· Fachbeitrag · Mieterhöhung
Zustimmung des Mieters ersetzt Formalien und fehlenden materiellen Anspruch
von RiOLG a.D. Günther Geldmacher, Düsseldorf
| Der VIII. Senat musste entscheiden, ob dem Mieter, der einem Mieterhöhungsverlangen zugestimmt hat, ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung zusteht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Wohnfläche der vermieteten Wohnung kleiner ist, als vom Vermieter angegeben. |
Sachverhalt
Der Kläger war Mieter einer Wohnung der Beklagten. Der schriftliche Mietvertrag enthielt keine Angaben zur Größe der Wohnung. Die Beklagten übersandten dem Kläger insgesamt vier Mieterhöhungsverlangen. Darin errechneten sie ausgehend von einer Wohnfläche von 113,66 qm jeweils erhöhte Grundmieten, die betragsmäßig unter der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem örtlichen Mietspiegel lagen, der den genannten Schreiben jeweils beigefügt war. Der Kläger stimmte jeweils schriftlich zu und zahlte die erhöhten Mieten. Später zweifelte er die von den Beklagten angegebene Wohnfläche an; diese betrug tatsächlich nur 102,11 qm. Seine Klage auf Rückzahlung überzahlter Miete hat zweitinstanzlich teilweise Erfolg. Auf Revision der Beklagten weist der BGH die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil (insgesamt) zurück.
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(Abruf-Nr. 213974) |
Entscheidungsgründe
Durch Zustimmung des Klägers zu den jeweiligen Mieterhöhungsbegehren der Beklagten ist jeweils eine wirksame Vereinbarung über eine entsprechende Mieterhöhung zustande gekommen, die den Rechtsgrund für die daraufhin jeweils erbrachten (erhöhten) Mietzahlungen darstellt. Im Fall einer Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsbegehren des Vermieters kommt es nicht darauf an, ob das Begehren des Vermieters den formellen Anforderungen des § 558a BGB entsprochen und dem Vermieter ein materieller Anspruch auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung (§ 558 Abs. 1 BGB) zugestanden hat. Grund: Durch die Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters kommt ‒ nach allgemeiner Meinung ‒ eine vertragliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter über die Erhöhung der Miete zustande.
Die hier in Rede stehenden Mieterhöhungsvereinbarungen sind dahin auszulegen, dass die Miete auf den darin jeweils explizit genannten neuen Betrag erhöht wird und nicht lediglich auf den geringeren Betrag, der sich durch Multiplikation des jeweils erhöhten Quadratmeterbetrages mit der tatsächlichen Wohnfläche ergibt. Gegenstand der vereinbarten Mieterhöhungen ist hier der jeweils genannte Betrag, auf den die Nettomiete für die Wohnung erhöht wurde. Bei der Wohnfläche, die zur Ermittlung dieser neuen (erhöhten) Miete genannt war, handelt es sich hingegen ‒ ebenso wie bei der gleichfalls ausdrücklich angegebenen ortsüblichen Vergleichsmiete (je qm) ‒ nur um den (nicht zum Vertragsinhalt gewordenen) Grund für die vorgenommene Vertragsänderung. Dieser den Vereinbarungen der Parteien zugrunde liegende Rechtsgrund für die (erhöhten) Mietzahlungen ist auch nicht durch eine zugunsten des Klägers vorzunehmende Vertragsanpassung entfallen.
Relevanz für die Praxis
Eine Mieterhöhung, die der Vermieter im Verfahren gemäß §§ 558 ff. BGB beansprucht, wird wirksam, wenn und soweit der Mieter dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder seine Zustimmung durch Urteil ersetzt wird. Das schriftliche, mit einer Begründung versehene Erhöhungsverlangen des Vermieters ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Antrag i. S. d. § 145 BGB), die auf den Abschluss eines Änderungsvertrags gerichtet ist. In der Zustimmung des Mieters liegt die Annahme (§ 151 BGB) dieses Vertragsantrags. Dass eine solche vertragliche Vereinbarung neben den gesetzlich vorgesehenen einseitigen Mieterhöhungen und dem (gerichtlichen) Mieterhöhungsverfahren nach §§ 558, 558b BGB möglich ist, folgt aus § 557 Abs. 1 BGB. Danach können die Parteien während des Mietverhältnisses eine Erhöhung der Miete vereinbaren.
Vereinbart haben die Parteien, dass die Miete auf den darin jeweils explizit genannten neuen Betrag erhöht wird und nicht lediglich auf den geringeren Betrag, der sich durch Multiplikation des jeweils erhöhten Quadratmeterbetrages mit der tatsächlichen Wohnfläche ergibt. Die in den Mieterhöhungsschreiben mitgeteilte unrichtige Wohnfläche und die gleichfalls explizit angegebene ortsübliche Vergleichsmiete (je qm) sind ‒ so die Auslegung des BGH ‒ lediglich der (nicht zum Vertragsinhalt gewordene) Grund für die von den Beklagten angestrebte und vom Kläger akzeptierte Vertragsänderung.
Beachten Sie | Die vereinbarte Vertragsänderung ist unabhängig davon wirksam, ob das Mieterhöhungsverlangen formell ordnungsgemäß und materiell berechtigt war.
Eine wirksame Mieterhöhungsvereinbarung scheitert auch nicht an den § 557 Abs. 4, § 558 Abs. 6 BGB. Soweit danach abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters unwirksam sind, betrifft dies nur Abreden, die die formellen oder materiellen Voraussetzungen für eine Mieterhöhung zum Nachteil des Mieters abändern.
Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung folgt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Die Geschäftsgrundlage eines Vertrags wird gebildet durch die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (Nachweise Urteil Tz. 21). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Wohnfläche erfüllt, die die Parteien wegen eines beiderseitigen Kalkulationsirrtums den jeweiligen Mieterhöhungsvereinbarungen zugrunde gelegt haben.
Stimmt der Mieter dem auf der überhöht angesetzten Wohnfläche beruhenden Erhöhungsverlangen in Unkenntnis der wahren Wohnungsgröße zu, unterliegen die Parteien einem gemeinsamen Kalkulationsirrtum, der nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu behandeln ist. Der BGH (MK 04, 160, Abruf-Nr. 042071) hat dies in einer Konstellation bejaht, in der die Parteien eine Mieterhöhung auf Grundlage einer um mehr als 10 Prozent zu hoch angesetzten Wohnfläche und einer Quadratmetermiete, die bereits der ortsüblichen Vergleichsmiete entsprach, vereinbart hatten. Folge: In jenem Fall lag die vereinbarte erhöhte Miete unter Zugrundelegung der tatsächlichen Wohnfläche um mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete und der Senat hat daher angenommen, dass dem Mieter deshalb ein unverändertes Festhalten an den vereinbarten Mieterhöhungen nicht zumutbar war.
Hierin besteht der entscheidende Unterschied zum Streitfall: Die vereinbarten erhöhten Mieten lagen hier auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche nicht um mehr als 10 Prozent über, sondern noch unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Beklagten hätten ihren Erhöhungsanspruch also auch ohne Zustimmung des Klägers in einem gerichtlichen Verfahren nach §§ 558 ff. BGB durchsetzen können. Der ihnen hinsichtlich der Wohnfläche unterlaufene Fehler hatte mithin für den Kläger keine negativen wirtschaftlichen Folgen, sodass ihm ein Festhalten an den Vereinbarungen zumutbar war.
MERKE | Wer einem Mieterhöhungsverlangen seines Vermieters zustimmt, ohne die zugrunde gelegte Wohnfläche überprüft zu haben, muss ‒ sofern nicht ausnahmsweise ein Fall des § 313 BGB vorliegt r‒ die vereinbarte erhöhte Miete zahlen, selbst wenn das Mieterhöhungsverlangen formell fehlerhaft und materiell in der vereinbarten Höhe nicht berechtigt war. |