· Fachbeitrag · Indexmiete
Vereinbarung und Geltendmachung der Mietänderung
von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin
| Mit den Regelungen zur Indexmiete ‒ eingeführt durch das vierte MietRÄndG vom 21.7.93 ‒ wollte der Gesetzgeber den Mietvertragsparteien, zusätzlich zu der 1982 eingeführten Staffelmiete, eine Alternative zu den für beide Seiten schwer handhabbaren Mieterhöhungsvorschriften im Vergleichsmietenverfahren anbieten. Die Erwartungen des Gesetzgebers hatten sich schon bei der Staffelmiete nicht erfüllt. Die Indexmiete war dann auch nicht „der große Wurf“. Ihr haftet ‒ zumindest im Bereich der Wohnraummiete ‒ der Ruf an, dass die zugrunde liegende (formularvertragliche) Vereinbarung „im Zweifel“ unwirksam ist. In einer Entscheidung aus dem vergangenen Jahr hat der BGH einige grundsätzliche Fragen aufgearbeitet. |
Sachverhalt
Der Beklagte ist seit dem 1.5.07 Mieter einer Wohnung des Klägers. Die monatliche Nettokaltmiete beträgt seit Mietbeginn 900 EUR. Der Formularmietvertrag enthält als Anlage die „Vereinbarung einer Indexmiete gemäß § 557b BGB“ mit (auszugsweise) folgendem Inhalt: „Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex um mindestens 3 Prozent, kann jeder Vertragspartner durch schriftliche Erklärung und unter Angabe der eingetretenen Indexänderung eine Anpassung der Miete um den entsprechenden Prozentsatz verlangen, sofern der Mietzins jeweils mindestens 1 Jahr unverändert bestand (…)“.
Gestützt auf diese Vereinbarung machte der Kläger mit Schreiben vom 19.12.17 (erstmals) eine Erhöhung der Miete um 120 EUR/Monat auf 1.020 EUR ab dem 1.3.18 geltend. Zur Begründung führte er aus, dass der Verbraucherpreisindex zu Beginn des Mietverhältnisses am 1.5.07 bei 95,8 Punkten und zum 30.11.17 bei 109,4 Punkten gelegen habe, was „einer prozentualen Erhöhung von 13,5 Prozent“ (121,50 EUR) entspreche. Diesem Schreiben war der Verbraucherpreisindex des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg beigefügt.
Da der Beklagte die (bisherige) Nettokaltmiete von 900 EUR weiter entrichtete, erhob der Kläger Klage auf Zahlung eines rückständigen Betrags von 1.200 EUR sowie auf (künftige) Zahlung einer um 120 EUR erhöhten Miete ab Januar 2019. Mit der Widerklage hat der Beklagte die Feststellung begehrt, der Kläger sei nicht berechtigt, von ihm eine höhere Miete aufgrund einer Mietanpassung nach der ‒ aus seiner Sicht unwirksamen ‒ Indexklausel des Mietvertrags zu verlangen. Das AG hat der Klage weitgehend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen, das LG die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg (BGH 26.5.21, VIII ZR 42/20, Abruf-Nr. 223308).
Entscheidungsgründe
Der BGH folgt den Vorinstanzen: Die Parteien haben wirksam eine Indexmiete nach § 557b Abs. 1 BGB vereinbart. Nach dieser Vorschrift können die Vertragsparteien schriftlich vereinbaren, dass die Miete durch den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland ‒ seit Januar 2003: „Verbraucherpreisindex für Deutschland“ (VPI) ‒ bestimmt wird (Indexmiete). Der VPI wird monatlich im Internet (www.destatis.de) sowie regelmäßig in den Zeitschriften NJW und WuM veröffentlicht. Die Änderung des Preisindexes lässt sich in Punkten (z. B. von 150 auf 165 um 15 Punkte) sowie in Prozentsätzen darstellen. Für die Indexmiete ist aber nur die prozentuale Änderung maßgeblich.
Die Veränderung des Preisindexes muss der Veränderung der Miethöhe unmittelbar entsprechen. Überproportional wirkende Indexklauseln sind unzulässig. Die prozentuale Änderung des Preisindexes stellt die Obergrenze für die Mietänderung dar. Umgekehrt kann zur Vermeidung von Bagatellmieterhöhungen ‒ wie im BGH-Fall ‒ vereinbart werden, dass nicht jede Veränderung des Preisindexes ein Recht zur Erhöhung der Miete begründen soll.
Eine Indexmietvereinbarung kann individual- oder formularvertraglich getroffen werden. Ob es sich bei der formularvertraglichen Vereinbarung einer Indexmiete um eine der Inhaltskontrolle entzogene Preis(haupt)vereinbarung nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB handelt (vgl. BeckOGK-BGB/Siegmund, Stand: 1.4.22, § 557b Rn. 54; BGH 15.2.12, VIII ZR 197/11 [zur Staffelmiete]) oder eine Preisnebenabrede (so Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., § 557b BGB Rn. 20a) hat der BGH für die Indexmiete bislang nicht entschieden.
PRAXISTIPP | Der Verbraucherpreisindex misst die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte für Konsumzwecke erwerben. Er wird turnusgemäß überarbeitet. Er wurde 2019 auf ein neues Basisjahr (von 2010 auf 2015) umgestellt. Diese Umstellung wird i. d. R. alle fünf Jahre vorgenommen. Dies trägt dem Wandel in den Verbrauchs- und Einkaufsgewohnheiten und neuen Entwicklungen Rechnung. Mit der Umstellung erfolgen meist eine Überarbeitung der Wägungsschemata und methodische Änderungen. Die umgestellten Lebenshaltungskostenindizes spiegeln damit nicht nur reine Preissteigerungen, sondern auch die geänderten Verbrauchsgewohnheiten wider. Da der auf dem neuen Basisjahr beruhende Verbraucherpreisindex anders zusammengesetzt ist als der vorherige, ist ein unmittelbarer Vergleich der Indizes, die auf unterschiedlichen Basisjahren beruhen, nicht möglich. |
Vor diesem Hintergrund prüft der BGH die Frage, ob die Formularklausel im Streitfall wegen der fehlenden Angabe eines Basisjahrs des Verbraucherpreisindexes intransparent ist, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Möglichkeit der Unwirksamkeit einer Klausel wegen Nichteinhaltung des Transparenzgebotes gilt nach § 307 Abs. 3 S. 2 BGB auch für das Hauptleistungsversprechen.
Beachten Sie | Der Vereinbarung eines Basisjahres zur Berechnung der Mietänderung bedarf es, so der BGH, jedoch nicht bei einer Indexmietvereinbarung, bei der ‒ wie hier ‒ die Mietentwicklung an die prozentuale Änderung des Verbraucherpreisindexes geknüpft ist. Eine solche Festlegung verlangt der Wortlaut des § 557b Abs. 1 BGB nicht. Es reicht vielmehr, dass die Miete durch den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland bestimmt wird.
Haben sich die Parteien am Wortlaut des Gesetzes orientiert, reicht das aus, ohne dass es weiterer Erläuterungen bedarf. Zudem wäre bei einer vereinbarten Prozentklausel die Festlegung eines Basisjahrs im Mietvertrag für die (spätere) Berechnung der Mietänderung unerheblich. Anders verhält es sich bei einer sogenannten Punkteklausel, bei welcher maßgebend ist, ob die Indexentwicklung einen bestimmten Punktwert erreicht. Die Vereinbarung der Parteien geht hier dahin, mit der Prozentklausel nicht den Verbraucherpreisindex nach einem fixen Basisjahr in Bezug zu nehmen, sondern ‒ ungeachtet einer Festlegung im Mietvertrag ‒ den Index nach dem jeweils gültigen Basisjahr.
Beachten Sie | Ein in der Vereinbarung einer Indexmiete genanntes Basisjahr wäre für die Berechnung der Mietänderung auch unerheblich, wenn der Verbraucherpreisindex für Deutschland im Zeitpunkt der Mietänderungserklärung bereits auf ein neues Basisjahr umgestellt wurde. Das folgt daraus, dass Verbraucherpreisindizes unterschiedlicher Basisjahre nicht miteinander vergleichbar sind. Mit der Veröffentlichung der Indexreihen für ein neues Basisjahr haben allein diese Gültigkeit, während die früheren Veröffentlichungen auf einem statistisch überholten Berechnungsschema beruhen und daher nicht länger herangezogen werden können.
MERKE | Aufgrund der Bezugnahme der Mietvertragsparteien auf den jeweils aktuellen Verbraucherpreisindex ist für den Mieter auch ohne ausdrückliche Angabe des Basisjahrs erkennbar, wie die Mieterhöhung im Einzelfall zu berechnen ist. Eine Intransparenz der Klausel ergab sich hier auch nicht daraus, dass der Anknüpfungspunkt für den Beginn der Wartefrist nicht angegeben war. Nach § 557b Abs. 2 S. 1 BGB muss die Miete während der Geltung der Indexmiete, von Erhöhungen nach §§ 559 bis 560 BGB abgesehen, jeweils mindestens ein Jahr unverändert sein. |
Auch hier vermag der BGH dem Wortlaut der Regelung keine entsprechende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Indexmietvereinbarung zu entnehmen. Die Frage der Einhaltung der Wartefrist wird erst mit der konkreten Erhöhungserklärung relevant. Ihre Einhaltung ist daher Voraussetzung für die Wirksamkeit der konkreten Erhöhungserklärung, nicht aber für die eigentliche Vereinbarung einer Indexmiete.
Der Wirksamkeit der Indexmietklausel steht auch nicht entgegen, dass sie nicht ausdrücklich angibt, ob sich die Bruttomiete oder die Nettokaltmiete (prozentual zum Verbraucherpreisindex) ändert. Haben die Parteien keine Vereinbarung darüber getroffen, welcher Mietwert Bezugspunkt der Indexveränderung sein soll, ist im Wege der Auslegung aus der maßgebenden Sicht des verständigen Mieters auf die Mietstruktur abzustellen. Damit wird bei einer ‒ wie hier ‒ vereinbarten Nettokaltmiete mit abzurechnenden Betriebskostenvorauszahlungen lediglich die Nettokaltmiete von der Indexierung erfasst.
Beachten Sie | Die Betriebskostenvorauszahlungen nehmen nicht an der Änderung nach dem Index teil. Ihre Höhe richtet sich in Teilen nach dem individuellen Verbrauch des Mieters und nicht nach der Entwicklung allgemeiner Lebenshaltungskosten. Die Parteien haben auch bei Vereinbarung einer Indexmiete nach dem weiter anwendbaren § 560 BGB zudem die Möglichkeit, die ‒ abrechenbaren ‒ Betriebskostenvorschüsse unabhängig von der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes anzupassen (§ 557b Abs. 2 S. 1 BGB).
Die Klausel war schließlich auch nicht intransparent, weil in ihr nicht angegeben ist, ob sich die Anpassung der (Nettokalt-)Miete nach dem Jahres- oder dem Monatsverbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts richtet. Nach der ‒ nach Einschätzung des BGH eindeutigen ‒ Auslegung ist der Monatsverbraucherpreisindex maßgebend. Der BGH schließt dies aus dem Umstand, dass die Miete, die sich entsprechend dem Verbraucherpreisindex ändert, (auch) nach der mietvertraglichen Vereinbarung monatlich zu entrichten ist. Damit korrespondierend führt die Änderungserklärung dazu, dass die geänderte Miete mit Beginn des übernächsten Monats nach Zugang der Erklärung zu zahlen ist (§ 557b Abs. 3 S. 3 BGB). Bei einer unterjährigen Erhöhung bildet der Monatsverbraucherpreisindex, nicht der durchschnittliche Jahresverbraucherpreisindex, den im Zeitpunkt der Erhöhung tatsächlich geltenden Wert ab.
Relevanz für die Praxis
Hält man sich an die Entscheidung des BGH, sollte eine wirksame Indexmietvereinbarung eigentlich kein „Zauberwerk“ sein. Ob man sich (aus der Perspektive des Mieters) darauf einlässt oder (Perspektive des Vermieters) eine solche zur Voraussetzung für einen Vertragsschluss macht, muss gut überlegt werden. Mit der Koppelung an den Preisindex für die allgemeinen Lebenshaltungskosten ist die Indexmiete eine Art „Wette“ auf künftige Inflationsraten. Nachdem diese aktuell auf den höchsten Stand seit 40 Jahren geklettert ist, könnte das Interesse auf Vermieterseite wachsen.
MERKE | Auch wenn die allgemeine Preisentwicklung moderat verläuft, sichert die Indexmiete dem Vermieter i. d. R. den Vorteil einer dynamischen Mietentwicklung, ohne das (komplizierte) Mieterhöhungsverfahren nach §§ 558 ff. BGB, zudem in kürzeren Erhöhungsintervallen als im Vergleichsmietenverfahren. Dennoch stehen dem einige Nachteile gegenüber: Modernisierungsmieterhöhungen sind weitgehend ausgeschlossen; Mieterhöhungen nach §§ 558 ff. BGB sind ausgeschlossen; Preisindex und Mieten können sich ‒ wie in der Vergangenheit insbesondere auf angespannten Wohnungsmärkten ‒ unterschiedlich entwickeln; im Gegensatz zur Staffelmiete bedarf es einer Erklärung. |