· Fachbeitrag · Mietrechtsänderungsgesetz 2013
Die herabgesetzte Kappungsgrenze
von RiAG Dr. Ulf Börstinghaus, Gelsenkirchen
| Der Gesetzgeber versucht seit vielen Jahren, über die unterschiedlichsten Instrumente Einfluss auf die Miethöhe zu nehmen. Seit 1983 hat er als weitere Grenze für Mieterhöhungen die sogenannte Kappungsgrenze eingeführt. Sie betrug erst 30 Prozent, dann war sie zeitweise gesplittet auf 30 Prozent und je nach Miethöhe teilweise 20 Prozent, dann betrug sie wieder einheitlich 30 Prozent und seit der Mietrechtsreform von 2001 einheitlich 20 Prozent. Völlig unerwartet hat der Gesetzgeber jetzt zum 1.5.13 wiederum eine diesmal regional gesplittete Kappungsgrenze eingeführt. |
1. Mietrechtsänderungsgesetz
Gemäß § 558 Abs. 3 S. 2 und 3 BGB wurden die Landesregierungen ermächtigt, in Gemeinden, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist für maximal fünf Jahre anzuordnen, dass die Kappungsgrenze nur 15 Prozent beträgt. Diese Gemeinden müssen durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden.
2. Rechtsverordnungen
Inzwischen haben drei Bundesländer von dieser Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht, eines sogar schon zweimal.
a) Bayern
Sehr schnell hat Bayern eine Verordnung für München erlassen. Durch VO vom 3.5.13 (GVBl S. 189) wurde die Kappungsgrenze dort auf 15 Prozent herabgesetzt. Die Verordnung ist am 15.5.13 in Kraft getreten und gilt bis zum 14.5.18. Am 31.7.13 wurde die „Zweite Kappungsgrenzensenkungsverordnung“ verkündet (GVBl, 470). Danach wurde die Kappungsgrenze in folgenden weiteren 89 Gemeinden auf 15 Prozent bis zum 31.12.15herabgesetzt:
|
Regierungsbezirk Oberbayern
|
Regierungsbezirk Oberpfalz
Regierungsbezirk Oberfranken
Regierungsbezirk Mittelfranken
Regierungsbezirk Unterfranken
Regierungsbezirk Schwaben
|
b) Berlin
Im ganzen Stadtgebiet von Berlin wurde durch Verordnung vom 18.5.13 ab 19.5.13 die Kappungsgrenze auf 15 Prozent herabgesetzt.
c) Hamburg
In Hamburg wurde mit VO vom 30.7.13 (GVBl 13, 350) flächendeckend die Kappungsgrenze auf 15 Prozent herabgesetzt. Sie gilt vom 1.9.13 für fünf Jahre.
d) Geplante weitere Verordnungen
Zu hören ist, dass zurzeit in den verschiedenen Bundesländern noch daran gedacht wird, die Kappungsgrenze für die Städte Bonn, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Freiburg, Köln, Konstanz, Münster, Potsdam und Stuttgart auf 15 Prozent herabzusetzen. Das Inkrafttreten der jeweiligen Verordnungen und die Laufzeit sind noch nicht bekannt.
3. Übergangsproblem
Weder das Mietrechtsänderungsgesetz noch die jeweiligen Verordnungen enthalten explizite Übergangsregelungen für die herabgesetzte Kappungsgrenze. Das mag u.a. daran liegen, dass die Regelung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ins Gesetz gekommen ist und keine Anhörung von Fachleuten stattgefunden hat. Deshalb ist es heute strittig, für welche Mieterhöhungsverlangen sie gilt.
a) Zeitpunkt des Zugangs maßgeblich
Die wohl überwiegende Meinung geht davon aus, dass allein der Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens maßgeblich ist. Galt an dem Tag die entsprechende Verordnung in der Gemeinde noch nicht, beträgt die Kappungsgrenze weiterhin 20 Prozent, ansonsten 15 Prozent. Begründet wird dies teilweise mit einer Analogie zu den Übergangsregeln früherer Mietrechtsänderungen (Feuerlein, WuM 13, 404, Schach, GE 13, 749) oder mit der zwingenden Systematik des Miethöherechts (Artz/Börstinghaus, NZM 13, 593).
b) Zeitpunkt des Wirksamwerdens
Insbesondere in Bayern wird im Justizministerium die Auffassung vertreten, dass die Verordnungen rückwirkend gelten. Also selbst wenn zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens für die Gemeinde keine Verordnung galt, soll die Kappungsgrenze nur 15 Prozent betragen, wenn der Wirkungszeitpunkt nach § 558b BGB nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens liegt (Bender/Schultzky ZMR 13, 589). Diese Meinung will Mieter, die vor Inkrafttreten der jeweiligen Verordnung zugestimmt haben, auch wenn sie erst nach Inkrafttreten der Verordnung wirksam wird, an der Zustimmung festhalten lassen, sodass hier die Kappungsgrenze auch 20 Prozent betragen würde. Diese unzulässige Ungleichbehandlung und vor allem die eindeutige Systematik des Erhöhungsverfahrens, das für beide Mietvertragsparteien rechtssicher regeln muss, welche Ansprüche nun bestehen, sprechen für den Zugang des Erhöhungsverlangens als allein maßgeblichen Zeitpunkt.
4. Überprüfung der Verordnungen
Eine Gemeinde darf nur in eine Verordnung aufgenommen werden, wenn dort die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Diese Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage sind justiziabel. Gibt es in dem Bundesland ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO, kann dies in einem solchen überprüft werden. Im Übrigen müssen aber die Zivilgerichte in allen Verfahren, in denen eine Mieterhöhung von mehr als 15 Prozent in drei Jahren geltend gemacht wird und wo eine herabgesetzte Kappungsgrenze gilt, prüfen, ob die Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind. Das setzt aber einen substanziierten Sachvortrag des Vermieters voraus und nicht nur eine Erklärung „ins Blaue“. Er wird Zahlen aus dem örtlichen Wohnungsmarktbericht oder andere statistisch aufbereitete regionale Daten vorlegen müssen.
Weiterführender Hinweis
- Zum Sachverständigengutachten bei Mieterhöhungen, MK 13, 148 in dieser Ausgabe