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  • · Fachbeitrag · Zahlungsausfall

    Wie sicher sind „Hartz-IV-Mieten“?

    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

    | Ist der Mieter Sozialhilfeempfänger, kommt es schnell zu Problemen bei der Zahlung der Wohnungsmiete. Dabei hat er als Sozialhilfeberechtigter Anspruch auf Zahlung von Beihilfen für Unterkunft und Heizung. Nach dem Grundmodell des § 22 SGB II wird direkt an ihn ausgezahlt. Oft genug aber erreichen diese Beihilfen den Vermieter nicht. Dann ist guter Rat teuer: Kann der Vermieter sich direkt an die ARGE (Jobcenter) wenden und Zahlung verlangen? Kann er wenigstens (fristlos) wegen Zahlungsverzugs kündigen? Und schließlich: Kann er Zahlungsausfällen vorbeugen? |

    1. Direkter Mietanspruch gegen den Sozialmieter

    Völlig unspektakulär ist die Geltendmachung eines Mietanspruchs aus § 535 Abs. 2 BGB gegen den Mieter aus dem Mietvertrag. Nur nützt dies in der Praxis wegen regelmäßiger Vermögenslosigkeit und/oder Privatinsolvenz des Mieters nichts.

    2. Direkter Mietanspruch gegen die ARGE?

    Ein direkter Anspruch des Vermieters gegen die ARGE auf Zahlung der ausstehenden Wohnungsmiete besteht nicht. Das hat sowohl die sozialgerichtliche als auch die zivilrechtliche Rechtsprechung einmütig so vertreten.

     

    Sozialrechtlich gilt: Auch wenn die ARGE direkt an den Vermieter zahlt, erwirbt er damit keine eigenen Zahlungsanspruch, sondern ist nur empfangsberechtigt. Dies gilt auch, wenn aufgrund eines entsprechenden Antrags des sozialhilfeberechtigten Mieters direkt von der Behörde an den Vermieter gezahlt wird (§ 22 Abs. 7 S. 1 SGB II). Selbst wenn es in der Vergangenheit bereits zu Zahlungsunregelmäßigkeiten gekommen ist und die ARGE zur zweckgerechten Verwendung von Unterkunfts- und Heizungsbeihilfen direkt an den Vermieter zahlt (§ 22 Abs. 7 S. 2 SGB II) ergibt sich daraus kein Zahlungsanspruch.

     

    Auch eine zusätzliche Abtretung des Arbeitslosengeldes II in Höhe der Miete an den Vermieter ändert daran nichts. Denn sie bedarf um wirksam zu sein, eines zeitlich vorhergehenden Verwaltungsakts der Sozialbehörde nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I. Dieser Verwaltungsakt muss feststellen, dass die Abtretung im wohlverstandenen Interesse des Leistungsempfängers - also des Mieters - liegt. Schließlich enthält die Bewilligung von Arbeitslosengeld II inklusive der Unterkunfts- und Heizungsbeihilfen keinen Schuldbeitritt der ARGE zur Pflicht des Mieters aus dem Mietvertrag, die Miete sofort an den Vermieter zu zahlen.

     

    Das LSG Bayern bündelt diese Grundsätze der sozialgerichtlichen Rechtsprechung in seinem Beschluss vom 5.8.15 (LSG Bayern NJW-Spezial 15, 705, nicht rechtskräftig, Revision zum BSG eingelegt B 14 AS 33/15 R).

    3. Der Fall des LSG Bayern

    Vermieter V vermietet an Mieter M, der vom Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II erhält. Unter § 19 „Wohngeld“ ist im Mietvertrag folgendes vereinbart: „Der Mieter stimmt gemäß § 28 WoGG oder einer Nachfolgebestimmung der unmittelbaren Auszahlung des Wohngeldes an den Vermieter schon jetzt zu. Dies gilt auch für eine eventuelle Hausbrandbeihilfe oder eine Mietbeihilfe des Sozialamtes und Zahlungen der Arbeitsagentur oder des Jobcenters für Miete, Heiz- und sonstige Nebenkosten. Der Vermieter ist berechtigt, diesen Mietvertrag den zuständigen Behörden, Agenturen usw. offen zu legen. Der Mieter hat die Abtretung von Wohngeld und/oder Mietzuschüssen, den leistenden Behörden und Einrichtungen von sich aus offen zu legen. Der Vermieter kann jederzeit Einsicht in die Antragsunterlagen und Bewilligungsbescheide verlangen.“

     

    Zunächst werden die Unterkunftskosten durch das Jobcenter direkt an V ausgezahlt. Mit Schreiben vom 17.9.12 beantragt M, die monatliche Miete direkt an V zu überweisen. Dem kommt das Jobcenter ab der Miete für November 2012 nach. Das Jobcenter teilt dies dem M mit. Mit Schreiben vom 27.12.12 beantragt der Mieter, dass die Miete wieder auf sein eigenes Konto überwiesen werde. Ab dem 1. Februar 2013 wird so verfahren. Auch unter Berufung auf die Abtretung verlangt V vom Jobcenter die Zahlung rückständiger sowie zukünftiger Mieten einschließlich Nebenkosten. Ebenso teilt er dem Jobcenter mit, der Sozialhilfe erhaltende M würde die Unterkunftsbeihilfe nicht an V auskehren, sondern verpulvern. Das Jobcenter zahlt trotzdem nicht, V klagt vor dem SG, danach vor dem LSG.

    4. Die Lösung des LSG Bayern

    Das LSG Bayern weist die Zahlungsklage gegen das Jobcenter ab. Eine Anspruchsgrundlage auf Zahlung von Miete und Nebenkosten ergebe sich aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Die Frage, ob § 19 des Mietvertrags überhaupt eine wirksame Abtretung enthalte, könne offen bleiben, weil sie vom Jobcenter zuvor nicht in Feststellung des wohlverstandenen Interesses des Sozialhilfeempfängers genehmigt worden sei. Ohne diesen Genehmigungsakt aber sei die Erklärung schwebend unwirksam. Die Feststellung des wohlverstandenen Interesses mit Genehmigung der Erklärung könne auch nicht rückwirkend erstritten werden, wenn die Leistung im vollen Umfange bereits an den Berechtigten erbracht worden sei (mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

     

    Im Übrigen bestünden erhebliche Zweifel daran, ob neben § 22 Abs. 7 S. 2 SGB II zur direkten Auszahlung an den Vermieter bei der Gefahr zweckwidriger Verwendung der Mittel ein wohlverstandenes Interesse an einer - angenommenen - Abtretung von Leistungen bestehen könne. Dagegen spreche, dass eine Abtretung nicht jederzeit beendet werden könne. Die Feststellung des besonderen Interesses diene vor allem dem Schutz des Sozialleistungsberechtigten und bedürfe der Form eines gesonderten privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts (mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Eine lediglich verwaltungsinterne Entscheidung genüge nicht.

     

    Auch aus eigenem Recht stünden V keine Zahlungsansprüche zu, weder aus Vertrag, noch aus Gesetz. Das gelte zunächst für § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II. Danach könne der Leistungsberechtigte die Zahlung an den Vermieter beantragen. Ohne einen derartigen Antrag entfalte eine Klausel in einem Mietvertrag mit der Verpflichtung zu einer Direktzahlung keine Wirkung. Vor allem sei der Vermieter nicht antragsberechtigt. Den gestellten Antrag auf Direktzahlung aber habe der Mieter wieder widerrufen, weshalb das beklagte Jobcenter die Direktzahlung an den Vermieter eingestellt habe.

     

    Ein Zahlungsanspruch des V gegen das Jobcenter ergebe sich auch nicht aus § 22 Abs. 7 S. 2 SGB II. Auch diese Norm diene ausschließlich dem Schutz des Leistungsberechtigten und begründe keinen eigenen Anspruch des Vermieters. Falls der Leistungsträger einer Direktzahlung an den Vermieter verfüge, folge daraus nur eine Empfangsberechtigung des Vermieters (mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Ein eigener Leistungsanspruch des V sei damit nicht verbunden. Die Direktzahlung erfülle ausschließlich den Leistungsanspruch des leistungsberechtigten M aus § 22 Abs. 1 SGB II (mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

     

    Schließlich verkörpere die Gewährung von Unterkunfts- und Heizungsbeihilfen sowie einer erfolgende Direktzahlung an den Vermieter keinen Schuldbeitritt des Jobcenters zu den mietvertraglichen Verpflichtungen des Mieters gegenüber dem Vermieter. Schließlich stehe dem V gegen das Jobcenter kein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II zu. Abgesehen davon, dass es an einem hierfür notwendigen Antrag mangele, habe der Vermieter auch kein eigenes Antragsrecht. Es handele sich vielmehr um eine Leistung für Leistungsberechtigte - deren persönliche Lebensbereich „Wohnung“ solle geschützt werden. Dazu würden sie in der Regel mit einem Darlehen und einer Aufrechnung belastet (§ 22 Abs. 8 S. 4, § 42a SGB II).

     

    Damit zeigt sich, dass in strenger Trennung zwischen sozialrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Mieter und Jobcenter einerseits und mietvertraglichen Beziehungen privatrechtlicher Natur zwischen Mieter und Vermieter andererseits dem Vermieter keinerlei Rechte aus sozialrechtlichen Verflechtungen zugestanden werden, dies selbst dann nicht, wenn es zu Zusagen und direkten Zahlungen an ihn durch das Jobcenter gekommen ist! Selbst für erklärte Abtretungen oder Anträge auf direkte Leistung an den Vermieter gibt es keine „Ewigkeitsgarantie“. Sie können vom Mieter und/oder von der Behörde nach Belieben und Gutdünken wieder „kassiert“ werden.

     

    Fehlen - wie in aller Regel üblich - besondere Anhaltspunkte zu einer rechtlich bindenden Erklärung der ARGE gegenüber dem Vermieter kann eine Genehmigungserklärung des Mietvertrags mit der Ankündigung, die Miete direkt an den Vermieter zu zahlen, nur als bloße Mitteilung einer Tatsache verstanden werden, ohne das der ARGE ein diesbezüglicher Rechtsbindungswille unterstellt werden kann.

     

    Die ARGE muss also trotz der Mietübernahmeerklärung weder Miete noch Betriebskosten direkt an den Vermieter entrichten. In der Praxis relevant sind vor allem die Fälle, in denen der Sozialhilfe berechtigte Mieter zum Beispiel seinen verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten gegenüber der ARGE nicht genügt und etwa Informationen über etwaige Hinzuverdienste oder die aktuelle Zusammensetzung seines Haushalts (Bedarfsgemeinschaft) unterlässt. Dann gehen die Behörden schlicht davon aus, dass Sozialhilfeansprüche nicht mehr bestehen, klappen den Aktendeckel zu und stellen die Zahlungen an den Vermieter kommentarlos ein. So auch in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall. Der Vermieter berief sich dagegen auf die vorab erteilte Mietübernahmeerklärung sowie auf den ausdrücklich behördlich genehmigten Mietvertrag - erfolglos. Weder aus öffentlich - rechtlichen Beziehungen zur Behörde noch zivilrechtlich könne der Vermieter aus der Mietübernahmeerklärung vorgehen. Denn die Behörde wolle mit einem solchen Schreiben nur eine Tatsache - die beabsichtigte direkte Zahlung - mitteilen, sich aber nicht rechtlich dazu verpflichten. Da fragt man sich, was dann eine solche „Mietübernahmeerklärung“ überhaupt noch wert ist?

     

    PRAXSISHINWEIS | In der Sache hilft deshalb nur eine „Mietgarantie“. Bei einer Mietgarantie des Sozialhilfeträgers kann es sich um eine öffentliche Zusage, die Miete sowie die Nebenkosten gleich an den Vermieter zu zahlen, mit mietrechtlich verpflichtender Wirkung handeln (BVerwG NJW 94, 2168). Auch ein privatrechtlicher Schuldbeitritt kann anzunehmen sein (OVG Berlin NJW 84, 2593).

     

    Dabei ist aber zu beachten, dass auch eine solche Verpflichtungserklärung des Sozialamts im Regelfall nicht stets einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Vermieters gegenüber dem Sozialamt begründet (OVG Bremen, NJW 90, 1313). Anspruchsbegründend kann eine Erklärung des Sozialamtes nur sein, wenn sie gegenüber dem Vermieter ohne jede einschränkende Bedingung und mit dem unmittelbaren Rechtsbindungswillen des Sozialamtes, für die Miete des Mieters einzustehen, erfolgt (Palandt-Grüneberg, BGB, 75. Aufl., Überblick vor § 414 BGB, Rn. 6).

     

    Anspruchsbegründend ist eine solche Garantieerklärung mit Rechtsbindungswillen auch nur dann, wenn der Leistungsberechtigte auch tatsächlich in die Wohnung einzieht (LG Berlin NJW-RR 01, 1090). Im Hinblick auf die Geltungsdauer und im Hinblick auf die Höhe der Miete einschließlich Nebenkosten wird die Erklärung zusätzlich durch die Sozialhilfebedürftigkeit des Mieters begrenzt (Palandt-Grüneberg, Überblick vor § 414 BGB, Rn. 6 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Auf Renovierungskosten erstreckt sie sich im Zweifel nicht (so: LG Lüneburg NJW 89, 1288).

     

    Nun kann man sich zwar auf den Standpunkt stellen, grundsätzlich ohne Mietgarantieerklärung des Sozialhilfeträgers nicht an Sozialhilfe beziehenden Mieter zu vermieten, aber - wie zu zeigen war - ist dieses Parameter wieder durchlöchert, einerseits schon durch die sehr hohen Hürden einer Annahme einer Garantieerklärung im Wege der Auslegung und zum anderen im Hinblick auf ihre zeitliche Geltungsdauer sowie auch auf die Höhe der garantierten Mietzahlungen. Einen wirklich sicheren Weg bietet also selbst eine Mietgarantieerklärung aus Sicht des Vermieters nicht.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 86 | ID 43998533