· Fachbeitrag · Öffentliche Aufträge
Ein Verhandlungsgespräch ist ein Verhandlungsgespräch und keine unmaßgebliche Präsentation
| Der öffentliche Auftraggeber kann den Auftrag auf der Grundlage der Erstangebote vergeben, ohne in Verhandlungen einzutreten, wenn er sich in der Auftragsbekanntmachung diese Möglichkeit vorbehalten hat. So steht es in § 17 Abs. 11 VgV. Lädt der Auftraggeber aber trotzdem zu „Verhandlungsgesprächen“ ein, macht er damit deutlich, dass er von einem entsprechenden Vorbehalt keinen Gebrauch macht. Die Verhandlungsgespräche müssen dann in finale Angebote aller Teilnehmer münden. Sonst wird das Verfahren aufgehoben, entschied die Vergabekammer Südbayern. |
Öffentlicher Auftraggeber handelte widersprüchlich
Im konkreten Fall hatte eine Kommune Planungsleistungen im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben. Sie behielt sich das Recht vor, den Zuschlag auf das erstplatzierte Angebot zu erteilen → § 17 Abs. 11 VgV. Nachdem die Angebote eingegangen waren, lud der Auftraggeber alle Bieter zu Verhandlungsgesprächen ein. Diese fanden im Rahmen einer Sitzung des Gemeinderats statt. In der anschließenden Wertung gab die Kommune dem bestplatzierten Büro den Zuschlag.
Der zweitplatzierte Bieter proklamierte einen Vergabefehler. Trotz „Verhandlungsgespräch“ sei er nicht aufgefordert worden, ein finales Angebot abzugeben. Die Kommune erwiderte, dass sie kein Verhandlungsgespräch mit den Bietern durchgeführt habe, sondern nur Präsentationen. Daher hätte sie den Zuschlag auf das Erstangebot erteilen dürfen. Es ging vor Gericht.
Vergabekammer hebt Wertung auf
Die VK Südbayern ist der Argumentation des Zweitbieters gefolgt und hat die Vergabe aufgehoben. Für die Bieter war nicht erkennbar, dass es sich bei der Sitzung des Gemeinderats nur um eine Präsentation handeln sollte. Es sprächen gute Gründe dafür, dass der Auftraggeber die entstandene Selbstbindung nicht dadurch wieder aufheben könne, dass er das Verhandlungsverfahren in das Stadium vor der Einladung zu den Verhandlungsgesprächen zurückversetze. Dagegen spreche schon der Wortlaut des Einladungsschreibens, in dem von einem Verhandlungsgespräch die Rede war.
Zudem könne mangels Dokumentation nicht beurteilt werden, ob es sich bei dem Gespräch tatsächlich um eine Präsentation oder um eine Verhandlung gehandelt habe. Für eine Verhandlung reiche bereits aus, dass der Bieter in Aussicht stellt, sein Angebot verbessern zu wollen. Daher hätte der Auftraggeber die Bieter auffordern müssen, ein finales Angebot nach § 17 Abs. 14 VgV abzugeben (VK Südbayern, Beschluss vom 18.07.2024, Az. 3194.Z3-3_01-24-27, Abruf-Nr. 243735).
FAZIT | Es lohnt sich, sich mit der VgV (und der zugehörigen Rechtsprechung) auseinanderzusetzen. Sie öffnet manches Tor, das schon verschlossen schien. |