24.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111658
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 06.12.2007 – 11 Sa 400/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
11 Sa 400/07
Tenor:
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.04.2007, AZ: 8 Ca 2719/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt nur noch über einen Anspruch des Klägers auf Auskunftserteilung wegen geleisteter Mehrarbeit sowie über die Abrechnung und Bezahlung dieser Mehrarbeit.
Der Kläger war seit 1988 im Unternehmen der Beklagten als Schlosser für die Instandhaltung der in der Aluminiumproduktion eingesetzten Maschinen tätig. Die Beklagte fertigt hauptsächlich Schraubverschlüsse für die Getränkeindustrie und hatte etwa 180 Mitarbeiter beschäftigt.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der betriebsbedingten Kündigung vom 20.12.2006 mit Ablauf des 30.06.2007. Das Kündigungsschutzbegehren des Klägers, mit dem der Kläger erstinstanzlich diese Kündigung angegriffen hat, ist nicht Gegenstand der Berufung und damit rechtskräftig abgewiesen worden.
Auf das ehemalige Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft Arbeitsvertrag der zwischen der Beklagten und der IG Metall abgeschlossene Zukunfts-, Beschäftigungssicherungs- und Standortsicherungstarifvertrag vom 11.04.2005 (ZBSTV) Anwendung, der am 01.01.2005 in Kraft getreten ist. Auf diesen Tarifvertrag wird verwiesen (vgl. Bl. 145 d.A.). Zu diesem Zeitpunkt trat weiter die Betriebsvereinbarung 08/2004 für die neue Arbeitszeitregelung für Aluproduktion und Druckerei in Kraft. Auch auf diese Betriebsvereinbarung wird verwiesen (vgl. Bl. 108 bis 111 d.A.).
Am 30.11.2006 unterzeichnete die Beklagte dann zusammen mit der IG Metall einen weiteren Sanierungstarifvertrag, in dessen Rahmen die Beendigung des Tarifvertrages vom 11.04.2005 mit Wirkung zum 28.11.2006 vereinbart wurde. Weiter wurde in diesem Tarifvertrag vereinbart, dass ab dem 01.01.2007 eine Beschäftigungssicherung bis zum 31.12.2010 in Kraft treten sollte. Auch auf diesen Tarifvertrag wird im Weiteren verwiesen (vgl. Bl. 147 bis 150 d.A.).
Der Kläger hat - soweit für die Berufung noch entscheidungserheblich - zur Begründung seines Klagebegehrens vorgetragen:
Er habe in den Jahren 2005 und 2006 erheblich mehr als 200 Stunden an Mehrarbeit erbracht, ohne hierfür einen Ausgleich, insbesondere eine Vergütung, oder auch die Beschäftigungsgarantie zu erhalten. Nachdem die Beklagte sich die "Rosinen" herausgepickt habe und von der Öffnungsmöglichkeit zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen Gebrauch gemacht habe, sei die Voraussetzung weggefallen, unter der er bereit gewesen sei, Mehrarbeitsstunden zu leisten.
Da der Tarifvertrag in dieser Form auch nicht mehr auf den Kläger anwendbar sei, habe die Beklagte zum einen Auskunft über die geleisteten Stunden zu geben und diese zum anderen auch finanziell auszugleichen. Die Umstände hätten sich erheblich geändert, unter denen er zur unbezahlten Mehrarbeit verpflichtet gewesen sei, nachdem sein Arbeitsverhältnis bereits zum 30.06.2007 gekündigt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 20.12.2006 - zugegangen am 21.12.2006 - nicht zum 30.06.2007 beendet wird, sondern unverändert fortbesteht,
2.
im Falle des Obsiegens zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen,
3.
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen über die vom Kläger in der Zeit vom 01.01.2005 bis einschließlich 31.12.2006 geleistete und statistisch erfasste Mehrarbeit entsprechend dem Beschäftigungssicherungstarifvertrag vom 11.04.2005,
4.
die Beklagte zu verurteilen, die Mehrarbeit des Klägers entsprechend Ziffer 1 abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat - soweit noch entscheidungserheblich - vorgetragen:
Der von dem Kläger verfolgte Auskunftsanspruch sei abzuweisen, da er keine "Mehrarbeit" erbracht habe. Gemäß § 4 Ziffer 1 des Zukunfts- und Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrages vom 11.04.2005 sei den Betriebsparteien die Möglichkeit eingeräumt worden, durch Betriebsvereinbarung eine wöchentliche Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden zu vereinbaren. Von dieser Möglichkeit sei zwischen der Geschäftsführung der Beklagten und dem Betriebsrat - unstreitig - durch die Betriebsvereinbarung 08/2004 Gebrauch gemacht worden. Entsprechend dieser Regelung sei auch im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis des Klägers verfahren worden, so dass es zu keiner Mehrarbeit im Sinne des klägerischen Antrages gekommen sei.
Ein Auskunftsanspruch bestehe zudem nach gefestigter Rechtsprechung nur dann, wenn die begehrte Auskunft zur Durchsetzung eines zugrundeliegenden Hauptanspruchs erforderlich sei. Der Hauptanspruch, welcher von Seiten des Klägers geltend gemacht werde, bestehe in der Abgeltung der - aufgrund des Beschäftigungs- und Zukunftssicherungstarifvertrages vom 11.04.2005 - vorgearbeiteten Arbeitsstunden. Insoweit sehe jedoch § 6 Abs. 1 dieses Tarifvertrages ausdrücklich vor, dass hinsichtlich der vorgeleisteten Stunden kein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung bestehe.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat mit Urteil vom 23.04.2007 die Klage insgesamt abgewiesen.
Zu der Stufenklage (Klageanträge zu 3. und 4.) auf Auskunft und Bezahlung von Mehrarbeit hat es dabei darauf verwiesen, dass diese - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet sei, da dem Kläger weder Auskunfts- noch Zahlungsansprüche zustünden.
Aus dem Tarifvertrag vom 11.04.2005, auf den insoweit schon im Klageantrag Bezug genommen werde, ergebe sich ein solcher nämlich - wenn überhaupt - nur zugunsten der vertragsschließenden IG Metall. Arbeitsvertraglich komme ein Auskunftsanspruch wiederum nur in Betracht, soweit ein Arbeitnehmer über Bestehen und Umfang seiner Rechte im Ungewissen sei, während der Arbeitgeber unschwer Auskunft erteilen könne. Im Kammertermin sei jedoch eingeräumt worden, dass den Arbeitnehmern Arbeitszeitkontoauszüge erteilt worden seien; inwiefern der Kläger über seine Arbeitszeiten im Ungewissen sein könnte, sei daher nicht ersichtlich. Davon abgesehen komme auch ein Anspruch auf Bezahlung der Mehrarbeit entsprechend des Beschäftigungssicherungstarifvertrages nicht in Betracht, da dieser Tarifvertrag insoweit Vergütungsansprüche in § 6 Abs. 1 ausdrücklich ausschließe.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen (vgl. Bl. 119 bis 123 d.A.).
Das Urteil des Arbeitsgerichtes Ludwigshafen vom 23.04.2007 ist dem Kläger am 25.05.2007 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 21.06.2007 zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegte und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.08.2007 - am 27.08.2007 begründete Berufung. Im Rahmen der Berufung verfolgt der Kläger nur noch den Auskunfts-, Abrechnungs- und Abgeltungsanspruch weiter.
Zur Begründung trägt der Kläger vor:
Durch die bewusste Aushebelung des bereits erworbenen Kündigungsschutzes des Klägers habe die Beklagte einen Vorteil erzielt, sie habe nämlich eine Leistung erhalten (die vorgearbeiteten Stunden) ohne jedoch ihren Part der Vereinbarung, den Kündigungsschutz bis 31.12.2007 einzuhalten. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Ludwigshafen verkenne insoweit, dass dem Kläger zum einen Anspruch auf Auskunft der vorgearbeiteten Stunden, die mehr als seine w öchentliche Arbeitszeit betragen hätten, habe und zum anderen, dass ihm sehr wohl eine Vergütung für diese Stunden zustehe. Er selbst könne nicht nachvollziehen, wie viele Stunden er geleistet habe, da die Beklagte laut Tarifvertrag vom 11.04.2005 diese Stunden ausschließlich erfasst habe. Daher sei sie ihm gegenüber auch zur Auskunft verpflichtet.
Die rechtliche Frage, die es an dieser Stelle zu klären gelte, sei, ob durch den Sanierungstarifvertrag rückwirkend in bereits erworbene Rechte des Klägers eingegriffen werden habe können und dürfen. Er habe - dadurch, dass er sein Soll an mehr zu arbeitenden Stunden erfüllt habe - auch einen Anspruch auf die Beschäftigungsgarantie erworben. Dies habe für ihn mindestens bis zum 31.12.2007 gegolten. Durch den Sanierungstarifvertrag habe man rückwirkend hier eingegriffen und habe die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ermöglicht. Wenn aber dieses möglich gewesen sei, so habe die Beklagte die mehr gearbeiteten Stunden erhalten, ohne hierfür einen Rechtsgrund zu haben, da dieser rückwirkend entfallen sei. Nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung sei daher die Beklagte zu einer entsprechenden Ausgleichszahlung verpflichtet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - 8 Ca 2719/06 - wie folgt abzuändern:
1.
die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, dem Kläger und Berufungskläger Auskunft zu erteilen, über die vom Kläger und Berufungskläger in der Zeit vom 01.01.2005 bis einschließlich 31.12.2006 geleistete Mehrarbeit entsprechend dem Beschäftigungssicherungsvertrag vom 11.04.2005,
2.
die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, die Mehrarbeit des Klägers und Berufungsklägers entsprechend abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger und Berufungskläger auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt hierzu vor:
Ein Auskunftsanspruch bestehe nach gefestigter Rechtsprechung nur dann, wenn die begehrte Auskunft zur Durchsetzung eines zugrunde liegenden Hauptanspruchs erforderlich sei. Wegen der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrages vom 11.04.2005, der ausdrücklich einen Ausgleich oder eine Abgeltung von Mehrarbeit ausschließe, könne kein Anspruch auf Auskunft bestehen.
Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereichung scheitere schon daran, dass ein Rechtsgrund vorliege.
Darüber hinaus könne der Kläger auch keine Ansprüche aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage geltend machen. Diese allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze fänden auf den normativen Teil eines Tarifvertrages keine Anwendung.
Des Weiteren könne sich ein Anspruch auch nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten ergeben. Die Beschäftigungsgarantie und der faktische Verzicht auf Abgeltung der Mehrarbeit stünden nicht in einem synallagmatischen Verhältnis. Hinzu komme, dass der Kläger auch überhaupt keine Mehrarbeit in diesem Sinne erbracht habe.
Schließlich spreche auch nichts dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine bewusste Regelungslücke zugelassen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 06.12.2007 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Rechtsmittel der Berufung, soweit mit diesem eine Abänderung des Urteils des ersten Rechtszuges beantragt wird, ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gemäß der §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung erweist sich damit insgesamt als zulässig.
II.
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
1.
Allerdings sind das im Berufungsverfahren noch verfolgte Auskunfts-, sowie das im Form der Stufenklage geltend gemachte Abrechnungs- und Zahlungsbegehren des Klägers zulässig. Insbesondere sind die beiden Klageanträge hinreichend bestimmt (vgl. § 253 ZPO).
Beide Anträge bedürfen jedoch der Auslegung soweit der Kläger mit diesen Auskunft über die "geleistete Mehrarbeit" bzw. die Abrechnung der "Mehrarbeit" verlangt.
Dieser Begriff der Mehrarbeit taucht arbeitsrechtlich in unterschiedlichem Zusammenhang auf (vgl. § 21 Abs. 2 JArbSchG, § 8 Abs. 1 MuSchG, § 124 SGB IX sowie § 15 AZO a.F.). Im allgemeinen wird dieser Begriff entsprechend des Begriffs der Überstunden auf die Überschreitung der regelmäßigen betrieblichen oder tariflichen Arbeitszeit angewandt (vgl. Küttner/Reinecke, Personalhandbuch 2007, Überstunden, Rnr. 2 unter Hinweis auf § 3 Abs. 5 BRTV sowie § 4 MTV A.- und Außenhandel NRW).
In diesem Sinn ist das Klagebegehren des Klägers aber nicht zu verstehen, nachdem dieser - insoweit unstreitig - keine solche Mehrarbeit geleistet hat. Mit dem Zusatz "entsprechend des Beschäftigungssicherungstarifvertrages vom 11.04.2005" bringt der Kläger vielmehr zum Ausdruck, dass das Klagebegehren allein die gemäß § 6 des Zukunfts-, Beschäftigungssicherungs- und Standortsicherungs-Tarifvertrages (ZBSTV) vom 11.04.2005 "vorgeleisteten Stunden" betrifft. Hinsichtlich dieser Stunden verlangt der Kläger Auskunft, Abrechnung und Bezahlung.
Dies hat der Kläger auf Nachfragen des Gerichts im Kammertermin vom 06.12.2007 bestätigt. In dieser Auslegung erweist sich das Klagebegehren dann als zulässig.
1.
Das Klagebegehren ist allerdings insgesamt unbegründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Auskunft wegen der gemäß § 6 des ZBSTV erfassten Stunden noch einen Anspruch auf Abrechnung und Abgeltung dieser Stunden.
a)
Ein entsprechender Anspruch folgt nicht bereits aus dem Arbeitsvertrag der Parteien. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber aufgrund seines Arbeitsvertrage keinen allgemeinen Auskunftsanspruch zu den Details der Arbeitsleistung in der Vergangenheit. Als vertragliche Nebenpflicht besteht lediglich dann eine Pflicht zur Auskunftserteilung, wenn der aus dem Vertrag Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts keine Gewissheit hat und deshalb auf die Auskunft des anderen Teils angewiesen ist, soweit dieser sie unschwer geben kann (vgl. BAG 07.09.1995, 8 AZR 828/93, AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht; LAG Niedersachsen, 10.05.2005, 13 Sa 842/04, NZA-RR 2005, S. 461 ff.).
Ein solcher - allgemeiner - Auskunfts- und Abrechnungsanspruch des Klägers scheitert schon daran, dass er nicht in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechtes keine Gewissheit hat. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat in der Entscheidung vom 23.04.2007 ausgeführt, dass der Kläger im Kammertermin eingeräumt habe, dass ihm Arbeitszeitkontoauszüge erteilt worden seien. Diese Ausführungen hat der Kläger in der Berufung nicht angegriffen.
Zudem ist in der BV 08/2004 festgelegt worden, dass die "vorgeleisteten Stunden" drei Stunden in der Woche (von 35 Stunden auf 38 Stunden) betragen sollten. Der Kläger hätte daher die entsprechende Anzahl im streitgegenständlichen Zeitraum unschwer selbst feststellen können.
b.)
Ein Auskunfts- und erst recht ein Abrechnungs- und Abgeltungsanspruch ergeben sich aber auch nicht aus § 6 des ZBSTV. Diese Vorschrift lautet wie folgt:
§ 6 Besserungsschein
Die Geschäftsleitung der Firma C. B. erklärt, dass die von den Beschäftigten vorgeleisteten Stunden (siehe Wochenarbeitszeit) statistisch erfasst und den Beschäftigten gut geschrieben werden. Ein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung entsteht nicht.
Jeweils nach Vorlage des durch den Wirtschaftsprüfer testierten Jahresergebnisses prüfen die Tarifvertragsparteien, ob die Geschäftslage des Unternehmens es ermöglicht, den individuellen Beitrag der beteiligten Arbeitnehmern vollständig oder teilweise abzugelten. Hierbei werden das Geschäftsergebnis und die statistisch erfassten Stunden des jeweiligen Jahres abschließend behandelt.
Als Bemessungsgrundlage der Geschäftslage wird das "Ergebnis nach Steuern" (ermittelt nach USGAAP - Net Income) herangezogen.
Die Geschäftsleitung stellt rechtzeitig die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung.
Obwohl diese Vorschrift vorsieht, dass die vorgeleisteten Stunden "den Besch äftigten gut geschrieben werden", lässt sich hieraus weder ein Auskunftsanspruch noch ein Abrechnungs- und Vergütungsanspruch ableiten. Dies ergibt die Auslegung dieser Bestimmung.
aa)
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (vgl. BAG, 12.09.1984, EzA, § 1 TVG Auslegung Nr. 14).
Zunächst ist vom Wortlaut auszugehen. Dabei ist der maßgebliche Sinne der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut nicht eindeutig ist, ist der in den tariflichen Normen zum Ausdruck kommende wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung, ergänzend herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.
bb)
Die Anwendung dieser Grundsätze auf § 6 ZBSTV zeigt, dass bereits ein Auskunftsanspruch des Klägers über diese Vorschrift nicht zu begründen ist.
Nach dieser Vorschrift sind die Stunden, über die der Kläger Auskunft verlangt, statistisch zu erfassen und den Beschäftigten gut zu schreiben. Ein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung dieser Stunden entsteht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 ZBSTV nicht. Lediglich soweit nach dem Wortlaut die Stunden "den Beschäftigten gut geschrieben werden" könnte gefolgert werden, dass damit den Beschäftigten hinsichtlich dieser Stunden ein entsprechender Auskunftsanspruch zusteht.
Allerdings zeigt der Wortlaut weiter, dass die Erfassung lediglich "statistische" Bedeutung haben sollte. Soweit diese dann nach dem Zusatz den Beschäftigten gut geschrieben werden sollten, wird zum Ausdruck gebracht, dass auch nach der statistischen Erfassung noch eine individuelle Zuordnung dieser Stunden zu den jeweiligen Beschäftigten möglich sein sollte. Dabei wird hinreichend deutlich, dass dies nicht im individuellen Interesse der jeweiligen Beschäftigten erfolgen sollte (was gegebenenfalls einen individuellen Auskunftsanspruch begründen könnte), sondern allein im Hinblick auf die in § 6 Abs. 2 ZBSTV vereinbarte weitere Vorgehensweise. Dass ein individueller Auskunftsanspruch nicht entstehen sollte, zeigt sich schon darin, dass gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 ZBSTV ein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung der erfassten Stunden gerade nicht entstehen sollte. Es kann nicht angenommen werden, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten einen (isolierten) Auskunftsanspruch zubilligen wollten, obwohl ausdrücklich ein Anspruch auf Ausgleich oder Abgeltung der Stunden ausgeschlossen war.
Die statistische Erfassung der vorgeleisteten Stunden und die individuelle Zuordnung zu den Beschäftigten war allein im Hinblick auf die gemäß § 6 Abs. 2 ZBSTV verabredete Vorgehensweise vorgesehen. Dies zeigt bereits die einheitliche Überschrift der Vorschrift "Besserungsschein". Nach § 6 Abs. 2 ZBSTV war verabredet, dass die Tarifvertragsparteien nach Vorlage des Jahresergebnisses prüfen wollten, ob die Geschäftslage der Beklagten es ermöglichte, den individuellen Beitrag der beteiligten Arbeitnehmer vollständig oder teilweise abzugelten. Die Erfassung der Arbeitsstunden diente ausschließlich der Vorbereitung dieser Verfahrensweise zur möglichen Nachbesserung. Aber weder ist festgelegt, ob überhaupt noch in welcher Höhe ein Nachbesserungsanspruch entstehen sollte. Dieser war in seinem Entstehen abh ängig von einer entsprechenden Vereinbarung der Tarifvertragsparteien. Ohne eine solche "Nachbesserungsvereinbarung" hatte sich die Bedeutung der statistisch erfassten Stunden erledigt. Dies zeigt sich auch darin, dass nach der Vereinbarung in § 6 Abs. 2 ZBSTV das Geschäftsergebnis und die statisch erfassten Stunden des jeweiligen Jahres jeweils abschließend behandelt werden sollten.
Ein Auskunfts-, Abrechnungs- und Abgeltungsanspruch lässt sich damit aus § 6 ZBSTV nicht ableiten. Vielmehr steht diese Vorschrift dem Begehren des Klägers geradezu entgegen.
c.)
§ 6 ZBSTV galt - entgegen der Auffassung des Klägers - auch für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 31.12.2006.
Zwar ist in § 10 des Sanierungstarifvertrages vom 30.11.2006 vorgesehen, dass der ZBSTV vom 11.04.2005 mit Wirkung zum 28.11.2006 beendet werden sollte. Die Regelung des § 6 ZBSTV hat danach aber - in Ermangelung entgegenstehender Anhaltspunkte - gemäß § 4 Abs. 5 TVG zumindest bis zum 31.12.2006 Nachwirkung entfaltet.
d.)
Ein Auskunfts-, Abrechnungs- und Zahlungsanspruch des Klägers besteht auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt. Dies scheitert schon daran, dass der Kläger hinsichtlich der "vorgeleisteten" Stunden gar keinen Vergütungsanspruch erworben hat.
aa)
Die Tarifvertragsparteien haben in dem ZBSTV vom 11.04.2005 in § 5 (Vergütungsgrundlage bei Schichtbetrieb) festgelegt, dass die Vergütung der Arbeitnehmer auf der Basis eines verstetigten Monatsentgeltes von (zur Zeit) 152,25 Stunden erfolgen sollte. Die Vergütung im Contibetrieb sollte auf der Basis eines verstetigten Monatsentgelts von (zur Zeit) 167,5 Stunden erfolgen.
Weiter haben die Tarifvertragsparteien in § 4 (Wochenarbeitszeit) des Tarifvertrages festgelegt, dass von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für die Laufzeit dieses Vertrages abgewichen werden konnte. Hier war vorgesehen, dass durch Betriebsvereinbarung eine wöchentliche Arbeitszeit zwischen 30 Stunden und 40 Stunden vereinbart werden konnte.
Entsprechende Arbeitszeitregelungen haben der Betriebsrat der Beklagten und die Geschäftsleitung der Beklagten in der Betriebsvereinbarung 08/2004 vom 17.12.2004 vorweg genommen. Auch wenn der Wirksamkeit dieser Betriebsvereinbarung möglicherweise zunächst die Sperrwirkung aus § 77 Abs. 3 BetrVG entgegenstand, haben die Tarifvertragsparteien mit Abschluss des ZBSTV diese Sperrwirkung zum 01.01.2005 beseitigt.
Nach der Betriebsvereinbarung 08/2004 betrug ab dem 01.01.2005 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt 38 Stunden. Gemäß Ziffer 4 der Betriebsvereinbarung 08/2004 errechnete sich die Vergütung auf der Basis einer 35 Stundenwoche, das heißt eines Monatslohnes von 152,25 Stunden und dem persönlichen tatsächlichen Stundenlohn. Diese Regelung entspricht § 5 Abs. 1 ZBSTV der Vergütungsgrundlagen.
bb)
Über diese Betriebsvereinbarung 08/2004 und die §§ 4. 5 ZBSTV wurde damit im Betrieb der Beklagten ein Vergütungssystem eingeführt, nachdem im Jahresdurchschnitt 38 Wochenstunden zu leisten waren, die Vergütung allerdings auf Basis der 35 Stundenwoche erfolgen sollte.
Das neue Vergütungssystem ab dem 01.01.2005 sah damit vor, dass der Arbeitsverpflichtung in Höhe von 38 Wochenstunden eine Vergütungsverpflichtung auf der Berechnungsgrundlage von 35 Stunden gegenüber stand. Mit der entsprechenden Bezahlung sind daher die von dem Kläger geleisteten Arbeitsstunden vollständig abgegolten worden.
Dem Vergütungssystem im Betrieb der Beklagten basierend auf der Betriebsvereinbarung 08/2004 in Verbindung mit §§ 4, 5 ZBSTV ist somit gerade nicht zu entnehmen, dass ein auf die "vorgeleisteten Stunden" entfallender Vergütungsteil gesondert erfasst und der Beklagten gestundet werden sollte.
e.)
Ein Vergütungsanspruch des Klägers ( und dem vorgeschaltet ein Abrechnungsanspruch) lässt sich auch nicht über eine Anpassung des Tarifvertrages (ggfls. i.V.m. § 612 BGB) herleiten. Es ist allerdings richtig, dass die entsprechende Reduzierung der Vergütung der Beschäftigten nach dem Gesamtzusammenhang des ZBSTV als deren Sanierungsbeitrag angesehen worden ist.
Allerdings kann gleichwohl der ZBSTV - etwa über das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, worauf die Argumentation des Klägers hindeutet - nicht dahingehend angepasst werden, dass wegen des Ausbleibens des Erfolges der mit diesem verfolgten Sanierungsmaßnahme (rückwirkend) eine Vergütungspflicht wegen der vorgeleisteten Stunden entstünde.
Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass dem ZBSTV nicht zu entnehmen ist, dass die in diesem gegebene Beschäftigungsgarantie in einem Gegenleistungsverhältnis zu dem Sanierungsbeitrag der Beschäftigten stehen sollte. Vielmehr handelte es sich bei dem Vertragswerk um ein Gesamtkonzept, bei dem die Tarifvertragsparteien durchaus davon ausgegangen sind, dass dieses auch scheitern könnte. Entsprechend ist in § 2 Abs. 3 ZBSTV vereinbart, dass sich die Vertragsparteien verpflichten, bei außergewöhnlichen Veränderungen der Geschäftsgrundlage des Unternehmens unverzüglich neue Verhandlungen über die Beschäftigungssicherung aufzunehmen. Der Erfolg der Sanierungsmaßnahme war damit gerade nicht Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung. Eine Vergütungspflicht war auch für den Fall des Ausbleibens des Erfolges gerade nicht vorgesehen.
Eine Anpassung dieser Vereinbarung über das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheitert im weiteren aber auch daran, dass eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse des Tarifvertrages mit Rücksicht auf die Tarifautonomie nicht durch die Arbeitsgerichte hergestellt werden kann. Diese Anpassung ist stets Aufgabe der Tarifvertragsparteien selbst. Von den Gerichten für Arbeitssachen kann daher regelmäßig nur festgestellt werden, dass gegebenenfalls ein wichtiger Grund gegeben oder die Geschäftsgrundlage weggefallen ist und deswegen ein Anspruch auf Neuverhandlungen besteht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 20.09.2007, 11 Sa 354/07 unter Hinweis auf Wiedemann, Tarifvertragsgesetz, 7. Auflage, § 4, Rnr. 65 ff.; vgl. auch BAG, 18.06.1997, 4 AZR 710/95, DB 1997, 1418 zur außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit; BAG, 12.09.1984, NZA 1985, S. 160).
Ein solcher wichtiger Grund ist aber schon deswegen nicht anzunehmen, weil die Beklagte jedenfalls für die Dauer des Bestandes des ZBSTV ihrer Beschäftigungsgarantie nachgekommen ist. Den veränderten Umständen haben dann die Tarifvertragsparteien Rechnung getragen, in dem sie nachfolgend den Sanierungstarifvertrag vom 30.11.2006 abgeschlossen haben.
f.)
Ein Anspruch des Klägers folgt damit auch nicht aus ergänzender Vertragsauslegung.
Die Tarifvertragsparteien haben bewusst mit dem Sanierungstarifvertrag vom 30.11.2006 ein Zeitfenster geöffnet, innerhalb dessen zwischen dem 28.11 2006 und dem 31.12.2006 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden durften. Dabei haben die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der Regelung des § 6 ZBSTV vom 11.04.2005 weiterhin einen Ausgleich oder die Abgeltung von "vorgeleisteten" Stunden auch für den Fall nicht vorgesehen, in dem es zum Ausspruch einer solchen betriebsbedingten Kündigung kommen sollte.
Es kann daher auch nicht - weder im Zusammenhang mit dem ZBSTV vom 11.04.2005 noch im Zusammenhang mit dem Sanierungstarifvertrag vom 30.11.2006 - von einer unbewussten Regelungslücke zu der Frage der Vergütung ausgegangen werden (LAG Rheinland-Pfalz, 20.09.2007, a.a.O).
g.)
Das Vergütungssystem, nachdem die Arbeitsleistung des Klägers vergütet worden ist, ist damit auch nicht nachträglich entfallen. Die Erbringung der Arbeitsstunden des Klägers erfolgte im Einklang mit diesem Vergütungssystem und damit nicht ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB. Auch ein Bereicherungsausgleich scheidet daher aus.
Die Ansprüche des Klägers sind daher vom Arbeitsgericht zutreffend zurückgewiesen worden.
III.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
Entscheidung vom 06.12.2007