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  • · Prozessrecht

    Verwertung von Erkenntnissen aus unzulässiger Videoüberwachung im Räumungsrechtsstreit?

    Bild: © SY - stock.adobe.com

    von VRinLG Astrid Siegmund, Berlin

    | Ohne Erlaubnis des Vermieters ist der Mieter nicht berechtigt, den Gebrauch der Mietsache einem Dritten zu überlassen, insbesondere sie weiter zu vermieten, § 540 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Untervermietung ohne Erlaubnis kann den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen ( BGH 25.10.23, VIII ZR 147/22 ; 2.2.11, VIII ZR 74/10 ), vorausgesetzt, er kann dem Mieter die Untervermietung nachweisen. Der BGH musste in einem Räumungsrechtsstreit entscheiden, ob die Vermieterin den Nachweis der Vertragsverletzung durch heimlich erstellte Videoaufnahmen führen darf. Die Mieterin konterte im Wege der Widerklage mit einem Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. |

    Sachverhalt

    Die Klägerin, ein landeseigenes Wohnungsunternehmen, verlangt als Vermieterin von den Beklagten die Räumung und Herausgabe zweier Mietwohnungen. Die Beklagte zu 1 macht widerklagend Ansprüche auf Geldentschädigung aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht ihrer Söhne, den Beklagten zu 2 und zu 3, wegen einer von der Klägerin veranlassten verdeckten Videoüberwachung der Wohnungseingangsbereiche durch eine Privatdetektivin geltend.

     

    Die Beklagte zu 1 ist Mieterin einer Vier-Zimmer-Wohnung in der Z-Str. 3, in der auch der Beklagte zu 3 lebt. Seit 2/08 ist sie auch Mieterin einer Fünf-Zimmer-Wohnung in der Z-Str. 2, in der der Beklagte zu 2 lebt. Dieser war in 9/12 als weiterer Mieter in das Mietverhältnis eingetreten. Die Beklagte zu 4 ist die Mutter der Beklagten zu 1 und unterhält nach dem Vortrag der Beklagten in der Wohnung Z-Str. 2 einen Nebenwohnsitz. Die Klägerin mahnte die Beklagte zu 1 in 1/17 wegen unberechtigter Untervermietung der Wohnung in der Z-Str. 2 ab, nachdem J. ihr in 10/16 mitgeteilt hatte, er lebe dort in einer Wohngemeinschaft mit drei anderen Mitbewohnern. Am 4.9.17 informierten Dritte die Klägerin über einen Polizeieinsatz in der Wohnung Z-Str. 3, dessen Grund Streitigkeiten zwischen der Beklagten zu 1, dem Beklagten zu 3 und zwei Untermieterinnen gewesen seien. Zu diesem Zeitpunkt wohnten in der Wohnung Z-Str. 2 drei Studenten zur Untermiete. Daraufhin mahnte die Klägerin die Beklagte zu 1 am 11.9.17 wegen unberechtigter Untervermietung beider Wohnungen ab. Am 25.9.17 besichtigte die zuständige Verwalterin der Klägerin beide Wohnungen und gelangte zu der Ansicht, die zur Untervermietung vorgesehenen Zimmer seien als solche klar erkennbar. Am 6.11.17 kontaktierte S. die Klägerin und teilte mit, dass er als Untermieter der Beklagten zu 1 einen Monat in der Wohnung in der Z-Str. 3 gewohnt habe. Die Klägerin erklärte am selben Tag eine erneute Abmahnung wegen unberechtigter Untervermietung.

     

    Die Klägerin beauftragte dann eine Detektei, die vom 9.11. bis zum 11.12.17 jeweils vom Treppenhaus aus den Eingangsbereich der Wohnungen mit versteckten Videokameras überwachte, die Aufnahmen speicherte und ein Protokoll darüber erstellte, wann welche Personen ein- und ausgegangen waren.

     

    Die Kameras waren gegenüber den Wohnungstüren installiert und erfassten bei geöffneter Tür den Eingangsbereich innerhalb der Wohnungen. Am 15.1.18 erklärte die Klägerin die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung beider Mietverhältnisse wegen der ungenehmigten Untervermietung. Anlässlich einer Ortsbesichtigung am 25.9.17 sei festgestellt worden, dass in der Z-Str. 3 zwei Zimmer zur Vermietung an Dritte hergestellt gewesen seien. In der Z-Str. 2 seien drei Zimmer in dieser Weise eingerichtet gewesen. Eine von ihr beauftragte Detektei habe festgestellt, dass die Wohnung Z-Str. 2 im Zeitraum vom 9.11. bis 11.12.17 sechs Männern und einer Frau überlassen worden sei, die jeweils mit eigenen Schlüsseln ein- und ausgegangen seien. In der Z-Str. 3 seien in dieser Zeit vier Personen (drei männliche und eine weibliche) als Bewohner identifiziert worden. Im Schriftsatz vom 19.2.18 sprach die Klägerin wegen desselben Sachverhalts erneut eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung beider Mietverhältnisse aus.

     

    Das AG hat die außerordentlichen Kündigungen vom 15.1.18 als wirksam angesehen und die Beklagten zur Räumung und Herausgabe der Wohnungen verurteilt ‒ die Beklagten zu 1 und 3 hinsichtlich der Wohnung in der Z-Str. 3, die Beklagten zu 1, 2 und 4 hinsichtlich der Wohnung in der Z-Str. 2. Den widerklagend von der Beklagten zu 1 wegen unrechtmäßiger Videoüberwachung geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 5.000 EUR hat es abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte zu 1 die Widerklage um an sie abgetretene Geldentschädigungsansprüche ihrer Söhne in Höhe von insgesamt 10.000 EUR erweitert.

     

    Das LG hat die Räumungsklagen auf die Berufung der Beklagten abgewiesen, die Berufung der Beklagten zu 1 betreffend den Geldentschädigungsanspruch aus eigenem Recht zurückgewiesen und die (erweiterte) Widerklage abgewiesen. Mit ihren Revisionen verfolgt die Klägerin die Räumungsansprüche und die Beklagte zu 1 die Geldentschädigungsansprüche weiter. Der BGH hat die Revisionen zurückgewiesen (BGH 12.3.24, VI ZR 1370/20, Abruf-Nr. 242191).

    Entscheidungsgründe

    Der BGH bestätigt die Entscheidung des LG im Ergebnis. Der Klägerin stehe aus keiner der ausgesprochenen Kündigungen ein Räumungsanspruch gegen die Beklagten zu, der Beklagten zu 1 allerdings ebenfalls ‒ weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht ‒ ein Geldentschädigungsanspruch.

     

    Räumungsansprüche der Klägerin

    Die Mietverhältnisse seien durch die auf eine unbefugte Gebrauchsüberlassung gestützten außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen der Klägerin nicht beendet worden. Ein wichtiger Grund (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB) und ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB) lagen nicht vor.

     

    Die Klägerin stützt die Kündigungen auf ihre Erkenntnisse zur unbefugten Gebrauchsüberlassung allein auf die Videoüberwachung der Wohnungseingangsbereiche, die die Detektivin verdeckt gewonnen hat. Diese Erkenntnisse dürfen ‒ so der BGH ‒ nach § 286 Abs. 1 ZPO im Rechtsstreit nicht berücksichtigt werden. Der gerichtlichen Verwertung der rechtswidrig erlangten Erkenntnisse stehen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) und ihr Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) entgegen.

     

    Beachten Sie | Die Rechtmäßigkeit der von der Detektivin durchgeführten Videoüberwachung der Wohnungseingangsbereiche beurteilt sich nach den zum Zeitpunkt ihrer Vornahme im Jahr 2017 geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Sie ist nach § 4 Abs. 1 BDSG in der bis zum 24.5.18 geltenden Fassung (nachfolgend: BDSG a. F.) unzulässig, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt ist und nicht auf die Erlaubnistatbestände der § 6b Abs. 1, § 28 Abs. 1 oder § 29 Abs. 1 BDSG a. F. gestützt werden kann. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG a. F. gilt das Gesetz für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch nicht-öffentliche Stellen, soweit sie die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeiten, nutzen oder dafür erheben oder die Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeiten, nutzen oder dafür erheben.

     

    Hier enthielten die Videoaufnahmen personenbezogene Daten i. S. d. § 3 Abs. 1 BDSG a. F., also Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht, unter den Begriff der personenbezogenen Daten in diesem Sinne (EuGH 11.12.14, C-212/13). Der Privatdetektivin war es ausweislich der von ihr erstellten Protokolle möglich, die Beklagten zu 1 und zu 3 auf den Aufnahmen zu identifizieren und festzustellen, zu welchen Zeitpunkten sie die Wohnungen betreten und verlassen haben. Eine Überwachung mittels einer Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung stellt auch eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten dar.

     

    Der Erlaubnistatbestand des § 6b Abs. 1 BDSG a. F. greift nicht, weil es sich bei den überwachten Bereichen nicht um öffentlich zugängliche Räume handelt. Hinsichtlich der Bereiche in den Wohnungen war diese Voraussetzung nicht gegeben. Auch für die im Wohngebäude gelegenen Bereiche einschließlich Treppen sei ‒ so der BGH ‒ regelmäßig davon auszugehen, dass sie nicht öffentlich, sondern nur den Bewohnern und ihren Besuchern zugänglich sind. Die Videoaufzeichnung ist auch nicht gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG a. F. erlaubt.

     

    MERKE | Nach diesen Vorschriften, die Art. 7 der Datenschutz-Richtlinie umsetzen (ABl. EG 1995 L 281 vom 23.11.95, S. 31), können etwaige eigene geschäftliche Interessen der Privatdetektivin oder Interessen der Klägerin als Empfängerin der Daten die Datenverarbeitung rechtfertigen. Der BGH schließt diese Möglichkeit im Rahmen seiner Abwägung der widerstreitenden Interessen aber aus. Er berücksichtigt dabei, dass von der Videoüberwachung nicht nur die Beklagten betroffen sind, sondern auch etwaige Untermieter und Besucher.

     

    Unionsgrundrechte als Abwägungsmaßstab auch im Privatrecht

    Maßstab bei der Abwägung sind aufseiten der von der Videoüberwachung betroffenen Personen nicht deren Grundrechte aus dem GG, sondern allein die Grundrechte der Europäischen Grundrechtecharta (wie das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 GRCh, das Recht auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh). Ebenso, wie die Grundrechte des Grundgesetzes, gewährleisten auch die Grundrechte der Charta Schutz nicht nur im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern auch in privatrechtlichen Streitigkeiten. Sie können einzelfallbezogen in das Privatrecht hineinwirken.

     

    Der BGH stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des Rechts der Betroffenen auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten durch die Videoüberwachung fest. Die Aufzeichnungen über einen Zeitraum von mehr als vier Wochen bilden nicht nur den jeweiligen Treppenhausbereich unmittelbar vor den Wohnungstüren, sondern auch den Bereich in den Wohnungen ab, der bei geöffneter Tür für die Kameras einsehbar war. Die Aufzeichnungen dokumentieren lückenlos, wann, wie oft und in welcher Begleitung, in welcher Stimmung, mit welchem Gesichtsausdruck und in welcher Bekleidung die Betroffenen die jeweilige Wohnung betreten, verlassen oder auch nur die Tür geöffnet haben. Aufgrund der Heimlichkeit der Aufzeichnungen hatten die Betroffenen keine Möglichkeit, hiergegen Abwehrstrategien zu entwickeln und selbst zu entscheiden, ob sie diese ihrem Privatleben zuzurechnenden Informationen preisgeben wollen oder nicht. Zwar muss der Einzelne außerhalb des besonders geschützten Bereichs seiner verschlossenen Wohnung damit rechnen, Gegenstand von Wahrnehmungen Dritter zu werden. Im nicht für die Allgemeinheit zugänglichen Bereich des Treppenhauses eines Mehrparteiengebäudes gilt dies aber nur insoweit, als sich Dritte wahrnehmbar dort befinden.

     

    Interessen der Privatdetektivin und der Vermieterin

    Auf der datenverarbeitenden Seite berücksichtigt der BGH das Interesse der Privatdetektivin, im Rahmen ihrer gewerblichen und in den Schutzbereich des Art. 16 GRCh fallenden Tätigkeit die vereinbarte Dienstleistung zu erbringen. Aus Sicht der Klägerin als Empfängerin der Daten sollte die Videoüberwachung der Feststellung dienen, ob die Beklagte zu 1, die den Gebrauch der Mietsachen bereits in der Vergangenheit ohne Genehmigung Dritten überlassen hatte, sich weiterhin vertragswidrig verhielt. Die Videoüberwachung sollte es der Klägerin zudem ermöglichen, im Prozess den ihr obliegenden Beweis zu führen.

     

    Die Interessen der von der Videoaufzeichnung Betroffenen überwiegen auch deshalb, weil der Detektivin und der Klägerin mildere Mittel zur Erreichung des angestrebten rechtlich zulässigen Zwecks zur Verfügung standen. Der Beweis der unerlaubten Untervermietung sei erheblich grundrechtsschonender auch über Indizien zu führen gewesen, wie gezielte Scheinanmietungen oder die Befragung von Nachbarn, Hausbediensteten und sonstigen Dritten.

     

    Verwertung der rechtswidrig gewonnenen Erkenntnisse im Zivilprozess?

    Die durch die rechtswidrige Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse dürfen nach § 286 Abs. 1 ZPO im Rechtsstreit nicht berücksichtigt werden. Ob die auf der unzulässigen Videoüberwachung beruhenden Erkenntnisse der Klägerin im Räumungsprozess verwertet werden dürfen, beurteilt der BGH nach der DS-GVO, die während des erstinstanzlichen Verfahrens in Kraft trat.

     

    Beachten Sie | Die DS-GVO gilt auch für Verarbeitungsvorgänge der Gerichte vorbehaltlich bestimmter Modifikationen, die die Verordnung für den Fall erlaubt, dass die Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit handeln. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. e DS-GVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Von der Erforderlichkeit in diesem Sinne ist auszugehen, wenn die Zivilgerichte die ihnen durch das nationale Recht übertragenen gerichtlichen Befugnisse ausüben. Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung im deutschen Zivilprozess sind die Regelungen der ZPO über die Berücksichtigung von Parteivorbringen und Beweisangeboten, insbesondere die § 286 Abs. 1, §§ 355 ff. ZPO. Diese verpflichten das Gericht, das Vorbringen der Parteien vollständig zur Kenntnis zu nehmen, erheblichen Beweisanträgen nachzugehen und sich seine Überzeugung unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu bilden. Von der Verpflichtung, den gesamten Inhalt der Verhandlung vollständig zu berücksichtigen, sind Erkenntnisse, die eine Partei rechtswidrig erlangt hat, nicht grundsätzlich ausgenommen. Die Unzulässigkeit der Informationsgewinnung führt nicht ohne Weiteres zu einem Verbot der Verwertung im gerichtlichen Verfahren.

     

    Ein Verwertungsverbot könne sich aber ‒ so der BGH ‒ aus einer verfassungskonformen Auslegung der zivilprozessualen Bestimmungen ergeben. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folge auch die Pflicht zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts. Bei der Verwertung von heimlich verschafften persönlichen Daten sowie Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, habe das Gericht zu prüfen, ob dies mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1 GG) vereinbar ist. Ob der in der gerichtlichen Verwertung liegende Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist, richte sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem gegen die Verwertung streitenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht ‒ und ggf. weiteren betroffenen Rechtspositionen ‒ auf der einen und einem für die Verwertung sprechenden rechtlich geschützten Interesse auf der anderen Seite.

     

    Zugunsten der Klägerin waren ihr Interesse an der Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche und ihr Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG i. V. m. dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und an einer materiell richtigen Entscheidung in die Abwägung einzustellen, aufseiten der Beklagten ihr Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Letztere überwiegen nach dem BGH, wobei erneut ins Gewicht fällt, dass die Klägerin sich nicht in Beweisnot befand, da ihr mildere Mittel zum Nachweis etwa anhaltender Gebrauchsüberlassungen zur Verfügung standen.

     

    Kein Geldentschädigungsanspruch der Beklagten

    Die Beklagte zu 1 hat weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen der Videoüberwachung nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Nach der st. Rspr. des BGH begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

     

    MERKE | Danach ist eine Geldentschädigung hier nicht erforderlich. Zwar ist die Beeinträchtigung der räumlichen Privatsphäre der Beklagten zu 1 und ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erheblich. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich bei der Klägerin um ein landeseigenes Unternehmen handelt, das unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist. Andererseits sei der rechtswidrige Eingriff nicht gegen die Grundlagen ihrer Persönlichkeit gerichtet gewesen. Der unantastbare Kernbereich der privaten Lebensgestaltung sei nicht tangiert. Die Klägerin habe auch nur fahrlässig gehandelt. Die für die Klägerin handelnde Person habe irrtümlich angenommen, dass die Überwachungsmaßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahre. Beweggrund für das Handeln der Klägerin war es, in Erfahrung zu bringen und ggf. beweisbar zu machen, ob und wenn ja, welchen Dritten die Wohnungen zur Nutzung überlassen wurden. Dies geschah auch nicht ohne jeden nachvollziehbaren Anlass, sondern vor dem Hintergrund, dass es zuvor schon Gebrauchsüberlassungen gegeben hatte. Die Beklagte habe eine gewisse Genugtuung bereits erfahren, indem die Rechtswidrigkeit der Videoüberwachung und -aufzeichnung im vorliegenden Verfahren festgestellt wird und ein Verbot der Verwertung der daraus gewonnenen Erkenntnisse zur Folge hat. Aus denselben Gründen sieht der BGH auch keine Geldentschädigungsansprüche der Beklagten zu 2 und zu 3. Offen lässt er, ob solche Ansprüche überhaupt hätten abgetreten werden können.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Einführung heimlicher Videoaufnahmen als Beweismittel im Zivilprozess löst beim Zivilrechtler zumindest Unbehagen aus. Die Entscheidung bestätigt: Sie ist eher keine Option. Der Streitfall zeigt aber auch: Der gerichtsfeste Nachweis ‒ oft geradezu geschäftsmäßig betriebener ‒ unerlaubter Untervermietung von Wohnungen durch Mieter, aber auch Fälle der mutwilligen Zerstörung oder Verschmutzung von Gemeinschaftsflächen in Mehrfamilienhäusern, stellen Vermieter vor große Herausforderungen. Die Gründe, aus denen der BGH die Vermieterin im Streitfall dennoch nicht in Beweisnot sieht, lassen sich auch als (alternative) Handlungsempfehlung verstehen.

     

    Die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Entscheidung liegt in der profunden Aufarbeitung der Rechtsgrundlagen für die im Zivilprozess unvermeidbare Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Gerichte.

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2025 | Seite 24 | ID 50277325

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