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  • 23.12.2009 | Steuerhinterziehung

    Keine Steuerverkürzung „in großem Ausmaß“ bei Nichtabgabefällen

    von RA Dr. Florian Bach, FA StR, Sindelfingen

    Zuletzt hat sich Faiß (PStR 09, 92 ff.) mit der Variante der Nichtabgabefällen unter dem Aspekt der Steuerhinterziehung ohne Steuerschaden beschäftigt. Dieses zunächst einmal bizarre Ergebnis kann nicht nur als Folge der Anwendung des Kompensationsverbots nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO, sondern eben auch bei Nichtabgabefällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO entstehen. Fraglich bleibt aber, ob durch ein „in Unkenntnis lassen über steuerlich erhebliche Tatsachen“ auch eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO verwirklicht werden kann.  

    1. Bedeutung des „großen Ausmaßes“

    Der in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO normierte Begriff der Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ hat insbesondere aufgrund der Neuregelung der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung in § 376 Abs. 1 AO durch das am 25.12.08 in Kraft getretene JStG 2009 an Bedeutung gewonnen. Die Überlegung, dass Straftaten mit unterschiedlichen Strafrahmen bedroht sind und je höher dieser ist, desto später verjähren, ist nachvollziehbar. Befremdlich ist die mit § 376 Abs. 1 AO gewählte Ausgestaltung aber insoweit, als diese Verjährungsfrist unmittelbar an die Verwirklichung eines der in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 bis 5 AO erwähnten Regelbeispiele anknüpft. Die Erfüllung eines Regelbeispiels erlangt zunächst einmal nämlich lediglich Indizwirkung für das Vorliegen eines besonders schweren Falls und kann durch „die Besonderheiten des Einzelfalls“ entkräftet werden (BGH 2.12.08, 1 StR 416/08, wistra 09, 107). Umgekehrt kann ein besonders schwerer Fall auch ohne die Verwirklichung eines Regelbeispiels vorliegen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass es für den Steuerpflichtigen nicht mehr ersichtlich ist, wann seine Tat strafrechtlich verjährt (zu den hieraus folgenden verfassungsrechtliche Bedenken Wegner, PStR 09, 33 ff.).  

    2. Bestimmung des großen Ausmaßes

    Für die bis einschließlich zum 31.12.07 gültige Fassung des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO a.F. („aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß“) reichten die in der Literatur für das große Ausmaß genannten Mindestbeträge von 50.000 EUR über 500.000 EUR bis zur Hinterziehung von Millionenbeträgen. Mit einem zwischenzeitlich vielfach kommentierten Urteil (Salditt, PStR 09, 15 ff., 25 ff.; Schaefer, NJW-Spezial 09, 88 f.) zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung hat der 1. Strafsenat des BGH am 2.12.08 das in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO enthaltene Merkmal „in großem Ausmaß“ interpretiert. Hierbei ist er - ausweislich verschiedener obita dicta - anhand einer zu Recht kritisierten Anlehnung an die zum Betrug nach § 263 StGB ergangene Rechtsprechung zu der Einschätzung gelangt, dass ein hinterzogener Betrag von 50.000 EUR das Merkmal des großen Ausmaßes erfüllt.  

     

    Ausweislich der Urteilsgründe hat der BGH bei der Übertragung der zum großen Ausmaß beim Betrug ergangenen Rechtsprechung berücksichtigt, „dass der Tatbestand der Steuerhinterziehung regelmäßig bereits bei Gefährdung des Steueraufkommens verwirklicht wird, dass die Tatbestandsmäßigkeit weder direkten Vorsatz noch Bereicherungsabsicht voraussetzt und dass regelmäßig auch die bloße Untätigkeit den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt“. Diese Unterschiede vermochten eine Gleichstellung der für das große Ausmaß eines Betrugs und einer Steuerhinterziehung maßgeblichen Wertgrenzen dem Grunde nach gleichwohl nicht zu verhindern. Allein in Fällen der bloßen Gefährdung des Steueranspruchs, beispielsweise wenn der Steuerpflichtige die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), hält der 1. Senat für das Merkmal des großen Ausmaßes „eine Wertgrenze von 100.000 EUR für angemessen“.  

    3. Großes Ausmaß bei Nichtabgabefällen

    Der Erfolg einer Steuerhinterziehung tritt aufgrund der in § 370 Abs. 4 S. 1 AO enthaltenen Legaldefinition ein, wenn die Steuer „nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig“ festgesetzt wird. Die Variante „nicht rechtzeitig“ beinhaltet aber zugleich die Variante „nicht“, sodass eigentlich nur zwischen zwei Erscheinungsformen des Erfolgseintritts zu differenzieren ist. Nichtabgabefälle führen zu einer unterbliebenen rechtzeitigen Festsetzung und mithin allenfalls zu einem Gefährdungs- in Form eines Verspätungsschadens.