01.12.2006 | Durchsuchung
Wohnungsdurchsuchung bei Tage und ohne richterliche Anordnung
Die Gerichte sind verpflichtet, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes zu sichern (BVerfG 28.9.06, 2 BvR 876/06, Abruf-Nr. 063285). |
Sachverhalt
Der Beschuldigte war an einer Messerstecherei in seiner Wohnung in München beteiligt. Der Vorfall ereignete sich an einem Werktag. Nachdem die herbeigerufenen Polizeibeamten eingetroffen waren, durchsuchten sie gegen 18.00 Uhr die Wohnung des Beschwerdeführers, um die Tatwaffe aufzufinden. Dabei setzten sie einen Drogenspürhund ein. Der Beschuldigte befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht in seiner Wohnung. Den Antrag des Beschuldigten auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung hat das AG München zurückgewiesen, erst die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das BVerfG hat einen Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung des Beschuldigten (Art. 13 GG) festgestellt und auf folgende Gründe gestützt:
- Es kann nicht hingenommen werden, dass in einer Stadt wie München am frühen Abend eine Wohnung ohne den Versuch, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken, durchsucht wird.
- Die Art und Weise der Durchsuchung, nämlich der Einsatz eines Drogenspürhundes, verletzte den Beschuldigten ebenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1und 2 GG. Die Ermittlungsbehörden haben auch eine erlaubte Durchsuchung auf das erforderliche Maß zu begrenzen, um die Integrität der Wohnung nicht mehr als nötig zu beeinträchtigen. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, zur Suche nach der Tatwaffe einer Messerstecherei einen Drogenspürhund einzusetzen.
Praxishinweis
Die Gerichte sind verpflichtet, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes zu sichern (BVerfG NJW 01, 1121). Bei Tage (§ 104 Abs. 3 StPO) muss die Regelzuständigkeit des Ermittlungsrichters uneingeschränkt – auch außerhalb der üblichen Dienstzeiten – gewährleistet sein. Zu Nachtzeiten muss ein Richter nur erreichbar sein, wenn dafür ein praktischer Bedarf besteht (BVerfG NJW 04, 1441). Das ist in einer Großstadt sicherlich zu bejahen, für das „flache Land“ hingegen eher zu verneinen. Interessant ist der Hinweis des BVerfG, dass nicht nur für einen richterlichen Eildienst gesorgt werden muss, sondern dem Richter auch die notwendigen Hilfsmittel für eine sachangemessene Wahrnehmung seiner richterlichen Aufgaben zur Verfügung gestellt werden müssen, d.h. auch der nichtrichterliche Dienst muss für den Richter erreichbar sein und gegebenenfalls zur Verfügung stehen.(DB)
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