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  • · Fachbeitrag · Mieterhöhung

    Verfrühtes Mieterhöhungsverlangen kann auch zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1. Der Vermieter ist nicht gehindert, eine Mieterhöhung erst mit Wirkung zu einem späteren als dem in § 558b Abs. 1 BGB bestimmten Zeitpunkt geltend zu machen.
    • 2. Geht dem Mieter ein Mieterhöhungsverlangen zu, in dem der Vermieter einen späteren als den sich aus § 558b Abs. 1 BGB ergebenden Wirksamkeitszeitpunkt benennt, kann sich der Mieter bis unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Mieterhöhung vom Mietverhältnis durch außerordentliche Kündigung nach § 561 Abs. 1 S. 1 BGB zum Ende des übernächsten Monats lösen mit der sich anschließenden Rechtsfolge, dass dem Mieter bis zum Ende des Mietverhältnisses die Nutzungsmöglichkeit der Wohnung gegen Zahlung der nicht erhöhten Miete verbleibt (§ 561 Abs. 1 S. 2 BGB).
     

    Sachverhalt

    Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung des Klägers. Dieser forderte sie mit Schreiben vom 7.1.11 erfolglos auf, der Erhöhung der bisherigen Nettokaltmiete um 272,78 EUR auf 1.636,70 EUR mit Wirkung zum 1.8.11 zuzustimmen. Der Zustimmungsklage wurde in zweiter Instanz stattgegeben. Die Revision hat keinen Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach § 558b Abs. 1 BGB schuldet der Mieter - soweit er der Erhöhung zustimmt - die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens. Macht der Vermieter eine Mieterhöhung nach § 558 BGB oder § 559 BGB geltend, kann der Mieter bis zum Ablauf des zweiten Monats nach dem Zugang der Erklärung des Vermieters das Mietverhältnis außerordentlich zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen (§ 561 Abs. 1 S. 1 BGB). Kündigt der Mieter, tritt die Mieterhöhung nicht ein (§ 561 Abs. 1 S. 2 BGB).

     

    Die Besonderheit des Streitfalls besteht darin, dass von den Beklagten die Zustimmung zu einer - materiell berechtigten - Mieterhöhung erst zu einem späteren Zeitpunkt (1.8.11) begehrt wird, als er sich bei Anwendung des § 558b Abs. 1 BGB ergibt (1.4.11). Hierfür wäre es ausreichend gewesen, wenn das Mieterhöhungsverlangen den Beklagten (erst) im Mai 11 zugegangen wäre. Es hätte den Beklagten dann offen gestanden, das Mietverhältnis bis spätestens 31.7.11 zum 30.9.11 zu kündigen und bis zu diesem Zeitpunkt erhöhungsfrei zu nutzen. Wegen des Zugangs bereits im Januar 11 hätte das Mietverhältnis nach dem Wortlaut des § 561 BGB aber bis spätestens 31.3.11 zum 31.5.11 gekündigt werden müssen. Die Revision hält das Mieterhöhungsverlangen wegen dieser für den Mieter ungünstigen Rechtsfolge eines verfrühten Zugangs des Erhöhungsverlangens für unwirksam.

     

    Der BGH tritt dem entgegen und entscheidet wie aus den Leitsätzen ersichtlich. Grund: § 558b Abs. 1 BGB und § 561 Abs. 1 BGB sind aufeinander abgestimmte Regelungen, deren Verständnis sich nur aus einer Zusammenschau erschließt. Erreicht den Mieter das Verlangen des Vermieters, einer Mieterhöhung zuzustimmen, stehen ihm grundsätzlich zwei Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung:

     

    • Er kann der Mieterhöhung nach § 558b Abs. 1 BGB zustimmen, beziehungsweise sich auf Zustimmung verklagen lassen (§ 558b Abs. 2 BGB),
    • oder er kann das Mietverhältnis nach § 561 Abs. 1 S. 1 BGB kündigen, wenn er der Mieterhöhung (sicher) entgehen will.

     

    Der Zeitpunkt, zu dem die Mieterhöhung - von deren materiell-rechtlicher Wirksamkeit das Gesetz ausgeht - gemäß § 558b Abs. 1 BGB nach Zustimmung des Mieters wirksam wird („ ... zu Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens“), folgt unmittelbar auf den Zeitpunkt, zu dem der Mieter nach § 561 Abs. 1 S. 1 BGB spätestens kündigen muss, wenn er der Mieterhöhung entgehen will („ ... bis zum Ablauf des zweiten Monats nach dem Zugang der Erklärung des Vermieters ...“). Das heißt: Zweck des § 561 Abs. 1 S. 1 BGB ist es, dem Mieter bis unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Mieterhöhung (hier 31.7.11) die Möglichkeit offen zu lassen, sich vom Mietverhältnis durch außerordentliche Kündigung zum Ende des übernächsten Monats (hier 30.9.11) zu lösen mit der sich anschließenden Rechtsfolge, dass dem Mieter noch weitere zwei Monate die Nutzungsmöglichkeit der Wohnung gegen Zahlung der nicht erhöhten Miete verbleibt (§ 561 Abs. 1 S. 2 BGB).

     

    Praxishinweis

    Nach BGH MK 12, 9 (Abruf-Nr. 112302) ist die fehlende Tenorierung des Beginns der begehrten Mieterhöhung unschädlich, wenn die Auslegung ergibt, dass die Vertragsänderung ab dem Wirkungszeitpunkt des § 558b Abs. 1 BGB eintreten soll. In dieser Entscheidung hat der BGH beiläufig ausgeführt, dass der Vermieter nicht gehindert ist, eine Mieterhöhung erst mit Wirkung zu einem späteren als dem in § 558b BGB bestimmten Zeitpunkt geltend zu machen. Hieran hält er fest. Der Mieter wird hierdurch nicht benachteiligt. Verlangt der Vermieter die Zustimmung zur Erhöhung der Miete erst zu einem späteren als dem in § 558b Abs. 1 BGB bestimmten Zeitpunkt, kommt es für die Berechnung der Kündigungsfrist des § 561 BGB nicht auf den früheren Zugang des Erhöhungsverlangens, sondern auf den Wirkungszeitpunkt der Mieterhöhung an. Das heißt: Da die Mieterhöhung ab 1.8.11 begehrt war, hätten die Beklagten das Mietverhältnis nach § 561 Abs. 1 BGB bis spätestens 31.7.11 (Zugang beim Kläger) kündigen und bis zum 30.9.11 zu der bisherigen Miete wohnen können. Da sie hiervon keinen Gebrauch gemacht haben, schulden sie die erhöhte Miete ab 1.8.11.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zu den Anforderungen an die Ermittlung der ortsüblichen Miete durch den Sachverständigen, BGH MK 13, 148, Abruf-Nr. 132633
    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 3 | ID 42437565