22.02.2011 | Steuerstrafrecht
Vorsatz des Arbeitgebers bei Vorenthalten von Arbeitsentgelt und Lohnsteuerhinterziehung
von Prof. Dr. Andreas Ransiek, LL.M. (Berkeley), Universität Bielefeld
Sowohl die Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB als auch die wegen Lohnsteuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO setzen die Pflichtenstellung als Arbeitgeber voraus: Bei § 266a StGB folgt das daraus, dass die Norm Sonderdelikt ist und nur der Arbeitgeber oder die in seine Pflichtenstellung nach § 14 StGB einrückenden Vertreter täterschaftlich verantwortlich sein können. Für § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ergibt sich das Gleiche daraus, dass der Steuerabzug vom Arbeitslohn nach § 38 EStG nur bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit erhoben wird; nach § 41a Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber eine Lohnsteuer-Anmeldung durchzuführen und die einbehaltenen Steuern abzuführen. Steuerliche Pflichten hat insoweit also allein der Arbeitgeber, sodass auch nur er bzw. seine Vertreter nach §§ 34, 35 AO taugliche Täter nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sind.
1. Vorsatz auf die Arbeitgebereigenschaft
Bei beiden Tatbeständen ist nicht nur Voraussetzung, dass objektiv die Eigen- schaft als Arbeitgeber vorliegt, sondern es muss vorsätzliches Handeln zu bejahen sein. Der Vorsatz bezieht sich nach allgemeinen Regeln auf sämtliche äußeren Tatbestandsmerkmale und umfasst somit auch die Stellung als Arbeitgeber. Weiß ein Angeklagter, dass für ihn tätige Prospektverteiler umfassend weisungsgebunden und in seinen Betriebsablauf eingebunden sind, nach festen Stundensätzen entlohnt werden und kein eigenes unternehmerisches Risiko tragen, sondern nahezu täglich in Vollzeit für den Angeklagten arbeiten, kennt dieser nach Auffassung des 1. Strafsenats des BGH auch deren Arbeitnehmereigenschaft und erfasst umgekehrt seine eigene Stellung als Arbeitgeber (BGH 7.10.09, 1 StR 320/09, NStZ 10, 337; a.A. Weidemann, wistra 10, 463, 465).
Nach Auffassung des BGH hat er dann den für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals „Arbeitgeber“ und daraus folgend die damit einhergehenden, ihn treffenden Pflichten erfasst. Die Einlassung des Angeklagten, er sei trotzdem davon ausgegangen, keine Arbeitgeberstellung einzunehmen, soll lediglich ein den Vorsatz des Angeklagten nicht berührender Subsumtionsirrtum sein, der allenfalls geeignet ist, einen - wegen § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV vermeidbaren - Verbotsirrtum nach § 17 StGB zu begründen.
Unstreitig ist, dass der Täter nur dann vorsätzlich ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, wenn er dessen Sinngehalt und den des darunter zu subsumierenden Verhaltens begreift. Bei normativen Merkmalen reicht es nicht aus, dass der Täter die den Begriff erfüllenden Tatsachen kennt, sondern er muss den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt des Tatumstands richtig erfassen (Wessels/Beulke, Strafrecht AT, 2010, Rn. 243). Tut er das nicht, unterliegt er einem den Vorsatz ausschließenden Irrtum nach § 16 Abs. 1 StGB. Eine juristisch zutreffende Benennung des Geschehens ist hingegen nicht erforderlich.
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