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  • · Fachbeitrag · Kfz-Mietvertrag

    Haftungsvorbehalt bei grober Fahrlässigkeit in AGB eines Kfz-Vermieters unwirksam

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1. Ist der in den AGB eines gewerblichen Kfz-Vermieters vorgesehene Haftungsvorbehalt für Fälle grober Fahrlässigkeit wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, findet die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG entsprechende Anwendung.
    • 2. Zu den Voraussetzungen für die Annahme grober Fahrlässigkeit bei einem selbstverschuldeten Unfall mit einem angemieteten Kraftfahrzeug.
     

    Sachverhalt

    Der gewerbliche Kfz-Mietvertrag sieht eine Haftungsfreistellung für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 350 EUR pro Schadensfall vor. In den Allgemeinen Mietbedingungen der Klägerin heißt es: „Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgelts auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben.“ Sämtliche Rechte und Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung gelten laut Vertrag zugunsten und zulasten des berechtigten Fahrers. Der Beklagte verursachte mit dem Mietwagen der Klägerin einen Verkehrsunfall, weil er bei Rot in eine Kreuzung fuhr und dort mit einem anderen Kraftfahrzeug kollidierte. Das OLG hat der Zahlungsklage (Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten und Kostenpauschale mit einer Quote von 75 Prozent) mit einer Haftungsquote von 50 Prozent stattgegeben. Der BGH hebt das Urteil auf und verweist den Rechtsstreit an das OLG zurück.

    Entscheidungsgründe

    Der in den Allgemeinen Mietbedingungen der Klägerin vorgesehene Haftungsvorbehalt für Fälle grober Fahrlässigkeit ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Grund: Diese Klausel weicht von wesentlichen Grundgedanken der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelung über die Fahrzeugvollversicherung ab. Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrags gegen Entgelt eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung, darf dieser nämlich darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeuges und als Versicherungsnehmer in der Fahrzeugvollversicherung genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner AGB die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (BGHZ 181, 179). In der Fahrzeugvollversicherung ist - wie auch sonst im Versicherungsvertragsrecht - eine Vertragsbestimmung in AGB, wonach der Versicherungsnehmer voll haftet, wenn er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, regelmäßig gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (BGHZ 191, 150). Dies gilt hinsichtlich der Haftung des grob fahrlässig handelnden berechtigten Fahrers, der nicht Mieter ist, gleichermaßen jedenfalls dann, wenn dessen Haftungsfreistellung - wie hier - in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen ausdrücklich vorgesehen ist.

     

    Rechtsfolge der Unwirksamkeit

    An die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG. Das gilt entsprechend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung, die sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat (BGH NJW 09, 3229; VersR 12, 1573).

     

    Im Fall einer ungültigen Allgemeinen Versicherungsbedingung über die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls käme nach § 306 Abs. 2 BGB die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG zur Anwendung. Da der Umfang der mietvertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung auszurichten ist, findet auch hier die Regelung des § 81 Abs. 2 VVG entsprechende Anwendung. Mit dieser Norm steht für die Frage des Maßes der Haftung eine Vorschrift des dispositiven Rechts zur Verfügung, die geeignet ist, die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstehende Lücke zu schließen. Im Fall einer mietvertraglichen Haftungsfreistellung ist der Vermieter, der eine unwirksame Klausel verwendet, dem Versicherer gleichzustellen.

     

    Haftungsmaßstab

    So wie der Versicherer gemäß § 81 Abs. 2 VVG berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, wenn dieser den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, richtet sich auch das Maß der Haftung des Mieters und des berechtigten Fahrers eines von einem gewerblichen Vermieter angemieteten Kraftfahrzeugs im Falle grob fahrlässiger Schadensverursachung nach der Schwere des Fahrlässigkeitsvorwurfs. Eine vollständige Haftungsfreistellung erfolgt in Anlehnung an die in § 81 Abs. 2 VVG getroffene Regelung grundsätzlich nicht. Zwar bewegt sich dort der Rahmen der zulässigen Kürzung in einem Bereich von 0 bis 100 Prozent, doch kommt eine Kürzungsquote von weniger als 10 Prozent praktisch nicht in Betracht (MüKo/Looschelders, VVG, § 81, Rn. 125).

     

    Grobe Fahrlässigkeit bei Rotlichtverstoß

    Das Nichtbeachten des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage ist wegen der damit verbundenen erheblichen Gefahren in aller Regel als objektiv grob fahrlässig anzusehen. Nach den jeweiligen Umständen kann es jedoch schon an den objektiven oder an den subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit fehlen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Lichtzeichenanlage nur schwer zu erkennen oder verdeckt ist. Das vom OLG zugrunde gelegte Foto zeigt lediglich die Rückseite einer Lichtzeichenanlage. Das heißt: Dem Foto lässt sich nicht entnehmen, ob die für den Beklagten maßgebliche Ampel für diesen tatsächlich gut zu erkennen war. Hinzu kommt, dass der Beklagte vorgetragen hat, die Signale der Lichtzeichenanlage seien - wohl wegen der tief stehenden Sonne - nicht sehr auffällig gewesen. Mit diesem Sachvortrag hat sich das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht befasst.

    Praxishinweis

    Der BGH hält daran fest, dass ein in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen für den Fall grober Fahrlässigkeit vorgesehener undifferenzierter Haftungsvorbehalt nach § 307 BGB unwirksam ist, wenn in einem gewerblichen Kfz-Mietvertrag - wie hier - eine Haftungsbefreiung oder eine Haftungsreduzierung nach Art der Vollkaskoversicherung vereinbart ist (BGHZ 191, 150). Grund: Ein völliger Leistungsausschluss ohne jede Möglichkeit der Quotierung verstößt gegen§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da die Abschaffung des „Alles- oder Nichts-Prinzips“ in § 81 Abs. 2 VVG zum gesetzlichen Leitbild zählt.

     

    Die Haftungsquote bei grober Fahrlässigkeit ist abhängig vom Einzelfall. Ob die vom OLG ausgeurteilte Haftungsquote von 50 Prozent Bestand hat, richtet sich danach, ob die tatsächlichen Verhältnisse am Unfalltag (verdeckte Ampel, tief stehende Sonne) den Rotlichtverstoß in einem milderen Licht erscheinen lassen.

     

    Beachten Sie | Die Ausrichtung der mietvertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung rechtfertigt auch dann keine vollständige Haftungsfreistellung des Mieters, wenn - wie es das LG München (ZMR 13, 44) annimmt - auf dem Versicherungsmarkt zwischenzeitlich Kaskobedingungen üblich und gängig sind, bei denen auf den Einwand grober Fahrlässigkeit - ausgenommen Alkohol- und Drogenfahrten oder Diebstahl - verzichtet wird. Grund: Der Inhalt des Vertrags richtet sich im Fall einer unwirksamen Klausel gemäß § 306 Abs. 2 BGB vorrangig nach den gesetzlichen Vorschriften und nicht nach den Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung.

     

    Nur wenn eine geeignete Regelung nicht zur Verfügung steht und ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel keine sachgerechte Lösung darstellt, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden werden kann (BGH, VersR 05, 1565). Dafür ist vorliegend kein Raum, denn § 81 Abs. 2 VVG stellt auch für die mietvertragliche Haftungsfreistellung den vom Gesetzgeber bezweckten angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien her (BGHZ 191, 150).

     

    Merke | Der BGH stellt klar, dass den gewerblichen Kfz-Vermieter keine Hinweispflicht auf marktübliche Mietbedingungen trifft. Das heißt: Ein Vermieter, der nicht darauf hinweist, dass andere Autovermieter auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit - ausgenommen Alkohol- und Drogenfahrten oder Diebstahl - verzichten, verhält sich entgegen LG München (a.a.O.) nicht treuwidrig.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 211 | ID 42996903