· Fachbeitrag · Schönheitsreparaturen
Sind abgerissene Tapeten in einer unrenoviert übergebenen Wohnung ein Schaden?
| Ist das teilweise Abreißen von Tapeten einer seit Jahrzehnten unrenovierten Wohnung als haftungsbegründender Tatbestand zu sehen? Inwieweit hängt ein Ersatzanspruch des Vermieters von dem Zustand des Mietobjekts vor Beginn ab, wenn der Mieter mit der Renovierung beginnt, diese aber später abgebrochen wird? Mit diesen Fragen musste sich der BGH auseinandersetzen. |
Sachverhalt
Der Beklagte war vier Jahre lang Mieter einer Doppelhaushälfte. Die Klägerin übergab ihm das Haus zu Mietbeginn unrenoviert. Darin befand sich eine rund 30 Jahre alte Mustertapete, die sich ‒ so der Beklagte ‒ teilweise bereits gelöst habe. Nach seinem Vortrag war sie nicht zum Überstreichen geeignet, aber vor seiner Besitzzeit mehrfach überstrichen worden. In der Folgezeit, in der die Parteien kurzzeitig eine Beziehung miteinander führten, erklärte die Klägerin dem Beklagten, er könne in dem Haus „renovieren wie er es möchte“. Der Beklagte begann daraufhin, die Tapeten in den Fensterlaibungen der Küche und an Teilen der Flurwände abzureißen. Er führte die Renovierung der Wände jedoch nicht zu Ende. Vielmehr stellte er die weiteren Arbeiten ein, nachdem er erfahren hatte, dass die Klägerin das Haus verkaufen wollte. Er gab das Haus in diesem Zustand an die Klägerin zurück.
Deren Klage auf Ersatz von Renovierungskosten in Höhe von 9.307,15 EUR scheitert vor dem Amtsgericht. Das LG verurteilt den Beklagten unter Verrechnung mit der von ihm gezahlten Kaution, an die Klägerin 645,14 EUR zu zahlen.
Entscheidungsgründe
Der BGH hebt das Urteil auf und verweist die nicht entscheidungsreife Sache gemäß § 563 Abs. 1 S. 1 ZPO an das Berufungsgericht zurück (24.7.19, VIII ZR 263/17, Abruf-Nr. 211032). Das LG meinte, der Klägerin sei ‒ unabhängig vom Alter und Zustand der vom Beklagten entfernten Tapetenteile ‒ ein Schaden in Höhe von 80 Prozent der Kosten entstanden, die für eine Neutapezierung der betreffenden Wände erforderlich wären. Das sah der BGH anders:
- Mit seinem Vortrag hat der Beklagte geltend gemacht, dass die vorhandene Dekoration angesichts ihres Alters und Zustands ohnehin wertlos gewesen sei. Indem er einige abgelöste Tapetenteile entfernt habe, sei überhaupt kein Schaden entstanden. Das Berufungsgericht durfte nach Ansicht des BGH daher nicht entscheiden, ohne Feststellungen zum Alter und zum Zustand der (angeblich) beschädigten Sache zu treffen.
- Die Überlegung des LG, der Klägerin sei ‒ unabhängig vom Zustand und Alter der Tapeten ‒ deshalb ein Schaden fast in Höhe des Neuwerts entstanden, weil der Beklagte „in die Entscheidungsfreiheit der Klägerin“ eingegriffen habe, geht fehl. Es ist nicht im Ansatz nachvollziehbar, inwiefern die durch die Schädigungshandlung des Beklagten angeblich vereitelte Möglichkeit der Klägerin, das Haus nach Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten mit einer renovierungsbedürftigen Dekoration weiter zu vermieten, es rechtfertigen könnte, den Wert einer völlig verschlissenen Dekoration fast mit dem Neuwert anzusetzen.
Relevanz für die Praxis
Der Mieter ist aus § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten. Das heißt: Er muss die Räume aufgrund seiner Obhutspflicht schonend und pfleglich behandeln. Er muss alles unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann. Wird diese nicht leistungsbezogene Nebenpflicht verletzt, haftet der Mieter dem Vermieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Schadenersatz. Es muss zuvor keine Frist gesetzt werden (BGH MK 18, 130, Abruf-Nr. 200439). An dieser Auffassung hält der BGH fest.
Hieran gemessen kann eine Pflichtverletzung des Mieters ‒ wie es das LG zutreffend angenommen hat ‒ auch darin liegen, dass er ohne anschließend neue Tapeten anzubringen, in der Mietwohnung vorgefundene Tapeten ganz oder teilweise entfernt. Folge: Er muss einen dadurch verursachten Schaden nach § 280 Abs. 1 BGB ersetzen. Damit ist zugleich die streitentscheidende Frage angesprochen: Kann dem Vermieter ein ersatzfähiger Schaden entstanden sein, wenn der Mieter eine seit Jahrzehnten aufgebrachte und mehrfach überstrichene Mustertapete (teilweise) ersatzlos entfernt hat?
Wer zum Schadenersatz verpflichtet ist, muss nach § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend, muss der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld entschädigen, § 251 Abs. 1 BGB. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen.
Der BGH moniert deshalb zu Recht, dass das LG dem bestrittenen Vortrag des Beklagten hätte nachgehen und das Alter und den Zustand der (angeblich) beschädigten Sache hätte feststellen müssen.
Beachten Sie | Der Vermieter ist im Rahmen des von ihm geltend gemach-ten Schadenersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1 BGB für das Entstehen und die Höhe des geltend gemachten Schadens darlegungs- und beweisbelastet.
Treffen die Behauptungen des Beklagten zum Alter und Zustand der Tapeten zu, wird sich ein messbarer Schaden kaum feststellen lassen. Tapeten sind nach der Lebenserfahrung nach 30 Jahren (oder früher) verschlissen und erneuerungsbedürftig. Das gilt erst recht, wenn sie ‒ wie hier ‒ mehrfach überstrichen gewesen sein sollen.