· Fachbeitrag · Prozessrecht
Rechtsweg für eine Schadenersatzklage des Arbeitnehmers gegen einen Organvertreter des Arbeitgebers
| Für die Schadenersatzklage eines Arbeitnehmers gegen die Organvertreterin seines Arbeitgebers (hier: Präsidentin bzw. Vorstandsvorsitzende eines Vereins) wegen datenschutzrechtlicher Verstöße und einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG eröffnet. |
Der Fall
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO sowie hilfsweise nach § 823 Abs. 1 BGB und in diesem Zusammenhang vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten.
Die Beklagte war Präsidentin des R. e.V. und als solche Mitglied des geschäftsführenden Präsidiums des Vereins. Das geschäftsführende Präsidium wiederum ist der Vereinsvorstand im Sinne von § 26 BGB. Der Arbeitnehmer ist beim eingetragenen Verein als technischer Leiter beschäftigt. Als er erkrankte, versendete die Beklagte Gesundheitsdaten in einem Mitgliederrundbrief an knapp 10.000 Vereinsmitglieder.
Mit seiner beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt er von der Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds, das 17.000 EUR nicht unterschreiten sollte. Er verklagte bewusst nicht seinen Arbeitgeber, um diesen aus den Streitigkeiten mit der Beklagten herauszuhalten. Er ist der Ansicht, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet. Es handele sich um einen Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmern. Die Beklagte habe als Mitarbeiterin eine unerlaubte Handlung begangen. Diese stehe in einer inneren Beziehung zum Arbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht erklärte den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG eröffnet, da es sich nicht um eine Streitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber handele. Der Arbeitnehmer habe ausdrücklich erklärt, dass er sein Arbeitsverhältnis mit seinem Arbeitgeber aus der Streitigkeit mit der Beklagten heraushalten möchte. Eine Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte ergebe sich zudem nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG. Der Rechtsstreit habe keine unerlaubte Handlung zwischen zwei Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit zum Gegenstand. Denn der Arbeitnehmer und die Beklagte seien nicht durch gemeinsame Arbeit als Arbeitnehmer miteinander verbunden gewesen. Vielmehr sei die Beklagte im Zeitpunkt der behaupteten Datenschutzverletzung bzw. unerlaubten Handlung Präsidentin des Arbeitgebers des Klägers gewesen. Sie sei damit Organ im Sinne von § 26 BGB und gerade keine Arbeitnehmerin gewesen.
Die Entscheidung
Das LAG Düsseldorf (1.7.24, 3 Ta 85/24, Abruf-Nr. 242924) kam zum Ergebnis, dass das Arbeitsgericht seine Rechtswegzuständigkeit zu Unrecht verneint habe. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei vielmehr eröffnet. Zwar nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG, aber nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG. Ob sich der Arbeitnehmer auf diese Zuständigkeitsregelung berufe, sei unerheblich. Die Rechtswegprüfung von Amts wegen sei auf Grundlage des Sachverhalts, aber ohne Beschränkung auf vorgetragene Rechtsansichten vorzunehmen.
Es entspreche der BAG-Rechtsprechung und auch der Instanzgerichte, dass für Klagen von Arbeitnehmern gegen Organvertreter ihres Arbeitgebers aus im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden unerlaubten Handlungen der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG begründet sei (BAG 24.6.96, 5 AZB 35/95; LAG Baden-Württemberg 29.7.14, 13 Ta 20/14; LAG Hamm 6.10.05, 2 Ta 899/04).
Organvertreter wie die Beklagte seien nicht Arbeitgeber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, denn Arbeitgeber könne nur sein, wer selbst Vertragspartner eines Arbeitnehmers oder einer arbeitnehmerähnlichen Person sei (BAG 24.4.18, 9 AZB 62/17; BAG 1.8.17, 9 AZB 45/17; BAG 24.6.96, 5 AZB 35/95). Bei juristischen Personen entstehe dadurch eine mit Systematik und Sinn und Zweck des § 2 ArbGG nicht in Einklang zu bringende Lücke in der Rechtswegzuweisung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten zur Arbeitsgerichtbarkeit. Denn während unerlaubte Handlungen, die eine natürliche Person als Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer begehe, ebenso (nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG) in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fielen wie solche, die ein Arbeitnehmer einem anderen Arbeitnehmer zufügt (nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG), werde die unerlaubte Handlung eines Organvertreters gegenüber dem Arbeitnehmer nicht direkt erfasst.
Mit der Systematik des § 2 Abs. 1 ArbGG wäre jedoch unvereinbar, denselben Gegenstand (unerlaubte Handlung gegenüber einem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis) nur deshalb nicht den Arbeitsgerichten zuzuweisen, weil Täter ein Organvertreter des Arbeitgebers ist. Die juristische Person selbst könne ohnehin nicht Täter sein, sondern nur das für sie handelnde Organ. Dieselbe unerlaubte Handlung bleibe aber immer eine solche, die eine arbeitsrechtliche Streitigkeit betreffe, gleichgültig, ob ein anderer Arbeitnehmer, der Arbeitgeber selbst (als natürliche Person) oder der Organvertreter des Arbeitgebers sie begehe. Die insoweit systemwidrig bestehende Lücke ist durch die entsprechende Anwendung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG zu schließen (so explizit BAG 24.6.96, 5 AZB 35/95).
Die Voraussetzungen dieser Norm lägen auch im Übrigen vor. Der Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG sei weit zu verstehen. Darunter fielen wie beim Begriff der unerlaubten Handlung bspw. in § 32 ZPO die unerlaubten Handlungen im Sinne der §§ 823 ff. BGB (unerlaubte Handlungen im engeren Sinne), Ansprüche aus Gefährdungshaftung, Unterlassungsansprüche und generell rechtswidrige Eingriffe in eine fremde Rechtssphäre.
Der vom Arbeitnehmer geltend gemachte immaterielle Schadenersatz sei auf der Grundlage desselben, einheitlichen Lebenssachverhalts und mithin innerhalb desselben Streitgegenstands nach seinem Vorbringen als solcher aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung begründbar, wie auch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen einer rechtswidrigen Datenverarbeitung. Ob der Anspruch begründet sei, sei hier nicht zu entscheiden. Aber der nach § 823 Abs. 1 BGB geltend gemachte Anspruch betreffe unzweifelhaft eine unerlaubte Handlung. Gleiches gelte im Ergebnis auch für den datenschutzrechtlichen Anspruch, denn dieser betreffe gleichfalls einen geltend gemachten rechtswidrigen Eingriff der Beklagten in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers.
Die hier streitige unerlaubte Handlung stehe zudem im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers. Ebenso wie bei § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG sei Voraussetzung, dass die unerlaubte Handlung in einer inneren Beziehung zum Arbeitsverhältnis der Parteien stehe, sie in der Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Berührungspunkten und Reibungen seine Ursache finde. Die der Beklagten vorgeworfene unerlaubte Handlung stehe nicht rein zufällig in einem nur äußeren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, sondern habe ihre Ursache gerade in den dem Arbeitsverhältnis eigentümlichen Berührungspunkten und Reibungen und stehe im engen, inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers. Denn nach seinem Vorbringen hätten die Rundschreiben der Beklagten als Präsidentin des arbeitgebenden Vereins der Stimmungsmache gegen ihn gedient und dazu, ihn aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen. Ohne dies hier abschließend zu würdigen, stehe fest, dass die Beklagte dem Arbeitnehmer nicht irgendwie, sondern spezifisch im Kontext des Arbeitsverhältnisses als Organvertreterin seines Arbeitgebers gegenübergetreten sei. In dieser Funktion habe sie Kenntnis von krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers, den von ihr behaupteten Vorwürfen und der arbeitgeberseitigen Reaktion, sowie der Kündigung gehabt und in ihrer Funktion als Vertreter des Arbeitgebers habe sie diese gegenüber den Mitgliedern veröffentlicht. Ohne das Arbeitsverhältnis seien alle Geschehnisse gar nicht denkbar.