Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Modernisierung

    Kumulative Mieterhöhungen begrenzt durch den Modernisierungszuschlag nach § 559 BGB

    von RiOLG a. D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Darf der Vermieter, der zuvor eine Mieterhöhung unter Heranziehung der ortsüblichen Vergleichsmiete für den modernisierten Wohnraum durchgesetzt hat, eine weitere Erhöhung der Miete auf Grundlage der umlegbaren Modernisierungskosten nach § 559 BGB vornehmen oder ist ihm dieser Weg versperrt? Hierüber musste der BGH nun entscheiden. |

     

    Sachverhalt

    Die der Beklagten von der Klägerin formell ordnungsgemäß angekündigten baulichen Veränderungen in der Wohnung wurden 2010 durchgeführt. Einer ersten Vergleichsmieterhöhung vom 29.10.10 um monatlich 37,32 EUR ab 1.1.11 stimmte die Klägerin zu. Der folgenden Modernisierungsmieterhöhung vom 30.8.11 um weitere 116,53 EUR monatlich ab 1.5.12 widersprach sie aber. Daraufhin reduzierte die Beklagte den Modernisierungszuschlag um die schon vereinbarte Mieterhöhung auf 79,21 EUR. Diesen Erhöhungsbetrag zahlte die Klägerin unter Vorbehalt.

     

    Ihre Klage auf Rückzahlung der geleisteten Modernisierungszuschläge sowie die Feststellung, den Modernisierungszuschlag nicht zu schulden, hatte zunächst in zweiter Instanz Erfolg (WuM 15, 551). Auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das BVerfG (NZM 18, 440) das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an eine andere Kammer des LG zurückverwiesen. Diese hat die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen. Die Revision der Klägerin scheitert.

     

    • 1. Die Möglichkeit einer (weiteren) Erhöhung der Miete auf Grundlage der umlegbaren Modernisierungskosten nach § 559 BGB (a. F.) ist einem Vermieter, der im Anschluss an die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme die Miete zunächst auf Grundlage der ortsüblichen Vergleichsmiete für den modernisierten Wohnraum nach §§ 558 ff. BGB erhöht hat, nicht verwehrt.

     

    • 2. Allerdings ist in diesem Fall der ‒ nachfolgend geltend gemachte ‒ Modernisierungszuschlag der Höhe nach begrenzt auf die Differenz zwischen dem allein nach § 559 Abs. 1 BGB (a. F.) möglichen Erhöhungsbetrag und dem Betrag, um den die Miete bereits zuvor nach §§ 558 ff. BGB heraufgesetzt wurde, sodass die beiden Mieterhöhungen in der Summe den Betrag, den der Vermieter bei einer allein auf § 559 BGB (a. F.) gestützten Mieterhöhung verlangen könnte, nicht übersteigen.
     

    Entscheidungsgründe

    Nach dem Gesetz steht es dem Vermieter frei, im Anschluss an die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme die Miete nach §§ 558 ff. BGB zu erhöhen, sich also die aufgrund des modernisierten Zustands gestiegene Vergleichsmiete zunutze zu machen, oder nach §§ 559 ff. BGB (a. F.) vorzugehen, mithin die aufgewendeten Modernisierungskosten auf den Mieter umzulegen. Wählt er den letzteren Weg oder einigen sich die Mietvertragsparteien wegen durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen auf eine ‒ nach § 559 BGB (a. F.) auch einseitig durchsetzbare ‒ Mieterhöhung und bleibt die auf diese Weise erhöhte Miete hinter der ortsüblichen Vergleichsmiete für entsprechend modernisierten Wohnraum zurück, ist es dem Vermieter unbenommen, anschließend die Zustimmung des Mieters zu einer weiteren Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB zu verlangen (Nachw. Urteilsgründe Tz. 21).

     

    § 559 BGB (a. F.) verfolgt aus wohnungs-, wirtschafts- und umweltpolitischen Gründen den Zweck, die Modernisierung vorhandenen alten Wohnbestands zu fördern. Hierzu wird dem Vermieter die Möglichkeit eröffnet, den Modernisierungsaufwand im Wege einer ‒ von der ortsüblichen Vergleichsmiete unabhängigen ‒ Mieterhöhung auf den Mieter umzulegen (BT-Drucksache 14/4553, S. 58 und 7/2011, S. 11).

     

    MERKE | Dieser gesetzgeberischen Zielsetzung wird eine Auslegung der Mieterhöhungsvorschriften nicht gerecht, die dem Vermieter die vollständige (wirtschaftliche) Ausschöpfung der ihm gesetzlich zustehenden Rechte zur Mieterhöhung erschwert, indem sie der erfolgreichen Geltendmachung einer auf Grundlage des modernisierten Wohnungszustands erfolgten Mieterhöhung nach § 558 BGB ‒ ohne Einschränkungen ‒ eine Sperrwirkung in Bezug auf eine (weitere) Mieterhöhung nach § 559 BGB (a. F.) beimisst.

     

    Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille lässt sich auch der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHG) vom 18.12.74 (BGBl.  I S. 3603) nicht entnehmen. Insbesondere die dortige Formulierung, der Vermieter solle nach § 3 MHG (heute § 559 BGB) Modernisierungskosten „anstelle einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete […] auch geltend machen können […], wenn dadurch der Mietzins über die ortsübliche Vergleichsmiete steigt“ (BT-Drucksache 7/2011, S. 11), lässt nicht darauf schließen, dass der Gesetzgeber zwei sich wechselseitig gänzlich ausschließende Möglichkeiten zu einer modernisierungsbedingten Mieterhöhung schaffen wollte. Einer solchen Deutung steht schon entgegen, dass das Gesetz damals bereits die Nichtberücksichtigung einer Mieterhöhung nach § 3 MHG (heute § 559 BGB) bei der Berechnung der Wartefrist für eine Mieterhöhung nach § 2 MHG (heute § 558 BGB) vorgesehen hat. Der Gesetzgeber muss mithin von der Zulässigkeit einer schrittweisen Mieterhöhung nach der Durchführung einer Modernisierung ausgegangen sein.

     

    Die genannte Formulierung bringt demnach lediglich zum Ausdruck, dass dem Vermieter im Fall einer Modernisierung der Wohnung wahlweise eine zusätzliche ‒ nicht an die Schranken der Vergleichsmietenerhöhung gebundene ‒ Möglichkeit zur Mieterhöhung an die Hand gegeben werden sollte. Zudem lässt sie mittelbar auf die gesetzgeberische Wertung schließen, dass eine (aus wirtschaftlicher Sicht) „doppelte“ Belastung des Mieters mit Mieterhöhungen wegen einer (einzigen) Modernisierung unzulässig wäre.

     

    Schützenswerte Belange des Mieters erfordern keine umfassende Sperrwirkung der erfolgreich ‒ auf der Grundlage des modernisierten Wohnungszustands ‒ durchgesetzten Vergleichsmietenerhöhung gegenüber einer weiteren Mieterhöhung nach § 559 BGB (a. F.).

     

    Auch mit Blick auf das dem Mieter zustehende Sonderkündigungsrecht nach § 561 BGB entstehen diesem durch die ‒ noch in Unkenntnis der (späteren) Mieterhöhung nach § 559 BGB (a. F.) ‒ erteilte Zustimmung zu der (ersten) Mieterhöhung nach § 558 BGB keine endgültigen Nachteile. Denn das Recht zur Sonderkündigung steht dem Mieter nach § 561 BGB im Zusammenhang mit der zweiten Mieterhöhung erneut zu.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der hier einzig in Betracht kommende Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Mieten scheitert daran, dass die Beklagte die Miete wirksam nach §§ 559, 559b BGB (in der bis zum 30.4.13 geltenden Fassung) erhöht hat. Damit waren die Mietzahlungen mit Rechtsgrund erfolgt.

     

    Die tragende Feststellung der Entscheidung ist die Ansicht des BGH, dass einem vorgehenden Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558 ff. BGB keine Bindungswirkung gegenüber einem nachfolgenden Mieterhöhungsverlangen nach § 559 BGB zukommt, ein kumulatives Vorgehen des Vermieters also nicht ausschließt.

     

    Wie der BGH ausführlich darlegt, steht es dem Vermieter nach dem Gesetz frei, im Anschluss an die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme die Miete nach §§ 558 ff. BGB zu erhöhen, sich also die aufgrund des modernisierten Zustands gestiegene Vergleichsmiete zunutze zu machen, oder nach §§ 559 ff. BGB (a. F.) vorzugehen, mithin die aufgewendeten Modernisierungskosten auf den Mieter umzulegen. Entscheidet er sich nach durchgeführter Modernisierung ‒ auch einseitig ‒ für ein Vorgehen nach § 559 a. F. BGB und bleibt die auf diese Weise erhöhte Miete hinter der ortsüblichen Vergleichsmiete für entsprechend modernisierten Wohnraum zurück, ist der Vermieter nicht gehindert, anschließend die Zustimmung des Mieters zu einer weiteren Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB zu verlangen.

     

    MERKE | Der BGH setzt den kumulativen Erhöhungsverlangen ein entscheidendes Korrektiv entgegen. Der ‒ nachfolgend geltend gemachte ‒ Modernisierungszuschlag wird der Höhe nach dadurch begrenzt, dass beide Mieterhöhungen zusammen nicht den Betrag übersteigen dürfen, den der Vermieter bei einer allein auf § 559 BGB (a. F.) gestützten Mieterhöhung fordern könnte.

     

    Vor einer ungerechtfertigten „doppelten“ Belastung mit Mieterhöhungen im Zusammenhang mit Modernisierungsmaßnahmen wird der Mieter in diesen Fällen (ausreichend) geschützt, wenn der nachfolgend vom Vermieter geltend gemachte ‒ nach § 559 BGB (a. F.) für sich betrachtet zulässige ‒ Modernisierungszuschlag um den bereits nach § 558 BGB unter Zugrundelegung des modernisierten Wohnungszustands erzielten Erhöhungsbetrag gekürzt wird.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 62 | ID 47137934