· Modernisierung
Umfang der vorvertraglichen Auskunftspflicht des Vermieters bei Modernisierung vor Vertragsschluss

von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin
| Das Mietrechtsanpassungsgesetz vom 18.12.18 (BT-Drucksache 19/4672) hat eine vorvertragliche Auskunftspflicht des Vermieters auf Wohnungsmärkten eingeführt, die in den Anwendungsbereich einer wirksamen Gebietsverordnung nach § 556d Abs. 2 BGB fallen. Nachdem der BGH bereits über den Umfang der Auskunftspflicht nach § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB bei der Angabe der Vormiete entschieden hat ( BGH 29.11.23, VIII ZR 75/23, MK 25, 5 ), musste er sich nun auch über den Umfang dieser Pflicht in Modernisierungsfällen befassen. |
MERKE | § 556d Abs. 2 BGB ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf ein von ihm festgestelltes Informationsdefizit des Mieters. Dieser kann aus eigener Kenntnis i. d. R. nicht beurteilen, ob Ausnahmetatbestände vorliegen (§§ 556e, 556f BGB), die die Überschreitung der nach § 556d Abs. 1 BGB höchstzulässigen Miete rechtfertigen könnten. Der Gesetzgeber hat darin eine Ursache dafür gesehen, dass die Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn nicht zu den erhofften Wirkungen geführt haben (BT-Drucksache 19/4672, S. 1, 26). Die mit einer Sanktion versehene Pflicht des Vermieters, dem Mieter unaufgefordert in Textform über einen Ausnahmetatbestand Auskunft zu erteilen, sollte bewirken, dass der Mieter nicht darauf angewiesen ist, zunächst einen Auskunftsanspruch gerichtlich durchzusetzen. Soweit der Vermieter die Auskunft nicht erteilt hat, darf er sich nicht auf einen Ausnahmetatbestand berufen. Holt er die Auskunft nach, gilt das nur für zwei Jahre (§ 556g Abs. 1a S. 2, 3 BGB). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Die Klägerin, ein als Inkasso-Dienstleisterin registriertes Legal-Tech-Unternehmen, verlangte aus abgetretenem Recht der Mieterin einer Wohnung der Beklagten u. a. die Rückzahlung anteiliger Miete für den Monat 12/19 in Höhe von 712,76 EUR. Das Mietverhältnis über die 76,51 m² große Wohnung besteht seit 4/19. Bei Vertragsbeginn betrug die Nettokaltmiete monatlich 1.500 EUR. In dem Mietvertrag heißt es: „Die Wohnung wird erstmalig nach umfassender Modernisierung gemäß § 556g BGB vermietet.“ Mit Schreiben vom 28.11.19 rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Verstoß gegen die Vorschriften der Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die vermietete Wohnung. Die Vorinstanzen haben die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das LG hat eine umfassende Modernisierung i. S. d. § 556f S. 2 BGB verneint. Die Ausnahmevorschrift des § 556e Abs. 2 BGB (einfache Modernisierung) hat es nicht berücksichtigt, weil der Vermieter sich wegen fehlender vorvertraglicher Auskunft nicht darauf berufen dürfe. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung (BGH 27.11.24, VIII ZR 36/23, Abruf-Nr. 245608).
Nach dem BGH hat das LG die Anforderungen an den Inhalt der zum 1.1.19 eingeführten Auskunftspflicht vor Vertragsschluss nach § 556g Abs. 1a BGB überspannt, die ‒ so auch zu Recht das LG ‒ auf den Mietvertrag anzuwenden ist. Unter Hinweis auf seine Rechtsprechung folgt der BGH den Feststellungen des LG, nach denen eine umfassende Modernisierung der Wohnung nicht stattgefunden hat (zu den quantitativen und qualitativen Voraussetzungen einer umfassenden Modernisierung: BGH 11.11.20, VIII ZR 369/183).
Auskunft des Vermieters
Welche Auskunft der Vermieter vor Vertragsschluss erteilen muss, ist in § 556g Abs. 1a BGB (eigentlich) klar geregelt. Hält der Vermieter sich an den Wortlaut, geht er kein Risiko ein. Hier hatte der Vermieter die Auskunft nach § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 4 BGB erteilt: Es sollte sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung handeln. Eine solche lag nicht vor. Im Fall der mit der umfassenden Modernisierung „verwandten“ Ausnahme nach § 556e Abs. 2 BGB muss der Vermieter vor Vertragsschluss darüber informieren, dass in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Diese Information ist aber sozusagen als „Minus“ in dem weiterreichenden Tatbestand des § 556f S. 2 BGB enthalten.
Der BGH stellt daher zu Recht fest, dass eine Auskunft des Vermieters, es handele sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung, auch den Zweck der von § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 2 BGB geregelten Fallgestaltung einer (einfachen) Modernisierung in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses erfüllt. Stellt sich nach Abschluss des Mietvertrags heraus, dass keine umfassende, sondern lediglich eine einfache Modernisierung durchgeführt worden ist, ist der Vermieter daher nicht gehindert, sich (wenigstens) auf die nach § 556e Abs. 2 BGB zulässige Miete zu berufen.
MERKE | Der in § 556f S. 2 BGB und § 556e Abs. 2 BGB verwendete Begriff der Modernisierung stimmt überein. Eine umfassende Modernisierung nach § 556f S. 2 BGB unterscheidet sich von einer einfachen Modernisierung nach § 556e Abs. 2 BGB nur durch den quantitativen Umfang der durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen i. S. d. § 555b BGB und deren qualitative Auswirkungen auf den Zustand der Wohnung. Erteilt der Vermieter die Auskunft, es sei eine „umfassende“ Modernisierung der Wohnung vorgenommen worden, umfasst diese daher auch den Fall, dass eine „einfache“ Modernisierung durchgeführt wurde. |
Nach § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 2 BGB muss der Vermieter zwar nicht nur die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen mitteilen, sondern auch, dass diese innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn des Mietverhältnisses durchgeführt worden sind. Das steht der Annahme, dass der Zweck einer Auskunft nach § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 4 BGB den einer Auskunft nach § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 2 BGB umfasst, jedoch nicht entgegen. Der BGH leitet das aus dem Sinn und Zweck der dem Vermieter auferlegten Auskunftspflichten ab. Der Mieter soll aufgrund der Auskünfte vor Abgabe seiner Vertragserklärung prüfen bzw. abschätzen können, ob die nach dem Gesetz zulässige Miethöhe bei Mietbeginn eingehalten wird, und das Ergebnis der Prüfung in die Entscheidung zum Vertragsschluss einbeziehen können (so BT-Drucksache 19/4672, S. 27). Ziel des Gesetzgebers war es, dass der Mieter über das Vorliegen eines bezüglich der zulässigen Miethöhe nach Auffassung des Vermieters vorliegenden Ausnahmetatbestands informiert und ihm eine erste Einschätzung der Zulässigkeit der vom Vermieter verlangten Miete ermöglicht wird.
Dem trägt die von der Beklagten erteilte Auskunft Rechnung. Die Mieterin hatte aufgrund dieser Auskunft besonderen Anlass, zu prüfen, ob die nach dem Gesetz zulässige Miethöhe eingehalten wird. Die Auskunft verdeutlicht, dass die Beklagte aufgrund der Modernisierung nicht nur eine Modifizierung der zulässigen Miethöhe erstrebt (§ 556e Abs. 2 BGB), sondern auch eine vollständige Ausnahme von der Mietpreisbegrenzung (§ 556f S. 2 BGB).
Gestufte Ausnahmen zugunsten des Vermieters
Das Gesetz sieht zugunsten des modernisierenden Vermieters gestufte Ausnahmen vor. Unter den Voraussetzungen des § 556e Abs. 2 BGB erhöht sich die zulässige Miete (nur) um den Betrag einer Mieterhöhung, die im laufenden Mietverhältnis nach einer (einfachen) Modernisierung nach § 559 BGB möglich gewesen wäre. Eine weitergehende Ausnahme begründet hingegen § 556f S. 2 BGB für den Fall der umfassenden (neubaugleichen) Modernisierung, die den Vermieter für die erste nachfolgende Vermietung ‒ wie beim Neubau, § 556f S. 2 BGB, dort aber dauerhaft ‒ von der Mietenbegrenzung völlig befreit. Auf der Grundlage der Information, die Wohnung sei umfassend modernisiert worden, kann der Mieter noch deutlicher erkennen, dass der Vermieter mehr als 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen will. Der Mitteilung des Zeitpunkts oder des Zeitraums der Modernisierung kommt kein maßgeblicher Erkenntnisgewinn für den Mieter zu. Dieser Ansatz entspricht der (pragmatischen) Rechtsprechung des BGH, wonach im Recht der Wohnraummiete Begründungs- oder Informationserfordernisse kein Selbstzweck sind, sondern es vielmehr stets darauf ankommt, ob für den Mieter mit der im Einzelnen geforderten Information ein maßgeblicher Erkenntnisgewinn verbunden ist (BGH 13.6.12, VIII ZR 311/11 [zu einem Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558 ff. BGB]; 20.1.16, VIII ZR 93/15 [zu einer Betriebskostenabrechnung]; 20.7.22, VIII ZR 361/21; 23.11.22, VIII ZR 59/21 [jeweils zu einer Mieterhöhungserklärung nach §§ 559 ff. BGB]).
Beachten Sie | Der Gesetzgeber hat die vorvertraglichen Auskunftspflichten nach § 556g Abs. 1a BGB bewusst niederschwellig gehalten. Die vom Vermieter mitzuteilenden Umstände ermöglichen dem Mieter nicht, zu prüfen, ob ein Ausnahmetatbestand nach § 556e BGB oder § 556f BGB tatsächlich vorliegt und die von dem Vermieter verlangte Miete nach den Regelungen der §§ 556d ff. BGB zulässig ist. Sie informieren ihn lediglich darüber, dass nach der Auffassung des Vermieters ein Ausnahmetatbestand nach § 556e BGB oder § 556f BGB in Betracht kommt und welcher dies ist. Für weitergehende Informationen zu den vom Vermieter ausweislich seiner Auskunft für gegeben erachteten Ausnahmetatbeständen verweist der Gesetzgeber den Mieter auf den allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 556g Abs. 3 BGB (BT-Drucksache 19/4672, S. 27, 28).
Nach dieser Maßgabe vermag der BGH der gesetzlichen Regelung keine Sanktion dahin gehend entnehmen, dass es dem Vermieter, der die Abgrenzung zwischen einer umfassenden und einer ‒ quantitativ oder qualitativ ‒ daran nicht heranreichenden einfachen Modernisierung nicht zutreffend vorgenommen hat, versagt wäre, sich auf die ihm entstandenen Modernisierungskosten zumindest in dem geringeren Maß des § 556e Abs. 2 BGB zu berufen. Dies gilt, sofern er die Modernisierungsmaßnahmen in den letzten drei Jahren vor dem Mietverhältnis vorgenommen hat. Eine Sanktion liefe auch dem Regelungsziel des Gesetzes zuwider, Anreize für eine Modernisierung des Wohnungsbestandes und auch für den Umweltschutz zu setzen (BT-Drucksache 19/4672, S. 11, 30).
Relevanz für die Praxis
Die Zukunft der Regelungen über die Miethöhe bei Mietbeginn auf angespannten Wohnungsmärkten ist ungewiss. Nach § 556d Abs. 2 S. 4 BGB in seiner aktuellen Fassung muss eine Verordnung auf Landesebene, die Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt ausweist, spätestens am 31.12.25 außer Kraft treten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung der 20. Legislaturperiode über eine Verlängerung der Regelungen bis zum 31.12.28 wird der Diskontinuität anheimfallen, muss also ggf. neu verhandelt und eingebracht werden. Die NRW-Landesregierung hat am 28.1.25 auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage noch eine neue Mieterschutz-Verordnung beschlossen, die künftig 57 statt bisher 18 Kommunen in ihren Geltungsbereich einbezieht und am 1.3.25 in Kraft getreten ist. Unabhängig von ihrer Verlängerung werden die Regelungen im BGB nicht mit Ablauf des 31.12.25 gegenstandslos. Es kommt auf den Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses an. Die Wirksamkeit von Preisabreden in Verträgen, die im zeitlichen Anwendungsbereich der §§ 556d ff. BGB und einer wirksamen Gebietsverordnung abgeschlossen wurden, kann auch nach Ablauf des 31.12.25 noch überprüft werden. Eine Ausnahme können Staffelmietvereinbarungen bilden, wenn der Beginn einer neuen Staffel nach dem 31.12.25 liegt. In diesem Fall gilt ggf. „ungebremst“ die Miethöhe, die die neue Staffel im Mietvertrag ausweist, § 557a Abs. 4 BGB.
Die Entscheidung bleibt daher länger relevant, als es zunächst scheint. Sie betrifft unmittelbar nur Mietverträge, die nach dem 31.12.18 abgeschlossen wurden. Vorher gab es keine mit einer Sanktion versehene vorvertragliche Auskunftspflicht des Vermieters. Die Überlegungen des BGH lassen sich aber auf Fälle übertragen, in denen der Vermieter zwar nicht vor Vertragsschluss zur Auskunft verpflichtet war, sich im Prozess aber nur mit dem Ausnahmetatbestand der umfassenden Modernisierung verteidigt. In dieser Rechtsverteidigung steckt als „Minus“ der Ausnahmetatbestand des § 556e Abs. 2 BGB. Er ist vom Gericht im Prozess daher anzusprechen und ‒ so aufwendig dies im Einzelfall auch ist ‒ zu prüfen. Ggf. sind Hinweise zu erteilen.
