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  • · Nachricht · Umsatzsteuer

    Privater Englisch-Unterricht auf Franchise-Basis kann umsatzsteuerbefreit sein

    von StB Jürgen Derlath, Münster

    Wer als Privatlehrer Vorschul- und Grundschulkindern Englischunterricht erteilt, kann sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen. Daran ändert auch ein Franchisevertrag nichts, wenn der Privatlehrer als Franchisenehmer die Unterrichtsinhalte selbstständig und eigenverantwortlich festlegt. Die erforderliche pädagogische Befähigung kann sich aus einer langjährigen Tätigkeit als Englischlehrer ergeben (FG Schleswig-Holstein 15.6.15, 4 K 19/15; NZB BFH XI B 61/15).

    Sachverhalt

    Die selbstständige Englischlehrerin erteilt Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren Englisch-Unterricht, z.B. als Gruppenunterricht in Kindertagesstätten, aber auch an einer Grundschule. Die Englischkurse waren auf den Wissensstand und Reifegrad der Kinder abgestimmt Als Material für den Unterricht setzte die Klägerin Schulbücher von Schulbuchverlagen und Materialien des Franchisegebers ein. Daneben gab sie auch Englisch-Nachhilfeunterricht. Sie behandelte die Umsätze (Streitjahre 2008 bis 2012) zunächst als umsatzsteuerpflichtig, beantragte dann aber die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen, da sie nach Art. 132 Abs. 1 Buchs. j der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) steuerfrei seien.

     

    Anmerkungen

    Das FG gibt ihr Recht. Die Umsätze sind in den Streitjahren zwar nicht gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei, da die Lehrerin nicht über eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde verfügt. Sie kann sich jedoch unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen.

     

    Die Lehrerin hat mit dem Gruppen- und mit dem Nachhilfeunterricht Schulunterricht i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erteilt. Englisch ist ein Schulfach (vgl. zum Musikunterricht FG Berlin-Brandenburg, 26.3.13, 7 V 7361/12, EFG 13, 1074). Sie hat den Unterricht entsprechend dem Wissensstand und Reifegrad der unterrichteten Kinder erteilt und aus Schulbüchern und anderen Lehrwerken einen eigenen Lehrplan entwickelt. Dass der Unterricht auch Vorschulkindern im Alter ab vier Jahren erteilt wurde, ist unerheblich, da der Unterricht insoweit ebenfalls auf die Vermittlung von Grundkenntnissen der englischen Sprache ausgerichtet war und nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hatte (vgl. zum Kleinkinderschwimmen BFH 5.6.14, V R 19/13).

     

    Die Lehrerin hat den Englisch-Unterricht als Privatlehrerin i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erteilt. Sie handelte für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung, da sie die Unterrichtsleistung selbst und außerhalb eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zum jeweiligen Träger der Kindertagesstätte bzw. der Grundschule unmittelbar gegenüber den Kindern erbracht hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin das Lernstudio als Franchisenehmerin betrieben hat (vgl. FG Niedersachsen 19.12.11, 5 K 370/11, EFG 12, 882; FG Berlin-Brandenburg, 26.3.13, 7 V 7361/12, EFG 13, 1074. Denn die Klägerin hat die Inhalte ihres Unterrichts anhand des von ihr selbst entwickelten Lehrplans selbstständig und eigenverantwortlich festgelegt. Die Stellung als Franchisenehmerin beschränkte sich auf die Nutzung des eingeführten Markennamens für das Lernstudio, die Gestaltung des Internetsauftritts und das Angebot von Unterrichtsmaterial durch die Franchisezentrale.

     

    Schließlich verfügt die Lehrerin auch über die erforderliche Qualifikation für die Tätigkeit als Privatlehrerin. Sie hat ihre Englisch-Kenntnisse durch die Ausbildung als staatlich geprüfte Wirtschaftsassistentin und eine dreimonatige Fortbildung in Wirtschaftsenglisch erworben und durch die langjährige berufliche Tätigkeit im internationalen Bereich mit Korrespondenz in englischer Sprache vertieft. Vor Aufnahme der Unterrichtstätigkeit hat sie zudem erfolgreich einen Eignungstest ihrer Englischkenntnisse absolviert. Die pädagogischen Kenntnisse und Fähigkeiten hat sich die Klägerin mangels entsprechender Ausbildung durch ihre langjährige Tätigkeit sei 2003 angeeignet und durch Fortbildungsveranstaltungen der Franchisezentrale erweitert, so dass sie insoweit über die erforderliche Mindestqualifikation verfügte. Für ausreichende pädagogische Kenntnisse und Fähigkeiten spricht zudem die Mitwirkung der Klägerin bei der Erstellung der Schuleingangsprofile der von ihr unterrichteten Vorschulkinder. Ein weiteres gewichtiges Indiz hierfür bildet schließlich das Angebot der Stadt A an die Klägerin, regulären Englischunterricht in einer 3. und 4. Klasse einer Grundschule zu halten.

     

    Praxishinweis

    Die in den Streitjahren gültigen Regelungen zur Unterrichtsleistung stand im Widerspruch zu EU-Vorgaben und warfen in Besteuerungspraxis und Rechtsprechung zahlreiche Probleme auf. Mit der Novellierung fasste der Gesetzgeber die drei Begünstigungsvorschriften in einem völlig neuen § 4 Nr. 21 UStG zusammen. Dabei wurden die nach EU-Recht in zwei Buchstaben getrennten Vorschriften für Bildungseinrichtungen (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) und für Privatlehrer (Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL) bei weitgehend gleichem Aufbau/gleicher Terminologie zusammengeführt.

     

    Aus der Sicht eines Dozenten sind folgende drei Fälle der umsatzsteuerlichen Begünstigung zu unterscheiden:

    • Er kann selbst als Bildungseinrichtung („mit vergleichbarer Zielsetzung“) in der Rechtsform eines Einzelunternehmers auftreten.
    • Oder er wirkt an einer begünstigten Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung in freier Mitarbeit als selbstständig tätige Lehrkraft. Die Befreiung der Bildungseinrichtung gilt dann auch für ihn.
    • Schließlich besteht die aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL herrührende Begünstigung für Privatlehrer.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Jahressteuergesetz 2013 - Die geplante Novellierung der Umsatzsteuerfreiheit für Bildungsleistungen ab 1.1.13 (Nieskoven, PFB 12, 120)
    Quelle: ID 43534537