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04.06.2013 · IWW-Abrufnummer 132489

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 18.04.2013 – 10 Sa 10/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 31. Oktober 2012, Az.: 1 Ca 1221/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Beklagte betreibt eine Zahnarztpraxis. Zweitinstanzlich ist unstreitig, dass er regelmäßig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt. Die 1957 geborene Klägerin (verheiratet, zwei volljährige Kinder) ist seit dem 01.10.2003 bei dem Beklagten mit einer Arbeitszeit von 24 Wochenstunden zu einem Monatsgehalt von zuletzt € 2.090,00 brutto angestellt. Zu ihren Arbeitsaufgaben gehörte der Empfang der Patienten in der Praxis und am Telefon, die Terminvergabe und sonstige Verwaltungsarbeiten.

Mit Schreiben vom 29.05.2012 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.08.2012. Mit ihrer am 18.06.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Sozialwidrigkeit der Kündigung iSd. § 1 KSchG geltend gemacht. Die Kündigung verstoße jedenfalls gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 31.10.2012 (dort Seite 2-7 = Bl. 76-82 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde aufgrund der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Die ordentliche Kündigung des Beklagten verstoße nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Die drei Zahnarzthelferinnen, die der Beklagte in seiner Praxis weiter beschäftige, seien unstreitig bereits seit 15, 18 und 22 Jahren beschäftigt, während die Klägerin zuletzt erst im Jahr 2003 angestellt worden sei. Die drei Zahnarzthelferinnen (geb. 1972, 1974, 1978) seien zwar deutlich jünger als die Klägerin (geb. 1957), dies sei jedoch nicht ausschlaggebend, zumal die Klägerin nicht vorgetragen habe, dass sie ggü. ihren 23 und 27 Jahre alten Kindern noch zum Unterhalt verpflichtet sei. Zudem habe der Beklagte für die Kündigung auch einleuchtende Gründe im Sinne einer unternehmerischen Entscheidung aufgeführt, die selbst bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf Willkür zu überprüfen wären. Allenfalls könnte sich die Klägerin darauf berufen, dass der Beklagte als Schwangerschaftsvertretung für eine langjährig beschäftigte Zahnarzthelferin eine Vertretungskraft (Frau P.) befristet eingestellt habe. Es fehle bereits an einem Vortrag der Klägerin, dass die Vertretungskraft noch während des Laufs ihrer Kündigungsfrist eingestellt worden sei. Entscheidend sei jedoch, dass die Klägerin - trotz ausdrücklichen Bestreitens des Beklagten - nicht konkret dargetan habe, dass sie mit diesen Zahnarzthelferinnen sozial vergleichbar sei, obwohl sie unstreitig seit 1985 und damit über 25 Jahre nicht mehr als Zahnarzthelferin gearbeitet habe.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 8-12 des erstinstanzlichen Urteils vom 31.10.2012 (Bl. 82-86 d.A.) Bezug genommen. Das Urteil ist der Klägerin am 04.12.2012 zugestellt worden. Sie hat mit am 04.01.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18.02.2013 verlängerten Begründungsfrist mit am 18.02.2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin macht geltend, das Arbeitsgericht habe die Rechtslage verkannt. Die Kündigung sei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unwirksam. Der Bedarf an ihrer Arbeitskraft sei - bezogen auf ihre bisherigen Tätigkeiten - nicht weggefallen. Der Beklagte habe für die Kündigung keine einleuchtenden Gründe vorgetragen. Es sei nicht verständlich, wie ihr bisheriges Arbeitsfeld von den verbleibenden Arbeitskräften ohne Mehrarbeit oder ohne Neueinstellungen verrichtet werden solle. Ihre Arbeitsaufgaben am Empfang und im Verwaltungsbereich, die der Beklagte in ihrem Arbeitszeugnis (Bl. 69-70 d.A.) im Einzelnen aufgelistet habe, müssten noch im gleichen Umfang wie bisher erledigt werden. Gegen den gänzlichen Wegfall ihres Beschäftigungsbedarfs spreche auch der Umstand, dass der Beklagte im zeitlichen Zusammenhang mit ihrem Ausscheiden zwei Auszubildende eingestellt habe. Außerdem habe der Beklagte nach Ausspruch ihrer Kündigung Frau P. eingestellt. All dies mache die Kündigung nicht "einleuchtend". Zumindest hätte ihr der Beklagte als milderes Mittel anbieten müsse, die Wochenstundenzahl zu verringern.

Das Arbeitsgericht hätte das Vorliegen eines "erdienten Vertrauens" nicht verneinen dürfen. Es hätte nicht starr auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit der anderen Mitarbeiterinnen abstellen dürfen, sondern zu ihren Gunsten berücksichtigen müssen, dass sie bereits 54 Jahre alt und noch ggü. einem Kind zum Unterhalt verpflichtet sei. Jedenfalls hätte sie der Beklagte anstelle von Frau P. als Schwangerschaftsvertretung heranziehen müssen, wenn es tatsächlich zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs an ihrem bisherigen Arbeitsplatz gekommen sein sollte. Auch insoweit habe der Beklagte nicht das erforderliche Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme gewahrt. Sie habe zwar seit 1985 nicht mehr als Zahnarzthelferin gearbeitet, den Beruf jedoch in der Praxis des Beklagten von 1977 bis 1979 erlernt und bis 1985 auch ausgeübt. Sie wäre nach einer Anlernzeit von drei Monaten in der Lage gewesen, wieder in ihrem alten Beruf zu arbeiten. Darüber hinaus hätte sie der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung anhören müssen. Auch dies sei Bestandteil des Mindestmaßes an sozialer Rücksichtnahme.

Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 18.02.2013 (Bl. 120-132 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 31.10.2012, Az.: 1 Ca 1221/12, abzuändern und

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 29.05.2012 zum 31.08.2012 aufgelöst worden ist,

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) den Beklagten zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrags im Bereich der Empfangsarbeiten, der Bearbeitung der Termine und des Telefondienstes und der übrigen Verwaltungsarbeiten weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 28.03.2013, auf die Bezug genommen wird (Bl. 136-138 d.A.), als zutreffend. Die Gründe für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin lägen in der Umstrukturierung seiner Zahnarztpraxis. Wie erstinstanzlich vorgetragen, beabsichtige er, seinen Betrieb altersbedingt "zurückzufahren". Demzufolge habe er die unternehmerische Entscheidung getroffen, der Klägerin zu kündigen und ihre bisherigen Aufgaben, ua. die Empfangstätigkeit und den Telefondienst, unter den verbleibenden Mitarbeitern aufzuteilen. Dies sei ohne Probleme möglich. Der Beschäftigungsbedarf habe sich auch durch die Änderung der Praxisstruktur verringert, weil er schwerpunktmäßig Wurzelbehandlungen durchführe. Die Patienten würden hauptsächlich von anderen Kollegen überwiesen. Er sei nicht zu einer Sozialauswahl verpflichtet gewesen. Die Klägerin sei mit dem zahnmedizinischen Fachpersonal nicht vergleichbar, weil sie diese Tätigkeit seit 1985 nicht mehr ausgeübt habe. Frau P. habe er erst nach Ablauf der Kündigungsfrist der Klägerin als Schwangerschaftsvertretung befristet eingestellt. Sie werde als zahnmedizinische Fachangestellte eingesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Klageantrag zu 1) zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 29.05.2012 unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.08.2012 beendet worden. Der auf Weiterbeschäftigung gerichtete Hilfsantrag zu 2) fällt nicht zur Entscheidung an. Er ist für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) gestellt. Diese Bedingung ist nicht eingetreten.

Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und überzeugend begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer umfassenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Das Vorbringen veranlasst lediglich folgende Ausführungen:

1. Die Kündigung ist nicht sozialwidrig iSd. § 1 Abs. 2 KSchG. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes finden auf das Arbeitsverhältnis nach § 23 Abs. 1 KSchG keine Anwendung. Der Beklagte beschäftigt in seiner Zahnarztpraxis unstreitig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer.

2. Die Annahme des Arbeitsgerichts, die ordentliche Kündigung des Beklagten verstoße nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), ist nicht zu beanstanden.

a.) Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die Vorschrift des § 242 BGB auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb in der Regel nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Schließlich darf auch ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben. Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts scheidet dagegen aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt (BAG 28.08.2003 - 2 AZR 333/02 - AP BGB § 242 Kündigung Nr. 17, mwN).

Wenn bei einer Kündigung eine Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern zu treffen ist, muss auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit im Kleinbetrieb die Grundsätze des § 1 KSchG über die Sozialauswahl entsprechend anwendbar wären. Ist allerdings auf den ersten Blick erkennbar, dass der Arbeitgeber einen erheblich weniger schutzbedürftigen, vergleichbaren Arbeitnehmer als den Kläger weiterbeschäftigt, so spricht dies dafür, daß er das erforderliche Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen hat und deshalb die Kündigung treuwidrig ist (BAG 06.02.2003 - 2 AZR 672/01 - AP KSchG 1969 § 23 Nr. 30, mwN).

b.) Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen, denen auch die Berufungskammer folgt, ist die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 29.05.2012 nicht treuwidrig.

aa.) Entgegen der Ansicht der Berufung hat der Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht ohne einen irgendwie einleuchtenden Grund gekündigt.

Es ist Teil der unternehmerischen Freiheit des Beklagten, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er seine zukünftige Berufstätigkeit als Zahnarzt altersbedingt einschränken bzw. inwieweit er künftig mit weniger Personal arbeiten will. Da das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar ist, ist nicht zu prüfen, ob die streitgegenständliche Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in der Zahnarztpraxis des Beklagten entgegenstehen, bedingt ist. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang einwendet, es sei nicht verständlich, wie ihr bisheriges Arbeitsfeld, insb. Empfang der Patienten, Terminvergabe, Telefondienst, sonstige Verwaltungsarbeiten, von den verbleibenden Arbeitskräften ohne Mehrarbeit oder ohne Neueinstellungen bewältigt werden solle, verkennt sie, dass der Beklagte sein Vorbringen nicht im Ausmaß der kündigungsschutzrechtlichen Darlegungslast konkretisieren muss. Der Arbeitgeber im Kleinbetrieb muss zur Begründung der Kündigung, die er auf betriebsbedingte Gründe stützt, nur so viel vortragen, dass der Vorwurf der Treuwidrigkeit ausscheidet. Der Beklagte durfte sich daher damit begnügen, vorzutragen, dass er die bisherigen Aufgaben der Klägerin unter den verbleibenden Mitarbeitern aufteilt; dies sei ohne Probleme möglich.

Weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, war der Beklagte nicht verpflichtet, schlüssig darzutun, dass die verbleibenden Arbeitskräfte über hinreichend freie Arbeitszeitkapazität verfügen, um das zusätzliche Pensum von wöchentlich 24 Stunden ohne überobligationsmäßige Leistungen zu bewältigen. Für die Frage, ob die Kündigung gegen Treu und Glauben iSv. § 242 BGB verstößt, reicht die Feststellung aus, dass es für die Kündigung vernünftige und nachvollziehbare Gründe gibt. Dies hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend bejaht.

bb.) Entgegen der Ansicht der Berufung ist auch die Auswahlentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.

Aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin und dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich nicht auf den ersten Blick, dass der Beklagte eine erheblich weniger schutzbedürftige, vergleichbare Arbeitnehmerin als die Klägerin weiterbeschäftigt.

Die Klägerin ist nicht evident vergleichbar mit den drei Zahnarzthelferinnen, die der Beklagte weiterbeschäftigt. An der Vergleichbarkeit fehlt es bereits deshalb, weil der Beklagte die Klägerin, die seit 2003 ausschließlich mit Verwaltungstätigkeiten betraut worden ist, nicht einseitig auf die Arbeitsplätze der Zahnarzthelferinnen um- oder versetzen könnte. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin seit 1985 nicht mehr in ihrem erlernten Beruf als Zahnarzthelferin gearbeitet hat und deshalb auch nach eigener Einschätzung insoweit erst wieder angelernt werden müsste, kann die Entscheidung des Beklagten, das zahnmedizinische Fachpersonal weiter zu beschäftigen, nicht beanstandet werden. Es ist vielmehr einleuchtend und nachvollziehbar, wenn der Beklagte unter den hier gegebenen Umständen nicht die Klägerin als Zahnarzthelferin einarbeitet, sondern die Mitarbeiterinnen behält, die diese Tätigkeit bereits jetzt ausüben können und tatsächlich ausüben.

Vor dem Hintergrund, dass die drei Zahnarzthelferinnen, denen der Beklagte nicht gekündigt hat, eine wesentlich längere Betriebszugehörigkeit aufweisen als die Klägerin (15, 18 und 22 Jahre, statt 9 Jahre), wäre die Klägerin, selbst wenn eine Vergleichbarkeit vorläge, nicht evident schutzwürdiger. Allein ihr höheres Lebensalter ist kein entscheidendes Kriterium, um anzunehmen, sie sei sozial erheblich schutzbedürftiger als die jüngeren Arbeitnehmerinnen, die jedoch wesentlich länger beschäftigt sind. Selbst im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes kann die Betriebszugehörigkeit im Verhältnis zum Alter deutlich stärker gewichtet werden. Zwischen der Berufsausbildung der Klägerin, die sie von 1977 bis 1979 in der Praxis des Beklagten absolviert hat und ihrer anschließenden Beschäftigung bis 1985, liegt bis zu ihrer Neueinstellung im Jahr 2003 eine Zeitspanne von 18 Jahren. Dieser Unterbrechungszeitraum ist so erheblich, dass eine Anrechnung der früheren Beschäftigungszeit nicht in Betracht kommt.

Auch soweit die Klägerin zweitinstanzlich noch Unterhaltspflichten gegenüber einem erwachsenen Kind behauptet, erscheint sie nicht deutlich schutzwürdiger als die drei Zahnarzthelferinnen, die der Beklagte weiterbeschäftigt. Zwei dieser Helferinnen haben selbst Kinder. Die kinderlose Helferin ist seit 15 Jahren und damit deutlich länger als die Klägerin bei dem Beklagten beschäftigt.

cc.) Ebenso wenig lässt sich - wie die Berufung meint - ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) daraus ableiten, dass der Beklagte die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört hat. Auch im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes hängt die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung nicht von einer vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers ab.

Entgegen der Ansicht der Berufung war der Beklagte nicht verpflichtet, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin zu verringern oder sie als Zahnarzthelferin einzusetzen. Dies hätte den Ausspruch einer Änderungskündigung voraussetzt. Das Erfordernis der Änderungskündigung ist im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes Ausfluss des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und Bestandteil des Kündigungsgrundes. Für eine Beendigungskündigung liegt kein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor, wenn dem Arbeitgeber eine anderweitige Beschäftigung zu veränderten Arbeitsbedingungen möglich ist. Unabhängig davon, dass dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur im Rahmen des normierten Kündigungsschutzes Bedeutung zukommt (BAG 21.02.2001 - 2 AZR 579/99 - Rn. 30 mwN, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 26), bestand in der Zahnarztpraxis für die Klägerin keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit. Die anderen Arbeitsplätze waren besetzt. Die Einstellung von zwei Auszubildenden ist unerheblich.

Der Beklagte war nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, die Klägerin anstelle von Frau P. zeitlich befristet als Vertretungskraft für eine schwangere Zahnarzthelferin einzusetzen. Dies hätte eine Vertragsänderung der Klägerin vorausgesetzt. Im Übrigen hat die Klägerin ihren erlernten Beruf der Zahnarzthelferin seit 1985 nicht mehr ausgeübt. Sie hätte, um die Schwangere vertreten zu können, nach eigener Einschätzung erst eingearbeitet werden müssen. Da der Beklagte die Vertretungskraft sofort benötigte, war ihm dies nicht zumutbar.

III. Nach alledem ist die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

VorschriftenBGB § 242, KSchG § 23