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  • · Fachbeitrag · Geschäftsraummiete

    Keine Räumungsverfügung bei unbefugter Gebrauchsüberlassung an Dritte

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    § 940a Abs. 2 ZPO ist auf Mietverhältnisse über Geschäftsräume nicht anzuwenden (KG 5.9.13, 8 W 64/13, Abruf-Nr. 133202).

     

    Sachverhalt

    Der Mieter hatte das im 1. OG eines Einkaufszentrums belegene Ladenlokal unbefugt einem Dritten überlassen. Der Antrag der Vermieterin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Räumung und Herausgabe war erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Zentrale Aussage der Entscheidung ist, dass sich der Anwendungsbereich des durch das Mietrechtsänderungsgesetz 2013 neu geschaffenen § 940a Abs. 2 ZPO auf die Räumung von Wohnraum beschränkt und sich eine entsprechende Anwendung der Norm auf die Geschäftsraummiete verbietet:

     

    • Gegen eine Erstreckung des § 940a Abs. 2 ZPO auch auf sonstige Mieträume spricht bereits der klare Wortlaut der Norm, der ausdrücklich von „Räumung von Wohnraum“ spricht. Auch die Gesetzessystematik spricht gegen die Anwendbarkeit der Norm auf sonstige Mieträume, da der Gesetzgeber die Vorschrift im Zuge des Mietrechtsänderungsgesetzes 2013 gerade in einer bestehenden Norm mit der amtlichen Überschrift “Räumung von Wohnraum“ angesiedelt hat.

     

    • Dass § 940a Abs. 2 ZPO ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse anzuwenden ist, ergibt sich darüber hinaus auch aus den Ausführungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 17/10485 vom 15.8.12, S. 1,2, 33 und 34).
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    • Dort wird unter A. “Problem und Ziel“ ausgeführt, dass das bestehende Recht den Erfordernissen eines modernen und effizienten Mietrechts nicht mehr uneingeschränkt gerecht werde und dass dies insbesondere Konstellationen betreffe, in denen sich einzelne Mieter planmäßig ihren vertraglichen Zahlungsverpflichtungen entziehen und insbesondere private Kleinanbieter auf dem Wohnungsmarkt im Einzelfall erheblich schädigten.
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    • Die Einführung des § 940 a Abs. 2 ZPO wird in der Begründung des Gesetzentwurfs unter B. “Besonderer Teil“ damit begründet, dass nach früher h.M. Familienangehörigen, nichtehelichen Lebensgefährten und Untermietern kein (Mit-)Besitz an Räumlichkeiten zugestanden worden sei, wenn diese Personen nicht selbst (Haupt-)Mietvertragspartei gewesen sind. Bei einem Räumungsrechtsstreit und der nachfolgenden Vollstreckung habe der Vermieter gewusst, gegen wen er seinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe gerichtlich geltend machen und die Räumungsvollstreckung betreiben musste, nämlich gegen seinen Mieter. Nach heutiger Rechtsprechung sei (Mit-)Besitzer der Wohnung nicht nur derjenige, der den Mietvertrag abgeschlossen hat, sondern jeder Dritte, der (Mit-)Besitz an der Wohnung oder Teilen davon begründet hat. Darunter falle z.B. auch der in der Mietwohnung lebende Ehegatte des Mieters, der selbst nicht Mietvertragspartei ist, ebenso der nichteheliche Lebensgefährte des Mieters, Untermieter oder sonstige nicht nur vorübergehend in die Wohnung aufgenommene Dritte, wie z.B. Angehörige des Mieters.

     

    Praxishinweis

    Der Versuch der Vermieterin, § 940a Abs. 2 ZPO auch auf die Räumung gewerblich vermieteter Räume zu transferieren, ist zu Recht gescheitert. Nachdem bereits das LG Köln (MietRB 13, 204) eine Einbeziehung der Geschäftsraummiete in den Anwendungsbereich der Vorschrift ablehnt, hat sich das KG Berlin dieser Auffassung mit zutreffender Argumentation angeschlossen.

     

    § 940a Abs. 2 ZPO ist eine auf Wohnraum zugeschnittene Spezialvorschrift. Der Anwendungsbereich ist auf dritte Personen beschränkt, die ohne Kenntnis des Vermieters Besitz an der „Wohnung“ begründet haben und die der Vermieter mangels Kenntnis nicht im Hauptsacheverfahren mitverklagen konnte (BT-Drucksache 17/11894, S. 34). Der Gesetzgeber wollte auf von ihm als abänderungsbedürftig erkannte Missstände allein bei der Wohnraummiete reagieren. Dieser Spezialcharakter der Norm schließt eine Erstreckung ihres Anwendungsbereichs auf andere Mietverhältnisse aus. Vor der abschließenden Beratung des Mietrechtsänderungsgesetzes 2013 im Deutschen Bundestag ist im Schrifttum (Dötsch, ZMR 12, 83; Hinz, ZMR 12, 163; Streyl, NZM 12, 256) darauf hingewiesen worden, dass es an einer dem § 940a Abs. 2 ZPO entsprechenden gesetzlichen Regelung für die gewerbliche Miete fehlt. Der Gesetzgeber hat hierauf nicht reagiert, sondern es bei der bisherigen Konzeption der Norm belassen. Das heißt: Eine planwidrige Regelungslücke, Voraussetzung jeder Analogie, liegt nicht vor. Dies schließt ihre entsprechende Anwendung auf die Geschäftsraummiete aus (a.A. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 11. Aufl., § 940a ZPO, Rn. 57).

     

    Unter engen Voraussetzungen kann zwar mit der Leistungsverfügung gemäß § 940 ZPO die Wiedereinräumung des durch verbotene Eigenmacht entzogenen Besitzes verlangt werden. Regelmäßig wird ein Verfügungsanspruch jedoch schon daran scheitern, dass verbotene Eigenmacht (§§ 858, 861 BGB) nicht gegen den Vermieter als nur mittelbaren Besitzer verübt werden kann (OLG Düsseldorf MK 09, 81, Abruf-Nr. 091234). Einem Anspruch gemäß §§ 869, 868 BGB steht entgegen, dass dem Dritten der Besitz an der Mietsache von dem Mieter als (bisherigem) unmittelbarem Besitzer der Mietsache überlassen worden ist.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Eingehend zum neuen § 940a ZPO Wetekamp, Sonderausgabe „Mietrechtsreform 2013“, 29
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 194 | ID 42341239