· Fachbeitrag · Räumungsklage
Wann ist die öffentliche Zustellung zulässig?
(BGH 4.7.12, XII ZR 94/10, Abruf-Nr. 122412) |
Sachverhalt
Beim Abschluss des schriftlichen Wohnungsmietvertrags wurde der Kläger durch die Streithelferin der beklagten Mieterin vertreten, die mit der Verwaltung der Wohnung beauftragt war. Die Beklagte legte sie mit zwei angrenzenden Wohnungen anderer Eigentümer zusammen, die sie ebenfalls über die Streithelferin anmietete und betrieb dort ein Bordell. Als er dies erfuhr, kündigte der Kläger fristlos. Anders als die Kündigung konnte die Räumungsklage der Beklagten unter der Adresse der Wohnung nicht mehr zugestellt werden. Der Kläger veranlasste eine Nachfrage beim Einwohnermeldeamt sowie eine Anschriftenprüfung durch die Deutsche Post AG. Auf seinen Antrag ordnete das AG öffentliche Zustellung der Klage an und erließ im schriftlichen Vorverfahren ein VU. Dieses wurde der Beklagten ebenfalls öffentlich zugestellt (2.3.09). Am 20.5.09 legte sie Einspruch ein und beantragte erfolglos Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist. Das AG hat den Einspruch als unzulässig verworfen. Das LG hat das VU aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision hat Erfolg.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Nach § 185 S. 1 Nr. 1 ZPO kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist. Die öffentliche Zustellung kann ein probates Mittel für den Vermieter zur prozessualen Durchsetzung seiner Ansprüche bei unbekanntem Aufenthalt des Mieters sein (Goebel, MK 08, 122), sofern Vermieter und Gericht hierbei die Vorgaben des Art. 103 GG einhalten. Grund: Die ordnungsgemäße Erfüllung der Zustellungsvorschriften soll gewährleisten, dass der Adressat Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung darauf einrichten kann. Insoweit dienen sie der Verwirklichung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Deshalb ist eine öffentliche Zustellung nur als letztes Mittel zulässig, wenn alle zumutbaren Versuche gescheitert sind, den unbekannten Aufenthaltsort des Adressaten zu ermitteln, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BVerfG NJW 88, 2361).
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