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  • 27.08.2009 | Checkliste

    Firmenbestattung: Strafbarkeits- und Haftungsrisiken gelten auch für Steuerberater

    von Dr. Philipp Gehrmann, LL.B., Berlin

    Das Phänomen der „Firmenbestattung“ tauchte erstmals Anfang der 90er Jahre auf. Dubiose „Firmenaufkäufer“ oder „Sanierer“ boten ihre Dienste unverhohlen in Tageszeitungen an. Die Motivation, sich die Dienste eines Abwicklers in Anspruch zu nehmen, ist verschieden. In der Regel steht die - vermeintliche - Befreiung von zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken im Vordergrund. Profiteur ist meist allein der Firmenbestatter, weil sich die Ermittlungsbehörden und Gerichte aufgrund von Beweisschwierigkeiten schwer tun, ihn zur Rechen­schaft zu ziehen.  

     

    Der Gesetzgeber hat nun reagiert, indem er durch das MoMiG (Weyand, PStR 08, 193 ff.) dem Missbrauch der GmbH und ausdrücklich den Firmen­bestattern „den Kampf angesagt“ hat (Mackenroth, NJ 09, 1). Dabei ist auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:  

     

    Checkliste: Firmenbestattung

    Frage  

    Antwort  

    1.Wie läuft eine Firmenbestattung ab?

    Der Geschäftsführer einer insolvenzreifen Kapital­gesellschaft (§ 15a Abs. 1 InsO), an der er meist alleine oder mit Dritten die Gesellschaftsanteile hält, wendet sich an den Firmenbestatter. Auf dessen Geheiß werden die Anteile an einen „unbedarften“ Dritten für einen symbolischen Preis übertragen und dieser wird als neuer Geschäftsführer bestellt. Die Gesellschaftsunterlagen werden irgendwo eingelagert und über kurz oder lang vernichtet und der Sitz der Gesellschaft - nicht selten - ins Ausland verlagert.  

     

    Den Gläubigern werden falsche Adressen mitgeteilt, um sie noch effektiver abschütteln zu können. Am neuen Sitz der Gesellschaft stellt der Neu-Geschäftsführer sodann einen Insolvenz­antrag oder die Gesellschaft verharrt inaktiv. Der Firmenbestatter selbst tritt bei alledem nicht in Erscheinung und erhält für seine Tätigkeit ein regelmäßig in bar ausgezahltes Sanierungs­honorar (Bittmann, Insolvenzstrafrecht, 2004, § 29 m.w.N.).  

    2. Gibt es legale Firmen­bestattungen?

    Für die hier relevante Fallgruppe der Abwicklung insolvenzreifer Kapitalgesellschaften wohl nein (a.A. aber Pananis/Börner, ZIP 06, 877 ff.); denn die in § 15a Abs.1 InsO eingeräumte Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags von (maximal) drei Wochen gilt nur, wenn ernsthafte Sanierungsbemühungen unternommen werden sollen (BGH 9.7.79, II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 111 f.). Bei der Firmen­bestattung wird jedoch allein die Abwicklung angestrebt.  

     

    Folgerichtig hat der BGH (13.12.05, X ARZ 223/05, NJW 06, 847) im Falle einer vermuteten Firmenbestattung die Sitzverlagerung mit Ziel des Wechsels zu einem anderen örtlich zuständigen AG als missbräuchlich und damit unbeachtlich erklärt. Des Weiteren hat das LG Potsdam (17.9.04, 25 Qs 11/04, wistra 05, 193) entschieden, dass der Verkauf an einen gewerblichen Firmenbestatter den Anfangsverdacht einer Insolvenzverschleppung (aktuell: § 15a Abs. 4 InsO) begründet.  

    3.Wer macht sich bei einer Firmen­bestattung strafbar?

    Es können sich alle an der Firmenbestattung unmittelbar beteiligten Personen strafbar machen: der Alt- und der Neu­geschäftsführer sowie der Firmenbestatter selbst (näher Knierim in Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, 2009, Rn. 586 ff.). Einem erheblichen Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt sind darüber hinaus auch die Berater des Altgeschäftsführers sowie der Notar, der die Übertragung der Gesellschaftsanteile beurkundet (näher Bittmann, a.a.O., § 29, Rn. 45 ff.).  

    4.Welche Delikte kommen beim Altgeschäftsführer in Betracht?

    Zu nennen sind alle Delikte, die im Zusammenhang mit der Unternehmenskrise und dem Zusammenbruch stehen:  

    • Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 und Abs. 5 InsO)
    5.Erlischt die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach Ausscheiden als Geschäftsführer?

    Dies ist strittig, wird vom BGH aber verneint. Begründet wird es oftmals damit, dass die Amtsniederlegung in der Krise rechtsmissbräuchlich (BGH 24.3.09, 5 StR 353/08, PStR 09, 130, Abruf-Nr. 091613) oder die Abberufungsentscheidung gemäß § 241 AktG analog unwirksam sei. Unabhängig davon hat jedoch der BGH (14.12.51, 2 StR 368/51, BGHSt 2, 53) früher bereits Folgendes entschieden: „Scheidet der Geschäftsführer einer GmbH vor Ablauf der Dreiwochenfrist des GmbHG § 64 (nunmehr § 15a Abs. 1 InsO) aus, so genügt er seiner Pflicht, den Konkursantrag zu stellen, nur dann, wenn er entweder den Antrag noch vor seinem Ausscheiden stellt oder wenn er dahin wirkt, dass der neue Geschäftsführer den Antrag innerhalb der Frist stellt.“  

     

    Diese Entscheidung wird - zutreffend - deshalb kritisiert, weil der BGH keinerlei Hinweise gegeben hat, welche Maßstäbe anzulegen sind, um zu beurteilen, ob der Altgeschäftsführer auf den Neugeschäftsführer eingewirkt hat. Nichtsdestotrotz hält der BGH an dieser Rechtsprechung fest. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer späteren Entscheidung des BGH (30.9.80, 1 StR 407/80, NStZ 81, 353), weil dort bei Ausscheiden des Geschäftsführers die Gesellschaft noch nicht insolvenzreif war.  

    6.Bestehen die sanktionsrechtlichen Antragspflichten z.B. auch für die Limited?

    Bis zur Reform durch das MoMiG war umstritten, ob eine Antragspflicht gemäß § 64 GmbHG auch für ausländische Kapitalgesellschaften bestand (Weiß, Die Strafbarkeit des directors einer englischen private company limited by shares nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbH, 2009). Dieser Streit soll nach dem Willen des Gesetzgebers nun durch § 15a InsO dahingehend entschieden sein, dass die Insolvenzantragspflicht auch für ausländische Gesell­schaften gilt, die in Deutschland tätig sind. Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, wird - selbst aus dem Kreise der Strafverfolger - angezweifelt (Bittmann/Gruber, GmbHR 08, 867 ff.).  

    7.Welche Delikte kommen für den Neugeschäftsführer in Betracht?

    Auch wenn der Neugeschäftsführer nur ein Strohmann sein sollte, trifft ihn trotzdem die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags und die Pflicht zur Buchführung. § 15a Abs. 4 InsO und § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB werden daher regelmäßig verwirklicht sein, wenn er nicht kurzfristig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt.  

    8.Welche Delikte verwirklicht der eigentliche Bestatter?

    Da die Insolvenzverschleppung ein Sonderdelikt ist, das nur von einem konkret definierten Personenkreis aus dem Unternehmen heraus begangen werden kann, hängt seine Strafbarkeit maß­geblich davon ab, ob ihm die Stellung eines faktischen Geschäftsführers (dazu Dierlamm, NStZ 96, 153 ff.; Wegner, PStR 08, 39) nachgewiesen werden kann. Ist dies nicht möglich, bleibt jedenfalls noch die Teilnahmestrafbarkeit wegen der durch die Alt- und Neugeschäftsführer verwirklichten Delikte. Unter Umständen kommt noch ein Betrug gemäß § 263 StGB gegenüber dem Altgeschäftsführer in Betracht, wenn diesem die (zivilrechtliche) Haftungsfreistellung täuschend in Aussicht gestellt wurde.  

    9.Welche strafrecht­lichen Risiken bestehen für den Steuerberater?
    • Unterlassene Buchhaltung und nicht rechtzeitige Bilanz­erstellung gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 StGB i.V. mit § 14 StGB
    • Verletzung der Berichtspflicht gemäß § 332 HGB
    10.Können Pflichten nach § 14 Abs. 2 StGB auf den Steuer­berater übergewälzt werden?

    Ja. Die freiberufliche Stellung des Steuerberaters steht dem nicht entgegen. Den Steuerberater treffen die strafrechtlichen Pflichten des Unternehmens, die ihm mit eigenem Entscheidungsspielraum übertragen wurden, etwa im Bereich der Bilanzerstellung.  

    11.Wann droht eine Strafbarkeit wegen Beihilfe gemäß § 27 StGB?

    Das Spannungsfeld, in dem sich der Steuerberater bewegt, besteht darin, dass selbst neutrale berufsbedingte Handlungen objektiv geeignet sind, die Tat des Altgeschäftsführers zu fördern. Eine abstrakte Abgrenzung ist nicht möglich. Eine erste Hilfe zur Grenzziehung kann man den Vorschriften über die Berufsausübung (StBerG, BOStB) entnehmen.  

     

    Des Weiteren neigt der BGH (20.9.99, 5 StR 729/98, NStZ 00, 34) dazu, eine Abgrenzung über den Vorsatz zu erzielen:  

    • Weiß der Berater von den deliktischen Absichten des Täters, verliert sein Tun den Alltagscharakter; er solidarisiert sich mit dem Täter.

     

    • Hält der Berater die deliktischen Absichten lediglich für möglich, muss das von ihm erkannte Risiko strafrechtlichen Verhaltens des Unterstützten so hoch sein, dass der Berater sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein“ lässt.
    12.Wie kann sich der Berater schützen?

    In jedem Fall muss der Steuerberater seinen Aufklärungspflichten nachkommen und den Mandanten im Fall der Insolvenzreife auf die Antragspflicht gemäß § 15a Abs. 1 InsO hinweisen. Dies ist gerichtsfest zu dokumentieren. Dagegen ist die Mandatsnieder­legung der letzte Schritt, wenn der Mandant sich völlig beratungsresistent zeigt (Wagner, ZInsO 09, 449).  

    13.Können die Ermittlungs­behörden die Handakten des Steuerberaters beschlagnahmen?

    Ja, wenn gegen ihn selbst ermittelt wird. Zwar steht dem Steuerberater in dem Verfahren gegen den Mandanten ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 StPO zu, womit auch ein Beschlagnahmeverbot der Handakten gemäß §§ 97 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO verbunden ist. Jedoch besteht dieses Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 StPO nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Steuerberater an der Tat beteiligt ist.  

    Bestimmte Tatsachen in diesem Sinne liegen vor, wenn ein Anfangs­verdacht gegeben ist, der jedoch durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung erreicht haben und von erheblicher Stärke sein muss (Nack in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 97 Rn. 35).  

    14.Welche Risiken drohen darüber hinaus?

    Neben den standesrechtlichen Folgen dürfen insbesondere die zivilrechtlichen Schadenersatzforderungen nicht unterschätzt werden. Der Steuerberater haftet gegebenenfalls nicht nur dem Mandanten für vermeidbare Gefahren aus vertraglicher Pflichtverletzung (etwa: OLG Düsseldorf 9.9.03, 23 U 191/02, DStRE 04, 664; OLG München 13.4.95, 24 U 86/93, WM 97, 613), sondern auch den Gläubigern für die Schäden aus der Insolvenzverschleppung gemäß §§ 823 Abs. 2, 830, 840 BGB i.V. mit § 15a InsO, § 27 StGB oder nach den Strafvorschriften des StGB.  

     

    Seit dem 1.1.08 ist ein solcher Haftungsanspruch nun ein Direkt­anspruch gegen die Haftpflichtversicherung gemäß § 115 VVG. Wie dringlich das Thema Haftung für den steuerlichen Berater ist, zeigt sich auch darin, dass in der insolvenzrechtlichen Literatur verstärkt auf den steuerlichen Berater als tauglichen Schuldner hingewiesen wird (Wagner, ZinsO 09, 449 ff.).