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  • · Fachbeitrag · Aus- und Fortbildung

    Ihr Büro zahlt Fortbildung der Mitarbeiter: Faire Rückzahlungsklausel rechtssicher formulieren

    | Rund ein halbes Prozent der gesamten Büroausgaben stecken Ingenieure und Architekten derzeit in die Fortbildung (auch ihrer Mitarbeiter). Viele Chefs scheuen Mehrausgaben, weil sie befürchten, dass die geförderten Mitarbeiter das Büro recht schnell verlassen. Abhilfe können hier Bindungs- und Rückzahlungsvereinbarungen schaffen. Erfahren Sie deshalb, wie faire und rechtssichere Rückzahlungsklauseln aussehen können. |

    Allgemeine Grundsätze

    Prinzipiell gilt: Bindungsklauseln sind nur zulässig, wenn sie das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschweren. Entsprechende Vereinbarungen müssen daher einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen den Parteien gewährleisten. Das bedeutet Folgendes:

     

    Ihr Interesse als Arbeitgeber

    Als Arbeitgeber haben Sie durch die Kostenübernahme für die Fortbildung ein generelles Interesse daran, dass der Mitarbeiter die erworbenen Kenntnisse in Ihrem Büro verwertet. Diese Verwertung bedingt eine weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers.

     

    Wichtig | Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel nachzuweisen. Dabei müssen Sie auch die aktuelle Arbeitsmarktlage für Arbeitnehmer mit dem angestrebten Ausbildungsziel darlegen.

     

    Angemessenheit der Gegenleistung für die Mitarbeiter

    Durch die Bildungsmaßnahme müssen sich dem Arbeitnehmer neue berufliche Möglichkeiten eröffnen. Diese Möglichkeiten können auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liegen, aber auch in Ihrem Büro. Je größer der berufliche Vorteil des Arbeitnehmers ist, um so eher ist ihm eine Kostenbeteiligung zuzumuten. Die mit der Fortbildung erworbenen Kenntnisse müssen aber auch in anderen Architektur- oder Ingenieurbüros verwendbar sein.

     

    Transparenzgebot gebietet klare Regelungen

    Grundsätzlich steht es Ihnen frei, die Kosten einer von Ihnen finanzierten Bildungsmaßnahme auf den/die Mitarbeiter/in abzuwälzen. Auch für Rückzahlungsklauseln gilt das Prinzip der Vertragsfreiheit. Die Vertragsfreiheit findet ihre Grenze, wo sie durch Gesetz, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen eingeschränkt ist. Deshalb ist eine Rückzahlungsklausel unwirksam, die den Mitarbeiter unangemessen benachteiligt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Insofern unterliegen auch Rückzahlungsverpflichtungen der Inhaltskontrolle durch das Transparenzgebot (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 28.5.2013, Az. 3 AZR 103/12, Abruf-Nr. 133065).

    Bindungsdauer-Problem richtig lösen

    Sie können eine Rückzahlung von Fortbildungskosten nur verlangen, wenn der Mitarbeiter Ihr Büro vor dem Ende einer im Vertrag definierten Bindungsdauer verlässt.

     

    Rechtsprechung hat Grundsätze festgelegt

    Diese Bindungsdauer muss angemessen sein. Das BAG hat dazu folgende Grundsätze aufgestellt:

     

    • In der Übersicht

    Fortbildungsdauer

    Zulässige Bindungsdauer

    Urteil

    Bis zu 1 Monat

    Bis zu 6 Monate

    BAG vom 5.12.2002, Az. 6 AZR 539/01, Abruf-Nr. 041955

    Bis zu 2 Monate

    Bis 1 Jahr

    BAG vom 14.1.2009, Az. 3 AZR 900/07, Abruf-Nr. 090608

    Von 3 bis 4 Monaten

    Bis zu 2 Jahre

    BAG vom 14.1.2009, Az. 3 AZR 900/07, Abruf-Nr. 090608

    Von 6 Monaten bis zu 1 Jahr

    Bis zu 3 Jahre

    BAG vom 5.6.2007, Az. 9 AZR 604/06, Abruf-Nr. 080545

    Mehr als 2 Jahre

    5 Jahre

    BAG vom 14.1.2009, Az. 3 AZR 900/07, Abruf-Nr. 090608

     

     

    Abweichungen von der generalisierten Bindungsdauer

    Bei der zulässigen Bindungsdauer geht es um richterrechtliche Orientierungswerte, von denen im Einzelfall abgewichen werden kann (BAG, Urteil vom 19.1.2011, Az. 3 AZR 621/08, Abruf-Nr. 110305). Es gilt der Grundsatz: Bei einer zu langen Bindungsdauer stehen Vorteile der Ausbildung und Dauer der Bindung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis, die Rückzahlungsklausel ist unwirksam (BAG, Urteil vom 28.5.2013, Az. 3 AZR 103/12).

     

    PRAXISHINWEIS | In Ausnahmefällen kann eine verhältnismäßig lange Bindung auch bei einer kürzeren Fortbildung gerechtfertigt sein. Dazu müssen Sie darlegen, dass die Bestimmung der zulässigen Bindungsdauer für Sie objektiv schwierig war. Das ist z. B. der Fall, wenn Sie ganz erhebliche Mittel aufgewendet haben oder der Arbeitnehmer aus der Fortbildung überdurchschnittlich große Vorteile hatte. Dieser Ausnahmefall dürfte zum Beispiel bei dem unten aufgeführten IWW-Lehrgang „Büromanager/in Planungsbüro“ erfüllt sein. Hier dürfte eine Bindungsdauer von einem Jahr gerechtfertigt sein.

     

    Höhe der Rückzahlungsverpflichtung

    Dem Transparenzgebot genügt eine Klausel über die Erstattung von Aus- oder Fortbildungskosten nur, wenn die Kosten dem Grunde und der Höhe nach bezeichnet sind. Auch hier ist allerdings der Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu beachten.

     

    Sie sind nicht verpflichtet, die Kosten der Ausbildung bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung exakt der Höhe nach zu beziffern. Die Angaben müssen jedoch so konkret sein, dass Ihr Mitarbeiter sein Rückzahlungsrisiko einschätzen kann. Daher müssen Sie zumindest die Art und Berechnungsgrundlagen der zu erstattenden Kosten angeben (BAG, Urteil vom 21.8.2012, Az. 3 AZR 698/10, Abruf-Nr. 131280). Dazu müssen Sie:

     

    • Die einzelnen Positionen, aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll (z. B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten) genau und abschließend bezeichnen.

     

    • Angeben, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden (z. B. Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten).

     

     

    • Beispiel

    Sie haben eine Mitarbeiterin zum IWW-Lehrgang „Büromanager/in Planungsbüro“ angemeldet, weil Sie sich von der - neu zu schaffenden Position - eine erhebliche Arbeitsentlastung für sich und eine Effizienzsteigerung für Ihr Büro versprechen. Die Seminargebühren betragen 2.900 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Für die Reise zum Seminarort und für Übernachtungen werden Sie weitere 1.000 Euro aufwenden. Das fortgezahlte Entgelt für die fünf Arbeitstage beträgt 800 Euro. Eine potenzielle Rückzahlungspflicht besteht in diesem Fall für 4.700 Euro.

     

    Musterfortbildungsklausel

    Nachfolgend ein Vorschlag, wie eine Rückzahlungsklausel in einem Fortbildungsvertrag aussehen kann:

    Musterformulierung / Rückzahlungsklausel Fortbildungskosten

    Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zur Rückzahlung der für die Dauer der Fortbildungsmaßnahme empfangenen Bezüge und der vom Arbeitgeber übernommenen Kosten der Fortbildungsmaßnahme, falls er vor Erreichen der in der Fortbildungsvereinbarung genannten Bindungsdauer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, wenn

    • das Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer aus einem nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund gekündigt wird,
    • der Arbeitnehmer aus einem von ihm zu vertretenden Grund gekündigt wird,
    • ein Aufhebungsvertrag wegen verhaltensbedingter Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers geschlossen wird.

     

    Der zurückzuzahlende Betrag umfasst die Fortbildungskosten gemäß Fortbildungsvereinbarung. Für jeden Monat der Beschäftigung nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme werden dem Arbeitnehmer 1 x-tel (z. B. 1/12 bei einer einjährigen Bindungsdauer) des gesamten Rückzahlungsbetrags erlassen. Fällige Rückzahlungsforderungen werden gegen noch ausstehende Restforderungen verrechnet.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Die Musterformulierung für einen „Fortbildungsvertrag“ finden Sie auf pbp.iww.de unter Downloads → Musterverträge → Personal.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2016 | Seite 19 | ID 43452974