01.05.2007 | Ermittlungen
Sammelauskunftsersuchen und Durchsuchung
Im Spannungsfeld der Doppelfunktionalität der Steuerfahndung und der schwierigen Trennung von Besteuerungsverfahren und Strafverfahren hat das LG Hildesheim einem nahezu beliebigen Wechsel zwischen beiden Aufgabenbereichen und den damit verbundenen Ermittlungsbefugnissen Grenzen aufgezeigt (LG Hildesheim 27.7.06, 21 Qs 1/06, Abruf-Nr. 071325). |
Sachverhalt
Bei sechs Außenprüfungen von Fachärzten waren Differenzen zwischen der Anzahl erworbener Produkte, dem vorhandenen Bestand eines bestimmten Produktes X und den abgerechneten Behandlungen festgestellt worden. Deshalb leitete die Steufa Ermittlungen gegen namentlich unbekannte Fachärzte im gesamten Bundesgebiet ein. Im Rahmen einer ordnungsgemäß genehmigten Durchsuchung beim Hersteller des Produktes, erhielt sie die Namen und Anschriften der 50 umsatzstärksten Apotheken, an welche im Ermittlungszeitraum das Produkt X verkauft wurde.
Bereits mehr als ein Jahr zuvor hatte die Steufa versucht, die beweisrelevanten Unterlagen bzw. Daten vom Hersteller im Rahmen von Vorfeldermittlungen durch ein Auskunftsersuchen nach § 93 AO und § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO zu erlangen. Das Niedersächsische FG (11.11.05, EFG 06, 232; PStR 06, 82, Abruf-Nr. 060035) sah das Ersuchen als rechtmäßig an und hat die dagegen erhobene Klage des Herstellers zurückgewiesen. Der BFH (5.10.06, PStR 07, 50, Abruf-Nr. 070440) hat dies rechtskräftig bestätigt. Die Steufa jedoch wollte seinerzeit das Revisionsverfahren nicht abwarten und beantragte zwischenzeitlich die Durchsuchungsmaßnahme, die auf eine entsprechende Beschwerde hin für rechtswidrig erklärt wurde.
Entscheidungsgründe
Das LG Hildesheim verneint eine ausreichende Verdachtsbasis:
- Der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung gegen eine Vielzahl namentlich unbekannter Ärzte ist nicht dargelegt, wenn (lediglich) in sechs Fällen steuerrechtlicher Korrekturbedarf festgestellt wurde. Auch die Tatsache, dass Ärzte bestimmte Produkte von überregional liefernden Apotheken beziehen, ergibt noch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die damit erzielten Einnahmen nicht versteuert wurden. Äußert die Steufa dennoch einen entsprechenden „Verdacht“, wird ein steuerunehrliches Handeln lediglich vermutet.
- Soweit unterhalb der Schwelle eines vagen Anfangsverdachts nach der StPO lediglich Vermutungen ggf. zusammen mit der kriminalistischen Erfahrung dafür sprechen, dass in ähnlicher Art und Weise weitere Steuerverkürzungen eingetreten sind, obliegt der Steufa gemäß § 208 Abs. 1 S. Nr. 3 AO die Aufgabe, unbekannte Steuerfälle aufzudecken. Die Steufa hatte sich zunächst auch tatsächlich für entsprechende Ermittlungen in Form eines Auskunftsersuchens entschieden. Ohne veränderte Verdachtslage und ohne den Versuch, das Auskunftsersuchen mit Zwangsmitteln durchzusetzen, ist es ihr aber verwehrt, strafprozessuale Befugnisse zu ergreifen.
- In diesem Fall kann eine Durchsuchung auch schon wegen eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 33 Abs. 3 StPO) rechtswidrig sein. Eine Anhörung ist mangels Gefährdung des Untersuchungszwecks nicht entbehrlich, wenn der Betroffene aufgrund eines vorangegangenen Auskunftsersuchens Kenntnis davon hatte, welche Informationen bzw. Unterlagen die Steufa begehrt.
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