23.06.2010 | Selbstanzeige
Straffreiheit nur bei vollständiger Rückkehr zur Steuerehrlichkeit
von VRiLG Alexander Meyberg, München/Karlsruhe
Ein Steuerhinterzieher kann - bevor seine Straftat entdeckt ist - Selbstanzeige erstatten und erhält dafür in Deutschland Straffreiheit (§ 371 AO; in etlichen Ländern führt eine Selbstanzeige nur zu Strafmilderung, Abramowski, DStZ 92, 301 ff.). Der BGH hat in einer neueren Entscheidung den Ausnahmecharakter dieser Vorschrift in Erinnerung gerufen und Tendenzen zu einer zunehmenden - die Steuerstraftäter begünstigenden - Ausweitung der Voraussetzung für den Eintritt der Straffreiheit eine klare Absage erteilt (BGH 20.5.10, 1 StR 577/09, Abruf-Nr. 101811).
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall wurde wegen des Verdachts der Einkommenssteuerhinterziehung in den VZ 2001 und 2002 eine Durchsuchung durchgeführt, im Rahmen derer der Steuerberater des Angeklagten - nach Aufforderung durch die Durchsuchungsbeamten - unter Hinweis auf eine noch zu erstellende Steuererklärung sortierte und tabellarisch erfasste Belege betreffend die ESt für die VZ 1999 und 2000 übergab. Insoweit berief sich der Angeklagte - auch in der Revision - auf den Eintritt der Straffreiheit. Diesem Ansinnen versagte der BGH den Erfolg und machte grundlegende Ausführungen zur Selbstanzeige.
1. Ausgangslage
Steuerhinterziehung ist nicht nur Verwaltungsunrecht, sondern eine Straftat. Dass Steuerhinterziehung nicht als Kavaliers- oder Bagatelldelikt angesehen werden kann, zeigt der Strafrahmen des § 370 AO (in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren) und ist auch durch die Entscheidung des BGH vom 2.12.08 nochmals deutlich geworden: bei Verkürzungserfolg von mehr als 1 Mio. EUR regelmäßig Freiheitsstrafe ohne Bewährung (BGH 2.12.08, 1 StR 416/08, dazu Salditt, PStR 09, 15, 25; Arens, PU 10, 58). Dessen ungeachtet - und ungeachtet der Bedenken, dies sei eine Ungerechtigkeit gegenüber dem ehrlichen Steuerzahler - sieht § 371 AO den Eintritt der Straffreiheit bei dem sich selbst anzeigenden und die Steuerschuld nachzahlenden Täter vor. Dass der darin liegende Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch für eine bestimmte Gruppe von Straftätern - auch im Lichte des Art. 3 GG - der besonderen Rechtfertigung bedarf, ist unbestritten (Bilsdorfer, DStZ 83, 131; Zöbeley, DStZ 84, 198); Diskussion besteht darüber, worin diese gesehen werden kann.
Teile der neueren Literatur greifen auf strafrechtliche Prinzipien, etwa den Rücktritt vom Versuch oder die Schadenswiedergutmachung zurück und versuchen darzulegen, dass es sich bei der strafbefreienden Selbstanzeige nicht um einen „Fremdkörper“ handle. Es sind dies freilich Prinzipien, die keine qua Gesetzes eintretende Straffreiheit nach vollendetem Delikt betreffen. Nach § 371 AO kann jedoch völlige Straffreiheit sogar derjenige erlangen, der seit vielen Jahren und immer wieder in erheblichem Umfang Steuern hinterzogen hat. Der BGH hält im Beschluss vom 20.5.10 daran fest, dass es sich bei § 371 AO um eine Ausnahmevorschrift handelt (Wegner, PStR 10, 121, 122 spricht von einem „strafrechtlichen Exot“) und führt in Fortführung seiner ständigen Rechtsprechung (etwa BGHSt 3, 373, 375 und BGHSt 12, 100, 101 zu § 410 RAO; BGH wistra 85, 74; BGH wistra 04, 309, 310 m.w.N.) aus, dass die im Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch liegende Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern einer doppelten Rechtfertigung bedarf:
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