der Mieter den Mangel selbst beseitigen und den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ob bei einer Ausstattung der Wohnung mit einer Gasetagenheizung die Beheizung mit einer solchen im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs vom Vermieter geschuldet wird oder nur (generell) die Beheizung und in welchen Grenzen dem Vermieter ein Leistungsbestimmungsrecht zusteht, hat der BGH nun entschieden. |

    Sachverhalt

    Die Kläger sind seit 2008 Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung der Beklagten. Die Wohnung wird über eine Gasetagenheizung beheizt und mit Warmwasser versorgt. Die meisten Wohnungen des Gebäudes, nicht aber die Wohnung der Beklagten, sind an eine Zentralheizung mit Warmwasserversorgung angeschlossen. Anfang 11/16 zeigten die Kläger der Beklagten einen nicht mehr zu reparierenden Defekt der Gastherme an, die zum Ausfall der Gasetagenheizung führte. Sie forderten die Beklagte auf, die Beheizbarkeit der Wohnung sowie die Warmwasserversorgung wiederherzustellen, und kündigten für den Fall des erfolglosen Fristablaufs Ersatzvornahme an.

     

    Die Beklagte bot den Klägern den Anschluss der Wohnung an die vorhandene zentrale Wärmeversorgungs- und Warmwasseranlage an. Dies lehnten die Kläger ab. Nach Ablauf der von ihnen gesetzten Frist ließen sie die defekte Gastherme austauschen. Mit der Klage nehmen sie die Beklagte auf Ersatz der ihnen dafür entstandenen Kosten von ca. 3.400 EUR nebst Zinsen in Anspruch.

     

    Während des Prozesses, nach Austausch der Gastherme, hat die Beklagte gegenüber den Klägern Modernisierungsmaßnahmen angekündigt (u. a. den Anschluss der Wohnung der Kläger an die zentrale Wärmeversorgungsanlage). Im Wege der Widerklage begehrt sie von den Klägern, den Anschluss der Wohnung an die zentrale Wärmeversorgungs- und Warmwasseranlage, den Einbau von neuen Heizkörpern in der Wohnung nebst dazugehörigen Rohren sowie den Abriss der Gasetagentherme nebst Anschlusstechnik zu dulden.

     

    Das AG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen, das LG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Ihre Revision blieb ohne Erfolg (BGH 19.7.22 und 8.11.22, VIII ZR 194/21, Abruf-Nr. 232953).

    Entscheidungsgründe

    Der BGH bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanzen. Der Aufwendungsersatzanspruch der Mieter aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB besteht, denn die Vermieterin befand sich im Zeitpunkt des von den Mietern beauftragten Austauschs der Gastherme mit der Mangelbeseitigung in Verzug.

     

    Ersatzvornahme durch Mieter

    Nach § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB kann der Mieter einen Mangel der Mietsache i. S. v. § 536 BGB selbst beseitigen (lassen) und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn der Vermieter mit der Beseitigung des Mangels im Verzug ist. Ein Mangel der Mietsache ist anzunehmen, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache von dem für den vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand für den Mieter nachteilig abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden können (BGH 24.11.21, VIII ZR 258/19; 29.4.20, VIII ZR 31/18).

     

    MERKE | Der BGH knüpft an seine Rechtsprechung zu konkludenten Beschaffenheitsvereinbarungen bei nach Abschluss des Mietvertrags eintretenden Lärm- und Schmutzimmissionen im Wohnumfeld an. Aus solchen Vereinbarungen leiten beide Mietvertragsparteien ‒ je nach Interessenlage ‒ auch in anderen Zusammenhängen gern für sie günstige Rechtsfolgen ab (BGH 27.4.22, VIII 304/21; 29.6.05, VIII ZR 182/04; 30.1.18, VIII ZB 74/16; 23.2.10, VIII ZR 199/09). In allen Fällen ist zu beachten: Auch bei konkludent getroffenen Vereinbarungen müssen zwei mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen festgestellt werden. Einseitige Vorstellungen einer Partei genügen nicht. Im Prozess bedarf es konkreten Vortrags.

     

    Zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneter Zustand

    Die Frage, die sich anschließt, wenn Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache ‒ wie oft ‒ fehlen, ist die nach dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand. Maßstab ist das, was nach § 535 Abs. 1 BGB geschuldet ist; heranzuziehen sind die gesamten Umstände des Mietverhältnisses und die daraus (ggf. in ergänzender Auslegung) abzuleitenden Standards, vor allem die beabsichtigte Nutzung und die Verkehrsanschauung unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB (BGH 24.11.21, VIII ZR 258/19).

     

    Beachten Sie | Der BGH tastet sich schrittweise an die Beantwortung der kniffligen Frage heran, was bei ‒ üblicherweise ‒ fehlender Vereinbarung über die Art der Beheizung Vertragsinhalt geworden bzw. zum vom Vermieter geschuldeten „Leistungsprogramm“ gehört. Hier war die Wohnung bei Vermietung mit einer Gasetagenheizung ausgestattet; damit umfasst der (geschuldete) vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache die Überlassung einer funktionsfähigen Gasetagenheizung und folglich auch deren Instandhaltung.

     

    MERKE | Die Vorinstanz hatte eine (konkludent) getroffene Beschaffenheitsvereinbarung über die Ausstattung der Mietwohnung mit einer Gasetagenheizung bejaht. Das sah der BGH anders: Das LG habe weder festgestellt, dass es den Mietern tatsächlich und für den Vermieter erkennbar auf eine Wohnung mit Gasetagenheizung ankam, noch, dass der Vermieter dieser Anforderung an die Wohnung (konkludent) zugestimmt hat. Dass der Mieter bei einer Gasetagenheizung alleinigen Einfluss auf Heizkosten, Temperatur und Heizzeitpunkt hat und dies den Ausschlag dafür geben kann, eine Wohnung mit Gasetagenheizung einer solchen mit Zentralheizung vorzuziehen, lasse nicht den sicheren Schluss zu, die Mietvertragsparteien hätten sich auf eine entsprechende Ausstattung der Wohnung verständigt.

     

    Im Ergebnis wirkt sich der unterschiedliche Begründungsansatz nicht aus. Der BGH leitet die Pflicht zur Ausstattung der Wohnung mit einer funktionsfähigen Gasetagenheizung aus den Gesamtumständen des Mietverhältnisses und dem daraus abzuleitenden Standard ab. Nach der allgemeinen Verkehrsanschauung könne der Mieter einer Wohnung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der der üblichen Ausstattung vergleichbarer Wohnungen entspricht. Dabei seien insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen. Jedenfalls dann, wenn die Wohnung über eine entsprechende Ausstattung verfüge, umfasse der vertragsgemäße Zustand diese Gegenstände.

     

    Hier war die Wohnung von Anfang an mit einer Gasetagenheizung ausgestattet, die der Wärme- und Warmwasserversorgung der Wohnung diente und damit Teil des von der Vermieterin zu gewährleistenden Wohnstandards war. Neben dieser vom Vermieter zur Verfügung gestellten Ausstattung berücksichtigt der BGH die ‒ im Prozess unstreitig gebliebenen ‒ Vorteile des Betriebs einer Gasetagenheizung für den Mieter gegenüber dem Anschluss an eine zentrale Wärme- und Warmwasserversorgungsanlage. Es sei davon auszugehen, dass den Mietern nicht nur (schlechthin) eine Versorgung der Wohnung mit Wärme und Warmwasser ermöglicht werden, sondern der vertragsgemäße Zustand die Beheizung durch eine Gasetagenheizung umfassen sollte. Dieser Zustand der Wohnung unterliege im Laufe des Mietverhältnisses selbst dann nicht der einseitigen Bestimmung durch den Vermieter, wenn eine Pflicht des Mieters zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen bestünde.

     

    Beachten Sie | Der BGH stellt klar, dass die Vornahme von Modernisierungsarbeiten nicht zu einer Änderung der nach dem Mietvertrag geschuldeten Sollbeschaffenheit der Mietsache führt. Vom Mieter zu duldende Modernisierungsmaßnahmen, die zu einer für den Mieter nachteiligen Veränderung des vertraglich geschuldeten Zustands der Mietsache führen, können deshalb Mängelrechte des Mieters auslösen (BGH 12.10.21, VIII ZR 51/20 ‒ zur Verkleinerung eines Fahrradkellers infolge von Modernisierungsmaßnahmen). Hier hatte die Vermieterin den Anschluss an die zentrale Heiz- und Warmwasserversorgung vor dem Heizungsausfall nicht als Modernisierungsmaßnahme begehrt, sondern erst in Reaktion auf die Fristsetzung der Mieter. Im Zeitpunkt der Mangelbeseitigung waren sie berechtigt, die Herstellung einer funktionstüchtigen Gasetagenheizung zu verlangen. Selbst bei unterstellter (vom LG verneinten) Wirksamkeit der während des Prozesses zugegangenen Modernisierungsankündigung wäre eine Duldungspflicht der Mieter nicht fällig gewesen.

     

    MERKE | Die Duldungspflicht nach § 555d BGB knüpft an eine ordnungsgemäße Modernisierungsankündigung i. S. d. § 555c BGB an. Unterlässt der Vermieter diese oder entspricht sie nicht den gesetzlichen Anforderungen, wird eine etwaige Duldungspflicht des Mieters nicht fällig (BT-Drucksache 17/10485, S. 21). Etwas anderes gilt auch nicht, wenn die ‒ vom Vermieter beabsichtigte ‒ Maßnahme als modernisierende Instandsetzung anzusehen wäre.

     

    PRAXISTIPP | Der Mieter ist zur Abgabe einer Duldungserklärung nicht vor Ablauf der Fristen verpflichtet, die ihm nach § 555d Abs. 3 S. 1 BGB zur Mitteilung von Härtegründen und nach § 555e Abs. 1 S. 2 BGB zur Erklärung einer (Sonder-)Kündigung eingeräumt werden. Sonst würden die gesetzlichen Anforderungen an einen fälligen Anspruch des Vermieters auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen und die daran anknüpfenden Folgen durch eine künstliche Aufspaltung der Maßnahme in eine Erhaltungs- und eine Modernisierungsmaßnahme umgangen. Dies zugrunde gelegt, wäre ein etwaiger Duldungsanspruch auch bei Annahme einer modernisierenden Instandsetzungsmaßnahme im Zeitpunkt des Austauschs der Gastherme nicht fällig gewesen.

     

    Die Vermieterin befand sich mit der Beseitigung dieses Mangels auch in Verzug. Dem stand nicht entgegen, dass sie den Mietern den Anschluss an die zentrale Warmwasserversorgungs- und Heizungsanlage angeboten hat. Ein solches Angebot entsprach hinsichtlich der Art der Mängelbeseitigung nicht der geschuldeten Leistung. Ein Schuldner erbringt zwar seine Leistung in einer den Schuldnerverzug ausschließenden Weise, wenn er das nach dem Schuldverhältnis seinerseits Erforderliche tut und dem Gläubiger die Leistung in Annahmeverzug begründender Weise anbietet (BGH 25.11.15, IV ZR 169/14). Ein solches Angebot lag hier nicht vor. Die Beklagte hat nicht die Wiederherstellung einer funktionsfähigen Gasetagenheizung angeboten. Sie durfte zwar entscheiden, wie sie den Mangel beseitigt, also die Funktionsfähigkeit der Gasetagenheizung wiederherstellt. Sie durfte zur Erfüllung der sie treffenden Instandsetzungspflicht jedoch nicht eine andere Art der Wärme- und Warmwasserversorgung ‒ Anschluss an die Zentralheizung ‒ anbieten.

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung bestätigt viele vom BGH bereits entwickelte Grundsätze. Oft ist es der Mieter, der sich die Anforderungen an eine konkludent getroffene Vereinbarung entgegenhalten lassen muss; hier ist es die Vermieterin. Für beide Vertragsparteien gilt: Die Herbeiführung einer Vereinbarung muss sauber vorgetragen und vom Gericht im Zweifel sorgfältig überprüft werden.

     

    Vorsicht ist geboten bei den Feststellungen zum Aufwendungsersatzanspruch der Mieter. Mieter sollten dies nicht dahin missverstehen, dass die vom BGH genannten Vorteile einer Gasetagenheizung gegenüber dem Anschluss an eine Zentral- bzw. Fernwärmeversorgung einer Modernisierungsankündigung nun stets erfolgreich entgegengehalten werden können. Maßstab ist § 555b BGB, nicht § 535 Abs. 1 S. 2, § 536 Abs. 1, § 555a BGB. Vermieter sind gut beraten, die Vertragslage und ihren Pflichtenkreis sorgfältig zu prüfen, um darauf aufbauend (rechtzeitig) geeignete rechtliche Schritte einzuleiten, wenn eine Änderung (bindender) vertraglicher Vereinbarungen herbeigeführt werden soll.

     

    Zwei weitere Dauerbrenner: Der BGH bestätigt, dass (in der Regel) nicht der Mieter die Art der Mangelbeseitigung bestimmt. Dies liegt in der Entscheidungsbefugnis des Vermieters. Allerdings, auch das ist häufig ein Streitpunkt: Der Vermieter muss die Leistung so anbieten, wie sie geschuldet ist. Es gilt ‒ die gern übersehene Vorschrift des ‒ § 294 BGB.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2023 | Seite 44 | ID 49052334