23.08.2022 · IWW-Abrufnummer 230904
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 05.07.2022 – 6 Sa 54/22
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - 4 Ca 488/21 - vom 25. Januar 2022 werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens (einschließlich der Kosten der Anschlussberufung) tragen die Klägerin zu 20 %, die Beklagte zu 80 %.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Unterlassung gegen die Beklagte aufgrund von Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten gegenüber der neuen Arbeitgeberin der Klägerin.
Die Klägerin war kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19. Januar 2021 (Bl. 17 ff. d. A.) ab 15. Februar 2021 bei der Beklagten als Leitende Fachkraft Gesundheitswesen für den Geschäftsbereich Alltagspaten (Dienstleistungen im Rahmen der Alltagsbegleitung) beschäftigt. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. April 2021 zum 31. Mai 2021. Mit Anwaltsschreiben vom 03. Mai 2021 (Bl. 9 ff. d. A.) erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung, da die Klägerin bei Abschluss des Arbeitsvertrages fälschlich vorgegeben habe, noch bei ihrem vorherigen Arbeitgeber, der Firma Z., Y.-Stadt, beschäftigt zu sein, während das Arbeitsverhältnis tatsächlich bereits seit 30. September 2020 beendet gewesen sei. Vorsorglich kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit gleichem Schreiben außerordentlich fristlos wegen verschiedener behaupteter Vertragspflichtverletzungen, bezüglich deren Inhaltes auf den Akteninhalt verwiesen wird. Die Einzelheiten der Vorwürfe sind zwischen den Parteien streitig. Im um die Vergütung für den Monat Mai 2021 vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - unter dem Aktenzeichen - 4 Ca 378/21 - geführten Rechtsstreit haben die Parteien sich unter dem 13. Juli 2021 vergleichsweise auf eine Zahlung von 350,00 Euro brutto zur Erledigung des Rechtsstreits geeinigt.
Bereits am 01. Juni 2021 rief der Geschäftsführer der Beklagten bei der neuen Arbeitgeberin der Klägerin ab diesem Tag, der Fa. X. GmbH, an und erklärte, der Lebenslauf der Klägerin habe bei der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses der Parteien eine unwahre Angabe hinsichtlich deren Vorbeschäftigung enthalten. Da die Klägerin - noch im Zeitpunkt des Bewerbungsgesprächs - angegeben habe, eine laufende Anstellung bei der Z., Y.-Stadt, inne zu haben, obwohl sie bereits seit dem 30. September 2020 ohne Anstellung gewesen sei, habe sie sich besser dargestellt, als sie gewesen sei. Weiter erklärte der Geschäftsführer der Beklagten, die Klägerin sei nicht fähig gewesen, selbst einen Dienstplan zu erstellen und habe fremder Hilfe durch ihren Ehemann bedurft, wobei sie einen schwerwiegenden Datenschutzverstoß begangen habe, indem sie vertrauliche Daten an einen Dritten übersandt habe. Der Geschäftsführer der Beklagten gab zudem an, die Klägerin habe andere Mitarbeiterin angewiesen, Pflegeleistungen im rechtlichen Sinne zu erbringen, obwohl nur sog. Alltagsdienste erbracht werden durften, wobei sie konkret das Füttern und Entschleimen eines Kunden angeordnet habe, was aber verboten gewesen sei. Schließlich sei die Klägerin mehrere Nachmittage unentschuldigt von der Arbeit ferngeblieben und habe sich privaten Angelegenheiten gewidmet. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Geschäftsführer der Beklagten zudem gegenüber der neuen Arbeitgeberin der Klägerin erklärt hat, sie habe mehrfach ohne sachlichen Grund Termine mit Neuinteressenten für die Dienstleistungen der Beklagten verschoben, wodurch diese zum erheblichen wirtschaftlichen Schaden der Beklagten abgesprungen seien.
Die Klägerin verlangte mit außergerichtlichem Schreiben vom 19. Juli 2021 von der Beklagten im Hinblick auf die getätigten Äußerungen erfolglos die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Am 13. September 2021 hat sie beim Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - Unterlassungsklage gegen die Beklagte erhoben.
Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, sie habe einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die von ihr beanstandeten, ehrenrührigen Äußerungen unterlasse. Dies folge bereits daraus, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, - zumal unaufgefordert - neue Arbeitgeber über ihr Verhalten bei der Beklagten zu informieren, unabhängig davon, ob und ggf. welches Fehlverhalten sie sich habe zuschulden kommen lassen. Zudem seien die Vorwürfe auch unberechtigt. Es sei unzutreffend, dass zum Zeitpunkt des Bewerbungsgesprächs bei der Beklagten ihr Arbeitsverhältnis beim Pflegedienst Z. in Y.-Stadt bereits seit längerem nicht bestanden habe. Sie sei schlicht längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt gewesen, wobei das Arbeitsverhältnis im Hintergrund weiterbestanden habe. Die als Zeugin benannte Frau W. sei ihr unbekannt. Sie habe auch keine Datenschutzverstöße begangen. Der Dienstplan sei aufgrund von Arbeitsüberlastung teilweise durch ihren Ehemann erstellt worden, wobei der Dienstplan selbst keinerlei Namen enthalten habe. Besonders erschüttert sei sie von dem Vorwurf, dass sie "das Füttern eines Patienten mit Banane usw." angeordnet habe. Sie lebe ein christliches Menschenbild und habe höchsten Respekt gegenüber Patienten, pflegebedürftigen Personen usw., sodass allein aufgrund dieser Lebensauffassung der Begriff "Füttern" in Verbindung mit Menschenleben für sie tabu sei. Sie sei auch nicht unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben. Sie habe immer alle angeordneten Termine wahrgenommen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, sie sei bereits nicht aktivlegitimiert. Da ihr Geschäftsführer die beanstandeten Äußerungen getätigt habe, sei dieser der richtige Klagegegner. Ihr Geschäftsführer sei aber auch berechtigt gewesen, die beanstandeten Äußerungen zu tätigen. Die Beklagte bzw. ihr Geschäftsführer hätten ein berechtigtes Interesse an der Offenlegung der Handlungen der Klägerin gehabt. Ihrem Geschäftsführer sei es alleine darum gegangen, den neuen Arbeitgeber und dessen Kunden vor Schaden zu bewahren, nachdem ihm vor Augen geführt worden sei, in welcher Art und Weise die Klägerin die Kunden und die Zulassung bzw. den Ruf der Beklagten in Gefahr gebracht habe. Insbesondere seien die erhobenen Vorwürfe auch zutreffend. Die erste Behauptung, die Klägerin habe wahrheitswidrig angegeben, noch bei einem anderen Arbeitgeber, der Firma Z., Y.-Stadt, angestellt zu sein, sei wahr. Tatsächlich habe zum Zeitpunkt des Bewerbungsgesprächs, anders als dies im Lebenslauf angegeben gewesen sei, kein Arbeitsverhältnis mit dem vorherigen Arbeitgeber mehr bestanden, sondern die Anstellung habe schon zum 30. September 2020 geendet. Es sei ungewöhnlich, in dieser Branche und mit der (formalen) Qualifikation der Klägerin so lange ohne Anstellung zu sein, ohne diese Pause jedenfalls sachlich begründen zu können, z.B. wegen Krankheit, Übernahme der Pflege eines Verwandten oder ähnlichem. Dies hätte unmissverständlich darauf hingedeutet, dass die Klägerin das vorherige Arbeitsverhältnis nicht freiwillig aufgegeben habe. Bei wahrheitsgemäßer Angabe der Umstände wäre kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen. Weiter habe sich herausgestellt, dass auch weitere Teile des Lebenslaufs der Klägerin falsch gewesen seien. Die Zeugin Frau U. W. habe angegeben, die Klägerin zu kennen. Sie habe mit der Klägerin ungefähr im Zeitraum von 2013 bis 2016 bei dem Pflegezentrum "T." zusammengearbeitet. Auch dort habe sie sich so grobe Pflichtverletzungen geleistet, dass ihr Arbeitsverhältnis damit geendet habe, dass sie gekündigt worden und aktiv zur Tür nach draußen begleitet worden sei. Diese Station von über drei Jahren habe die Klägerin in ihrem Lebenslauf verschwiegen. Es sei daher davon auszugehen, dass auch weitere Stationen nicht der Realität entsprechen. Die zweite Behauptung sei ebenso wahr. Sie habe nachträglich durch Auswertung der betrieblichen E-Mails (Bl. 58 d. A.) festgestellt, dass die Klägerin den Dienstplan - offenbar mangels technischer Befähigung - nicht selbst erstellt, sondern von ihrem Ehemann, V. A., habe erstellen lassen. Sie habe also die vertraulichen Daten der anderen Mitarbeiterinnen und der Kunden der Beklagten an ihren Ehemann über dessen fremde betriebliche E-Mail-Adresse versendet. Dieser habe die Daten verarbeitet. Das fertige Werk habe die Klägerin außerdem an ihre eigene private E-Mail-Adresse versendet. Die dritte Behauptung sei ebenso wahr. Die Klägerin habe die ehemalige Mitarbeiterin S. R. angewiesen, bei zumindest einem Kunden, Herrn Q. P., echte Pflegedienstleistungen zu erbringen, obwohl die Mitarbeiterinnen, wie die Klägerin gewusst habe, nur Dienste der sog. niedrigschwelligen Pflege ("Alltagsbegleitung") nach §§ 45a ff. SGB XI hätten erbringen dürfen. Die Klägerin habe insbesondere das Füttern einer Banane, das Umlagern im Bett und das Entschleimen angeordnet, was echte Pflegeleistungen seien, die nicht unter das Leistungsangebot der Beklagten fielen. Ferner sei sogar bekannt, dass Herr P. unter Schluckbeschwerden gelitten habe, weshalb es sogar potentiell lebensgefährlich gewesen sei, Dienst wie das Füttern anzubieten. Die Klägerin habe dadurch nicht nur wissentlich die ihr obliegenden gesetzlichen Pflichten verletzt, sondern die Beklagte und deren Zulassung als Alltagsbegleiterin empfindlich gefährdet. Auch die vierte Behauptung sei wahr. Die Klägerin habe viele Nachmittage die Arbeit ohne Erlaubnis niedergelegt und sei unter der Falschangabe, sie habe Außentermine wahrzunehmen, nach Hause gefahren oder sei anderen privaten Tätigkeiten nachgegangen. Dies ergebe sich aus den Aufzeichnungen des Diensthandys.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 25. Januar 2022 antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, auf potentielle künftige Arbeitgeber der Klägerin zuzugehen und Behauptungen aufzustellen hinsichtlich der wahrheitswidrigen Angabe eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses bei ihrer Bewerbung, zu deren Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen durch Erstellung des Dienstplans durch ihren Ehemann, bezüglich der Anweisung an Mitarbeiterinnen, verbotene Pflegedienstleistungen zu erbringen und hinsichtlich der Niederlegung der Arbeit an mehreren Nachmittagen gegenüber potentiellen künftigen Arbeitgebern. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei nur im Hinblick auf die Spiegelstriche 1, 2, 3 und 5 begründet. Die Klägerin habe einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 iVm. § 823 Abs. 1 BGB iVm. dem von Art. 1 und 2 GG garantierten Persönlichkeitsrecht. Die Kammer schließe sich der bisherigen Rechtsprechung an, dass Arbeitgeber nicht grundsätzlich daran gehindert seien, Auskünfte über die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses auch gegen den Willen des ausgeschiedenen Arbeitnehmers zu erteilen, um andere Arbeitgeber bei der Wahrung ihrer Belange zu unterstützen, wobei es im Einzelfall einer Güter- und Interessenabwägung bedürfe, um zu klären, ob dem Persönlichkeitsrecht des einen gleichwertige und schutzwürdige Interessen anderer gegenüberstünden. Die insoweit vorzunehmenden Überlegungen würden auch von den Wertungen des Datenschutzrechts bestätigt. Gemessen daran habe die Klägerin einen Anspruch auf Unterlassung der tatsächlich getätigten Äußerungen, namentlich der in den Spiegelstrichen 1, 2, 3, und 5. Die Beklagte sei passivlegitimiert, da die Handlungen des Geschäftsführers der Beklagten, der auch nach den Behauptungen der Beklagten nicht als Privatperson tätig geworden sei, dieser zuzurechnen seien. Für die genannten Äußerungen bestehe eine Wiederholungsgefahr, da der Geschäftsführer diese Äußerungen ohne relevante Abweichungen geäußert habe. Eine die Wiederholungsgefahr beseitigende Unterlassungserklärung habe die Beklagte nicht abgegeben. Die vorzunehmende Interessenabwägung führe dazu, dass keine der vier Äußerungen berechtigt gewesen sei. Es könne offenbleiben, ob die Angaben im Lebenslauf der Klägerin fehlerhaft seien, jedenfalls seien die Abweichungen angesichts des ständig wechselnde Arbeitgeber und teilweise Lücken aufweisenden Lebenslaufs der Klägerin nicht so gravierend, dass sich ein Informations-Interesse eines Arbeitgebers in der Interessenabwägung durchsetzen könne. Gleiches gelte für den Vorwurf, die Klägerin habe bei der Erstellung von Dienstplänen Datenschutzverstöße begangen, was bereits zweifelhaft sei, da die Beklagte solche nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt habe. Selbst bei deren Vorliegen sei es jedenfalls erforderlich gewesen, die Klägerin im Rahmen einer Abmahnung auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen und allenfalls bei einem weiteren Verstoß könne die Information eines potentiellen neuen Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Soweit die Beklagte der Klägerin vorwerfe, andere Mitarbeiter zu verbotenen Pflegediensthandlungen angewiesen zu haben, überwögen angesichts dieses einmaligen Fehlverhaltens, welches nicht zu einem Schaden geführt habe, die Interessen der Beklagten nicht. Der Vorwurf des unentschuldigten Fehlens sei von der Beklagten unsubstantiiert vorgetragen worden. Bezüglich der im Spiegelstrich 4 des Klageantrags genannten Äußerung bestehe keine Wiederholungsgefahr, da die Beklagte sie bestritten und die Klägerin sie nicht bewiesen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 93 ff. d. A. verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das am 07. Februar 2022 zugestellte Urteil mit am 28. Februar 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 11. April 2022, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, begründet. Die Klägerin hat mit innerhalb verlängerter Berufungserwiderungsfrist eingegangenem Schriftsatz vom 25. Mai 2022 Anschlussberufung eingelegt und diese sogleich begründet.
Die Beklagte macht zweitinstanzlich zur Begründung ihrer Berufung und zur Verteidigung gegen die Anschlussberufung nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 11. April 2022 (Bl. 141 ff. d. A.) und ihres Schriftsatzes vom 28. Juni 2022 (Bl. 183 f. d. A.), wegen deren weiteren Inhaltes ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend,
das Arbeitsgericht habe der Klägerin rechtsfehlerhaft einen Unterlassungsanspruch zuerkannt und den zugrundeliegenden Sachverhalt falsch und unvollständig gewürdigt. Das Urteil leide im Wesentlichen daran, dass das Arbeitsgericht die ausführlich dargelegten Interessen der Beklagten nicht umfassend gewürdigt habe, der es allein darum gegangen sei, den neuen Arbeitgeber und dessen Kunden vor Schaden zu bewahren, nachdem ihr vor Augen geführt worden sei, in welcher Art und Weise die Klägerin vor allem Kunden, aber auch die Zulassung der Beklagten in Gefahr gebracht habe. Hinsichtlich der Handlungsanweisung zur Aufführung unbefugter Dienste habe das Arbeitsgericht verkannt, dass es nicht jeweils einer vorangegangenen Abmahnung bedurft habe. Zum einen sei ihr das nicht möglich gewesen, weil sie insbesondere von der Erstellung des Dienstplans erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfahren habe. Zum anderen sei eine Abmahnung keine Rechtsfrage im Rahmen des § 1004 BGB. Das Fehlverhalten sei ein potentiell lebensbedrohliches Arbeitsverhalten gegenüber dem - der Klägerin bekannt - unter Schluckbeschwerden leidenden Kunden P. gewesen. Das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis der Interessenabwägung sei angesichts des typischerweise gefährlichen Verhaltens schlicht unhaltbar. Auch eine einmalige vorsätzliche Pflichtverletzung, die zu einer erheblichen Gefährdung von Leib und Leben anderer führe, könne angesichts einer Prognoseentscheidung unter dem Aspekt der zukünftigen Vermeidung von Risiken weiterer Pflichtverletzungen einen Grund für eine (außer-) ordentliche Kündigung darstellen. Es liege eine sichere Tatsachengrundlage für die Präventivmaßnahme des aktiven Informierens des künftigen Arbeitgebers vor. Auch die übrigen Handlungen seien gerechtfertigt gewesen. Die Klägerin habe schon (mindestens) einmal gegenüber der Beklagten falsche Angaben zu ihrem Lebenslauf gemacht und es sei zu befürchten, dass sie gegenüber anderen Arbeitgebern auch falsche Angaben mache. Auch sei zu befürchten gewesen, dass die Klägerin mit anderen personenbezogenen Daten ähnlich unsachgemäß umgehen werde. Beim unentschuldigten Fernbleiben von der Arbeit drohe abermals dem Arbeitgeber und dem Kunden ein hoher Schaden. Der Einwand des Gerichts, der Umstand sei nicht substantiiert vorgetragen, greife nicht, es sei Beweis angeboten worden.
Die Beklagte beantragt,
Die Klägerin beantragt - teilweise im Wege der Anschlussberufung -,
Die Beklagte beantragt,
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und begründet ihre Anschlussberufung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 25. Mai 2022 (Bl. 167 ff. d. A.), hinsichtlich deren Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen wird zweitinstanzlich wie folgt,
es fehle für die teilweise Klageabweisung an einer schlüssigen Begründung. Das Arbeitsgericht sei ausweislich der Feststellungen des Protokolls zu einem Zeitpunkt, zu welchem das Gericht sowohl mit dem Streitgegenstand, als auch den einzelnen Einlassungen der Parteien noch zeitlich unmittelbar verbunden gewesen sei, von einer Begründetheit des Klageantrags ausgegangen sei. Die Berufung der Beklagten sei unbegründet. Diese habe die allgemein geltende nachvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers geradezu mit Füßen getreten und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten in einem nicht mehr ansatzweise zu vertretenden Umfang verletzt. Da das Bundesarbeitsgericht bereits bei einer Anfrage eines neuen Arbeitgebers beim Vorarbeitgeber eine zwingend restriktives Verhalten handhabe, gelte dies erst recht bei der aktiven Kontaktaufnahme des früheren Arbeitgebers zu dem späteren Arbeitgeber im Hinblick auf überhaupt nicht angeforderte Auskünfte. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Abwägung sei beim Spannungsverhältnis zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Mitarbeiters und einem schutzwürdigen Interesse eines späteren Arbeitgebers an der Fortsetzung eines ungehinderten und von Belastungen durch einen neuen Mitarbeiter freien Geschäftsbetriebs in keiner Weise zu beanstanden.
Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin sind zulässig, jedoch in der Sache nicht erfolgreich.
I. Zulässigkeitsbedenken bestehen weder hinsichtlich der Berufung der Beklagten, noch der Anschlussberufung der Klägerin.
1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 07. Februar 2022 mit am 28. Februar 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 11. April 2022, eingegangen bei Gericht innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsschrift am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 520 Abs. 3 ZPO).
2. Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat ihre Anschlussberufung gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG fristgerecht innerhalb verlängerter Berufungserwiderungsfrist bei Gericht eingelegt und sie zugleich begründet (§ 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 ArbGG).
II. Berufung und Anschlussberufung sind nicht begründet und waren zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, es zu unterlassen, auf potentielle Arbeitgeber der Klägerin zuzugehen und die aus dem erstinstanzlichen Tenor ersichtlichen Behauptungen aufzustellen, während ein derartiger Anspruch im Hinblick auf den 4. Spiegelstrich des Unterlassungsantrages der Klägerin nicht besteht.
1. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist er nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt genug.
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dürfen ein Unterlassungsantrag und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Inhalt und Umfang eines beantragten Unterlassungsgebots müssen eindeutig feststehen, so dass der Gegner sein Verhalten im Hinblick auf die gem. § 890 Abs. 1 ZPO drohenden Ordnungsmittel nach dem gerichtlichen Unterlassungsurteil richten kann (vgl. BAG 03. Dezember 2008 - 5 AZR 469/07 - Rn. 11 mwN, BGH 4. Oktober 2007 - I ZR 22/05 - mwN Rn. 16, jeweils zitiert nach juris).
b) Der Unterlassungsantrag der Klägerin entspricht in der zuletzt zur Entscheidung gestellten Fassung diesen Anforderungen. Die zur Umschreibung des Verbots verwendeten Begriffe sind hinreichend konkret gefasst und es wird ersichtlich, dass die Klägerin die Unterlassung der im Einzelnen aufgeführten Behauptungen begehrt.
2. Die Klage ist hinsichtlich der in den Spiegelstrichen 1, 2, 3 und 5 des Klageantrages enthaltenen Behauptungen (Erschleichen des Abschlusses des Arbeitsvertrages durch falsche Angaben im Lebenslauf, Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen durch Dienstplanerstellung durch den Ehemann der Klägerin, Anweisung von Mitarbeitern zu verbotenen Pflegedienstleistungen, Niederlegung der Tätigkeit) begründet, da der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1, 2 GG zusteht. Hinsichtlich der Behauptung im Spiegelstrich 4 (Terminsverschiebungen gegenüber Neu-Interessenten) ist der Anspruch demgegenüber unbegründet. Hiervon ist das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen.
a) Bei objektiv rechtswidrigen Eingriffen in sein Persönlichkeitsrecht hat der Arbeitnehmer entsprechend §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1, 2 GG einen Anspruch auf Unterlassung weiterer Eingriffe (vgl. BAG 26. August 1997 - 9 AZR 61/96 - Rn. 16, BAG 04. April 1990 - 5 AZR 299/89 - Rn. 16). Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts liegt vor bei einem Eingriff in die Individualsphäre, zu der auch das berufliche Wirken des Betroffenen gehört (BAG 18. Dezember 1984 -3 AZR 389/83 - Rn. 10, zitiert nach juris). Das durch Art. 1 und 2 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Arbeitnehmer nicht nur vor einer zu weitgehenden Kontrolle und Ausforschung seiner Persönlichkeit, sondern es umfasst ebenfalls den Schutz vor der Offenlegung personenbezogener Daten, und zwar auch solcher, von denen der Arbeitgeber in zulässiger Weise Kenntnis erlangt hat (BAG 04. April 1990 - 5 AZR 299/89 - Rn. 17, aaO). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BAG 04. April 1990 - 5 AZR 299/89 - Rn. 14, aaO). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch nicht schrankenlos. Wo die Grenze eines unantastbaren Bereichs privater Lebens- und Informationsgestaltung endet, bestimmt sich im Einzelfall nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BAG 04. April 1990 - 5 AZR 299/89 - Rn. 17, aaO). Danach können Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht durch die Wahrnehmung überwiegend schutzwürdigender Interessen gerechtfertigt sein. Insoweit bedarf es im Einzelfall einer Güter- und Interessenabwägung um zu klären, ob dem Persönlichkeitsrecht des einen gleichwertige und schutzwürdige Interessen anderer gegenüberstehen (vgl. BAG 04. April 1990 - 5 AZR 299/89 - Rn. 18, aaO). Der Arbeitgeber ist aus dem Gesichtspunkt der nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten, über die Erteilung eines Zeugnisses hinaus im Interesse des ausgeschiedenen Arbeitnehmers Auskünfte über diesen an solche Personen zu erteilen, mit denen der Arbeitnehmer in Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages steht; solche Auskünfte darf der Arbeitgeber auch gegen den Willen des Arbeitnehmers erteilen; er kann grundsätzlich nicht gehindert werden, andere Arbeitgeber bei der Wahrung ihrer Belange zu unterstützen (BAG 18. Dezember 1984 - 3 AZR 389/83 - Rn. 11, aaO). Die Auskünfte, zu denen der Arbeitgeber berechtigt ist, betreffen nur Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses (BAG 18. Dezember 1984 - 3 AZR 389/83 - Rn. 11, aaO).
b) Anders als die Berufung meint, hat das Arbeitsgericht der Klägerin zu Recht hinsichtlich der in den Spiegelstrichen 1, 2, 3 und 5 des Klageantrages enthaltenen Behauptungen einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1, 2 GG zuerkannt. Es kann dahinstehen, ob ein Auskunftsrecht des Arbeitgebers nach umfassender Güter- und Interessenabwägung auch gegen den ausdrücklichen Willen des betroffenen Arbeitnehmers angesichts der zwischenzeitlichen Entwicklung des Datenschutzrechts und der Rechtsprechung zum Persönlichkeitsschutz überhaupt noch denkbar ist (verneinend: Schaub-Arbeitsrechtshandbuch - Linck 19. Aufl. 2021 § 147 Rn. 45, MüKo BGB -Henssler 8. Aufl. 2020 § 630 Rn. 85, ErfK - Müller-Glöge 22. Aufl. 2022 § 109 BGB Rn. 61). Auch bei Anlegung des von der Rechtsprechung weiter gefassten Maßstabs wie dargelegt, dem die Berufungskammer sich anschließt, hat die Beklagte - durch den für sie handelnden Geschäftsführer - am 01. Juni 2021 das Persönlichkeitsrecht der Klägerin durch die unstreitig getätigten Behauptungen zu 1, 2, 3 und 5 verletzt. Nachdem die Beklagte zudem die von der Klägerin verlangte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat, bestehen insoweit keine Zweifel an der materiell-rechtlich für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr (vgl. hierzu BAG 20. Dezember 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 12, zitiert nach juris). Die Klägerin kann die begehrte Unterlassung auch dann verlangen, wenn zugunsten der Beklagten, die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. MüKo BGB - Henssler aaO § 630 Rn. 89), als zutreffend unterstellt wird, dass ihre Behauptungen substantiiert dargetan und wahrheitsgemäß sind.
Die Beklagte hat kein das Interesse der Klägerin an informationeller Selbstbestimmung übersteigendes Interesse an der Verbreitung der Behauptung, die Klägerin habe den Abschluss des Arbeitsvertrages bei der Beklagten durch unwahre Angaben über ihre Vorbeschäftigung erschlichen. Beim behaupteten Verhalten handelt es sich bereits nicht um ein Verhalten oder eine Leistung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich um ein solches bei Anbahnung desselben. Im Übrigen ist - selbst wenn man annimmt, die Beklagte habe ausschließlich zu Gunsten der neuen Arbeitgeberin der Klägerin gehandelt - in keiner Weise ersichtlich, aus welchen Gründen zu befürchten stehen soll, dass die Klägerin, deren Lebenslauf wie vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, erkennbar von häufigen Arbeitgeberwechseln geprägt und teilweise lückenhaft ist, (unterstellt:) erneut falsche Angaben zu einer bereits in der Vergangenheit liegenden Beschäftigung macht und aus welchen Gründen das Interesse der Beklagten an der Information der neuen Arbeitgeberin zu Lasten der Klägerin deren Interesse an informationeller Selbstbestimmung übersteigen sollte. Wenn die Berufungsbegründung darüber hinaus sogar anführt, es sei zu befürchten, dass die Klägerin auch mit anderen personenbezogenen Daten ähnlich unsachgemäß umgehe, handelt es sich um eine schlichte Vermutung ins Blaue hinein, für die sachliche Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind. Demgegenüber hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran, den Verlauf vorangegangener Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrer persönlichen Wahrnehmung zu schildern und nicht befürchten zu müssen, dass subjektive Wahrnehmungen der Beklagten ihren Ruf schädigen.
Auch hinsichtlich des Vorwurfs, die Klägerin habe gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen, indem sie ihren Ehemann veranlasst habe, den Dienstplan zu erstellen, kann die Beklagte sich nicht auf ein überwiegendes Interesse an der Weitergabe dieser als zutreffend unterstellten Information an die neue Arbeitgeberin der Klägerin berufen. Die Beklagte führt selbst an, die Klägerin habe den Dienstplan offenbar aufgrund eigenen technischen Unverständnisses von ihrem Ehemann erstellen lassen. Es ist - selbst wenn das Verhalten der Klägerin datenschutzrechtlich problematisch gewesen sein sollte - nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beklagte ein überwiegendes Interesse daran haben sollte, technische Schwächen der Klägerin in einem Einzelfall gegenüber der neuen Arbeitgeberin der Klägerin zu offenbaren, nachdem Anhaltspunkte für künftiges Fehlverhalten nicht existieren und ein Schaden offensichtlich im konkreten Fall nicht eingetreten ist.
Ähnliches gilt für die Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten, die Klägerin habe Mitarbeiterinnen angewiesen, Pflegedienstleistungen an Kunden zu erbringen, obwohl genehmigtes Betätigungsfeld der Beklagten lediglich eine Alltagsbegleitung ist. Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Klägerin vor dem geschilderten Hintergrund nicht berechtigt war, derartige Pflegedienstleistungen anzuweisen und ihr dies als Leitender Fachkraft Gesundheitswesen der Geschäftsbereich der Beklagten auch klar sein musste, gerade angesichts der als wahr unterstellten Tatsache, dass der Kunde P. unter Schluckbeschwerden litt. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass die Klägerin, die sich auf ihr christliches Menschenbild berufen hat, ihre Anweisungen nicht aus niederen Motiven heraus erteilte. Da ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Telefonvermerks vom 06. Mai 2021 (Bl. 60 d. A.) nach Mitteilung der Ehefrau des Kunden die Klägerin zudem keine vollständige Übernahme der Pflegemaßnahme durch eine Mitarbeiterin der Beklagten angewiesen hat, sondern diese lediglich die Ehefrau des Kunden hierbei und beim Umlagern unterstützen sollte, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beklagte ein das Persönlichkeitsrecht der Klägerin übersteigendes Interesse an der Verbreitung der Information haben sollte, zumal der Kunde jedenfalls konkret nicht zu Schaden gekommen ist.
Soweit der Geschäftsführer der Beklagten der neuen Arbeitgeberin der Klägerin ungefragt angezeigt hat, die Klägerin habe im Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten an mehreren Nachmittagen die Arbeit ohne Erlaubnis niedergelegt, handelte es sich um arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen, wie sie in einem Arbeitsverhältnis vorkommen können, wenn auch nicht vorkommen sollten. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass im Rahmen der Interessenabwägung nach § 1004 BGB iVm. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1, 2 GG kein Abmahnungserfordernis zu prüfen ist. Dennoch dient - vom Arbeitsgericht an anderer Stelle thematisiert - die Überlegung, ob ein Verhalten im bestehenden Arbeitsverhältnis einer Abmahnung zuzuführen gewesen wäre, der Ermittlung der Schwere der vorgeworfenen Pflichtverletzung. Angesichts der Tatsache, dass unentschuldigtes Fehlen in der Regel lediglich nach Abmahnung kündigungsrelevant ist, ist kein das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin übersteigendes Interesse der Beklagten an der Weitergabe einer derartigen, nicht gravierenden Pflichtverletzung an die neue Arbeitgeberin der Klägerin zu erkennen.
Insgesamt vermochte sich die Berufungskammer nicht des Eindrucks zu erwehren, dass die Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten, die jedenfalls ein erweitertes Verantwortungsverständnis nahelegen, ihren Grund zu einem erheblichen Teil in der Auseinandersetzung der Parteien im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses haben. Hierfür spricht bereits der zeitliche Zusammenhang, da die Beklagte nach Ausspruch der Eigenkündigung der Klägerin am 03. Mai 2021 selbst eine außerordentliche fristlose Kündigung erklärt hat, die sie - bis auf einen - mit exakt den Vorwürfen begründet hat, die sie an die neue Arbeitgeberin der Klägerin weitergegeben hat. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte sich zudem bereits den ersten Arbeitstag der Klägerin in der neuen Beschäftigung für ihren informativen Anruf ausgesucht hat, wo die Klägerin einen persönlichen Eindruck noch nicht hinterlassen haben konnte, erweckt den Anschein, dass die Beklagte - zumindest auch - die Absicht hatte, der Klägerin zu schaden. Für ein derartiges Ansinnen besteht kein berechtigtes Interesse der Beklagten.
c) Entgegen der Auffassung der Anschlussberufung hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich des 4. Spiegelstrichs des Antrags zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat ausdrücklich bestritten, dass ihr Geschäftsführer im Gespräch vom 01. Juni 2021 mit der neuen Arbeitgeberin der Klägerin behauptet hat, diese habe mehrfach ohne sachlichen Grund Termine mit Neuinteressenten an den Dienstleistungen der Beklagten verschoben, was zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden auf Seiten der Beklagten geführt habe. Die Klägerin, die die Darlegungs- und Beweislast für die Wiederholungsgefahr trägt (vgl. Staudinger - Thole BGB (2019) § 1004 Rn. 461), hat Beweis für ihre gegenteilige Behauptung bis zuletzt nicht angetreten, weshalb bereits nicht von der für den klägerischen Anspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 1, 2 GG erforderlichen Wiederholungsgefahr auszugehen ist. Die Einlassungen der Anschlussberufung zur folgerichtig formulierten erstinstanzlichen Entscheidung, die sich zur Wiederholungsgefahr nicht verhalten, vermögen das Begehren der Klägerin nicht zu tragen.
B
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.
Verkündet am 05.07.2022