Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Modernisierungsmaßnahme

    Grundlegende Veränderungen der Mietsache sind keine Modernisierung im Rechtssinne

    von RiOLG a. D. Günther Geldmacher, Düsseldorf

    | Werden ältere Wohngebäude veräußert, will der Erwerber häufig wesentliche Umgestaltungen vornehmen. Handelt es sich um eine Modernisierungsmaßnahme i. S. d. § 555b BGB, muss der Mieter diese gemäß § 555d BGB grundsätzlich dulden. Der BGH zieht die Grenze, wenn die Wohnung durch die geplanten Umbauten grundlegend geändert wird. |

     

    Sachverhalt

    Die Beklagten sind seit 11/86 Mieter eines älteren Reihenhauses in einer Berliner Siedlung. Die monatliche Kaltmiete beträgt 463,62 EUR. Die Klägerin beabsichtigt, folgende bauliche Maßnahmen durchzuführen:

     

    • Bauvorhaben der Klägerin
    • Anbringung einer Wärmedämmung an der Fassade, am Dach und an der Bodenplatte,
    • Austausch der Fenster und Türen,
    • Einbau leistungsfähiger Elektrostränge im Bereich des Schornsteins,
    • Verlegung von Leitungen unter Putz,
    • Veränderung des Zuschnitts der Wohnräume und des Bads,
    • Entfernung der vorhandenen Heizung und Einbau einer neuen Gasetagenheizung,
    • Ausbau der vorhandenen Sanitärobjekte im Bad und Einbau einer neuen Badewanne und neuen Dusche, neue Verfliesung des Bodens und die Herstellung von Anschlüssen für eine Spülmaschine bzw. eine Waschmaschine,
    • Errichtung eines Wintergartens mit Durchbruch zur neu entstehenden Wohnküche,
    • Entfernung der Drempelwände,
    • Ausbau des Spitzbodens über dem Obergeschoss,
    • Herstellung einer Terrasse,
    • Herausnahme des Bodens im Hauswirtschaftsraum,
    • Tieferlegung des Bodenniveaus,
    • Einbringung einer neuen Treppe
    • sowie Instandsetzungsmaßnahmen an den Fenstern, der Klingel- und Schließanlage, den Innentüren, an den Kaltwasserleitungen, der Treppe zum Obergeschoss und an dem Abwasseranschluss.
     

    Die Kaltmiete soll sich infolge der Maßnahmen auf 2.149,99 EUR monatlich erhöhen. Die Duldungsklage scheitert in allen Instanzen.

     

    Vom Mieter zu duldende Modernisierungsmaßnahmen i. S. v. § 555b Nr. 4 oder Nr. 5 BGB liegen nicht vor, wenn die beabsichtigten Maßnahmen (hier: Hinzufügung neuer Räume [Wintergarten; Ausbau des Spitzbodens] unter Veränderung des Grundrisses (veränderter Zuschnitt der Wohnräume und des Bads; Anlegung einer Terrasse; Abriss einer Veranda) so weitreichend sind, dass ihre Durchführung den Charakter der Mietsache grundlegend verändern würde (Abruf-Nr. 198421).

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH klärt, welche baulichen Veränderungen der Mieter nicht als Modernisierungsmaßnahme nach § 555d BGB dulden muss.

     

    Pacta sunt servanda. Dieser Rechtssatz gilt auch im Mietverhältnis. Das heißt: Grundsätzlich kann der Mieter verlangen, dass der Vermieter während der Mietzeit Einwirkungen auf die Mietsache unterlässt. Hiervon ausgenommen sind bauliche Maßnahmen, die der Mieter als Erhaltungsmaßnahme (§ 555a BGB) oder Modernisierungsmaßnahme (§ 555b BGB) dulden muss. Zu Letzteren zählen insbesondere solche, durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird (§ 555b Nr. 4 BGB) bzw. durch die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden (§ 555b Nr. 5 BGB).

     

    Das AG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die geplanten Maßnahmen seien, soweit es sich nicht um Instandsetzungsarbeiten handele, nicht als Modernisierung i. S. v. § 555b BGB zu werten. Von einer Verbesserung der Mieträume könne nicht mehr gesprochen werden, wenn etwas völlig Neues geschaffen und eine Identität der Räume vor und nach den Umgestaltungsmaßnahmen nicht mehr gewahrt sei. Dem stimmt der BGH unter Verweis auf seine Entscheidung NJW 72, 723 (zu der Vorgängervorschrift des § 541a Abs. 2 BGB a.F.) zu. Danach zeichnet sich eine Modernisierungsmaßnahme dadurch aus, dass sie einerseits

    • über die bloße Erhaltung des bisherigen Zustands (vgl. § 555a BGB) hinausgeht, andererseits
    • aber die Mietsache nicht so verändert, dass etwas Neues entsteht.

     

    Der VIII. Senat überträgt diese für eine frühere Gesetzesfassung geprägten Grundsätze auf die aktuelle Bestimmung des § 555b BGB. Grund: Dessen Nr. 4 und Nr. 5 entsprechen wörtlich den in § 559 Abs. 1 BGB a.F. (Mieterhöhung bei Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen) geregelten Alternativen (BTDrucksache 17/10485, S. 20), die in § 554 Abs. 2 BGB a.F. (Duldungspflicht des Mieters) als „Verbesserung der Mietsache“ umschrieben sind. § 554 BGB a.F. wiederum hat im Wesentlichen den Inhalt der Vorgängerregelungen in §§ 541a, 541b BGB a.F. übernommen (BT-Drucksache 14/4553, S. 49).

     

    Angewendet auf den Streitfall bedeutet dies, dass die von der Klägerin geplanten „Modernisierungsmaßnahmen“ den Charakter der Mietsache grundlegend verändern würden. Bei solch weitreichenden Maßnahmen könne ‒ so der BGH ‒ nach der Verkehrsanschauung nicht entfernt mehr von einer bloßen Verbesserung der Mietsache i. S. e. nachhaltigen Erhöhung des Wohnwerts der Mietsache (§ 555b Nr. 4 BGB) oder einer dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse (§ 555b Nr. 5 BGB) gesprochen werden.

     

    Beachten Sie | Der BGH lässt offen, ob für einzelne Maßnahmen eine Duldungspflicht nach einer anderen Alternative des § 555b BGB (etwa Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 6) in Betracht käme. Grund: Die Klägerin hat nicht dargetan, dass sie für diese Maßnahmen eine isolierte Duldung beansprucht. Gleiches gilt, soweit das Gesamtkonzept der Klägerin auch von den Beklagten an sich nach § 555a Abs. 1 BGB zu duldende Instandhaltungsmaßnahmen umfasst.

     

    PRAXISHINWEIS | Will der Vermieter deren Duldung losgelöst von ihrem Gesamtbaukonzept, bei dem die einzelnen Gewerke aufeinander abgestimmt sind, durchsetzen, muss er dies in seinem prozessualen Vortrag klarstellen (etwa durch Stellung eines Hilfsantrags).

     

    Beachten Sie | Der BGH hat in NJW 72, ausgeführt, im Rahmen des § 242 BGB könne es je nach den Umständen des einzelnen Falls gleichwohl möglich sein, dass der Mieter Neubaumaßnahmen, die nicht unter § 541a Abs. 2 BGB fallen, dulden muss. Auch hier stehe die Frage nach der Zumutbarkeit im Vordergrund. Im Gegensatz zur Regelung in § 541a Abs. 2 BGB komme es aber nicht allein darauf an, ob dem Mieter die Beeinträchtigung, die die Baumaßnahme oder deren Durchführung mit sich bringt, zuzumuten sei. Vielmehr sei zunächst entscheidend, ob dem Vermieter die Unterlassung der geplanten Baumaßnahme oder deren Verschiebung bis zum Ende des Mietvertrags zugemutet werden könne. Die Frage, ob dem Mieter dennoch den Mietbesitz störende Neubaumaßnahmen zuzumuten seien, seien erst dann zu prüfen, wenn zuvor feststehe, dass dem Vermieter nicht zugemutet werden könne, die Baumaßnahmen zu unterlassen oder sie zu verschieben.

     

    An diesen Grundsätzen will der BGH offensichtlich festhalten, sieht aber für eine sich ausnahmsweise aus § 242 BGB ergebende Duldungspflicht bezüglich des beabsichtigten Maßnahmenpakets keine Anhaltspunkte.

     

    In einem Fall, in dem es allein darum geht, dem Vermieter eine günstigere wirtschaftliche Ausnutzung seines Grundstücks zu ermöglichen, wäre es nach den Grundsätzen NJW 72, 723 für den Vermieter ‒ anders als hier ‒ ohnehin nur dann unzumutbar, auf die geplanten Maßnahmen zu verzichten, wenn ohne diese die Wirtschaftlichkeit des Grundbesitzes gefährdet, etwa gar dessen Verlust zu befürchten ist.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Frage der Modernisierung durch einen Zweitbalkon, MK 17, 109
    Quelle: Ausgabe 02 / 2018 | Seite 25 | ID 45078277