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  • · Fachbeitrag · Instandsetzung

    Kein Primat der Duldungsklage: Verweigert der Mieter notwendige Arbeiten, droht Kündigung

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1. Eine Kündigung des Vermieters wegen der Verletzung der Pflicht des Mieters, Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten zu dulden, kommt nicht erst dann in Betracht, wenn der Vermieter gegen den Mieter vor Ausspruch der Kündigung einen (rechtskräftig) titulierten Duldungstitel erstritten hat.
    • 2. Dem Vermieter kann die Fortsetzung des Mietverhältnisses vielmehr auch schon vor Erhebung einer Duldungsklage und Erwirkung eines Titels unzumutbar sein mit der Folge, dass eine fristlose Kündigung das Mietverhältnis beendet; gleichermaßen kann die verweigerte Duldung eine derart schwere Vertragsverletzung sein, dass (auch) eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt ist.
    • 3. Ob das Mietverhältnis nach verweigerter Duldung durch den Mieter aufgrund der ausgesprochenen Kündigung sein Ende gefunden hat, hat der Tatrichter allein auf der Grundlage der in § 543 Abs. 1 BGB beziehungsweise in § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB genannten Voraussetzungen unter Abwägung aller im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände zu prüfen.
     

    Sachverhalt

    Dachstuhl und Balken der Wohnungsdecke waren mit Hausschwamm befallen. Die Mieter zogen vorübergehend in ein Hotel, um der Vermieterin Notmaßnahmen zu ermöglichen. Als diese weitere Arbeiten zur Schwammbeseitigung ankündigte und erneut die Wohnung betreten wollte, verlangten die Mieter unter anderem, dass ihnen vorab die entstandenen Hotelkosten erstattet werden. Ferner sollten Maßnahmen zum Schutz von Möbeln ergriffen und zugesagt werden, dass der vorherige Zustand der Wohnung wiederhergestellt wird. In der Folge forderte die Vermieterin wiederholt vergeblich, die Wohnung zu betreten. Deshalb kündigte sie das Mietverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich mit gesetzlicher Frist. Sie erwirkte zudem eine einstweilige Verfügung, dass die Mieter den Zutritt für weitere Instandsetzungsarbeiten dulden müssen. Hiergegen legten diese Widerspruch ein. Erst nachdem das AG die einstweilige Verfügung durch Urteil bestätigte, durfte die Vermieterin die Wohnung betreten. Vier Wochen später wiederholte sie ihre außerordentliche fristlose Kündigung und stützte diese zusätzlich darauf, dass die Mieter den erforderlichen Zugang zu einem zur Wohnung gehörenden Kellerraum verweigert hätten. Die Räumungsklage scheitert in den Instanzen. Die Revision hat Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Eine fristlose Kündigung kann nicht erst dann auf eine Verletzung von Duldungspflichten des Mieters gestützt werden, wenn der Mieter einen rechtskräftigen Duldungstitel missachtet oder sein Verhalten „querulatorische Neigungen“ zeigt. Dem Vermieter kann die Fortsetzung des Mietverhältnisses vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen auch schon vor Erhebung einer Duldungsklage und Erwirkung eines Titels unzumutbar sein. Dies ist der Fall, wenn der Mieter seine Pflicht gemäß § 554 BGB a.F. (jetzt §§ 555a bis 555d BGB) verletzt, die Instandsetzung oder Modernisierung der Mietsache zu dulden (Nachweise Urteil Rn. 20). Auch eine die ordentliche Kündigung rechtfertigende erhebliche Vertragsverletzung setzt bei einem Verstoß gegen Duldungspflichten nicht generell voraus, dass sich der Vermieter zuvor einen rechtskräftigen Duldungstitel verschafft hat.

     

    Der vom Berufungsgericht angelegte, verfehlte Maßstab läuft darauf hinaus, dass dem Mieter die Möglichkeit gegeben wird, Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen für einen unabsehbaren Zeitraum (nämlich bis zur rechtskräftigen Titulierung einer Duldungsklage) hinauszuzögern. Wobei er sie eigentlich rechtlich dulden muss und der Vermieter ein berechtigtes Interesse hat, dass sie umgehend ausgeführt werden. Dies alles zudem ohne die Konsequenzen tragen zu müssen, die mit einer derartigen im Einzelfall auch sehr gravierenden Vertragsverletzung grundsätzlich verbunden sein können. Dies widerspricht dem Anliegen des Gesetzgebers. Er hat dem Mieter bei Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht nur im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen des Vermieters, sondern auch mit Blick auf das wohnungspolitische Ziel der Verbesserung der allgemeinen Wohnbedingungen umfangreiche Duldungspflichten auferlegt (Nachweise Urteil Rn. 23).

     

    Soll - wie im Streitfall - eine Pflichtverletzung des Schuldners beurteilt werden, gelten die (strengen) Maßstäbe, die der BGH an einen unverschuldeten Rechtsirrtum stellt. Das heißt: Der Schuldner darf das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage nicht dem Gläubiger zuschieben. Entscheidet er sich bei zweifelhafter Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung nicht zu erbringen, geht er - von besonderen Sachlagen abgesehen - das Risiko ein, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist. Er handelt zumindest fahrlässig. Deshalb hat er seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er - wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt wird - zur Leistung verpflichtet war (BGH MK 14, 166, Abruf-Nr. 141781).

     

    Praxishinweis

    Der BGH räumt mit einer in der Instanzrechtsprechung (z.B. LG Saarbrücken ZMR 08, 974; AG München ZMR 12, 365) verbreiteten Auffassung auf, die dem Vermieter in diesen Fällen eine Kündigung stets versagt und ihn stattdessen auf die Duldungsklage verweist. Das heißt: Mieter müssen es sich künftig sorgfältig überlegen, ob sie es bei angekündigten Instandsetzungs- und/oder Modernisierungsmaßnahmen auf eine Duldungsklage ankommen lassen wollen.

     

    Mit seiner abgewogenen Lösung nimmt der BGH dem Mieter den Anreiz, sich den aus seiner Sicht möglicherweise nicht gewünschten, nach der Rechtslage aber gerechtfertigten und von ihm deshalb zu duldenden baulichen Maßnahmen zumindest zeitweise sanktionslos zu widersetzen. Es genügt nicht (mehr), dass sich der Mieter gegenüber dem berechtigten Duldungsanspruch des Vermieters auf aus seiner Sicht „plausible“ Einwendungen beruft. Allein entscheidend ist, ob diese materiell-rechtlich ein Zurückbehaltungsrecht begründen. Der BGH weist das Risiko einer Fehleinschätzung dem Mieter zu. Das heißt: Anders als ein Gläubiger, der grundsätzlich nicht schon dann fahrlässig handelt, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung unberechtigt ist (BGH NJW 14, 2717), kann den Mieter nur ein unverschuldeter Rechtsirrtum entlasten. Die rechtlichen Hürden hierfür sind bekanntlich hoch.

     

    Beachten Sie | Fehlen belastbare Argumente für ein Zurückbehaltungsrecht, setzt sich der Mieter wegen Verletzung vertraglicher Duldungspflichten nicht nur einer fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 1 S. 1 BGB, sondern auch einer ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB aus.

     

    Das Berufungsgericht hat die für eine Abwägung erforderlichen Umstände nur bruchstückhaft ermittelt. Weder ist festgestellt,

    • um welche Arbeiten es im Einzelnen ging,

     

    • wie umfangreich und dringend sie waren,

     

    • welche Beeinträchtigungen sich hieraus für die Beklagten ergaben,

     

    • welche Bedeutung die alsbaldige Durchführung der Arbeiten aus wirtschaftlicher Sicht für die Klägerin hatte und

     

    • welche Schäden und Unannehmlichkeiten der Klägerin dadurch entstanden sind, dass die Beklagten ihr den Zutritt erst rund ein halbes Jahr später unter dem Eindruck des Urteils des AG gewährt haben.

     

    • Ungeklärt ist ferner, ob die Beklagten annehmen durften, dass die Klägerin ihrer Wiederherstellungspflicht nicht nachkommen würde, bzw. sie selbst Vertragsverstöße begangen hat, die bei der Würdigung der Erheblichkeit der Verstöße der Beklagten von Bedeutung sein könnten.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2015 | Seite 209 | ID 43689553