26.10.2009 | Steuerstrafverfahren
Nochmals: Table-Dance-Dollar als steuerfreies Trinkgeld, ein unvermeidbarer Verbotsirrtum?
von RA Prof. Dr. Jürgen Weidemann, Dortmund/Bochum
Das AG Hamburg hat in seiner Entscheidung vom 11.12.08 innerhalb eines Steuerstrafverfahrens einen unvermeidbaren Verbotsirrtum angenommen (AG Hamburg 11.12.08, 238 Cs 182/08, 238 Cs 5000 Js 95/08, Abruf-Nr. 091320; ausführlich Wolsfeld, PStR 09, 110). Das Urteil des AG Hamburg enthält einen Schönheitsfehler, der allerdings das für die Verteidigung günstige Ergebnis nicht beeinflusst.
Es trifft zu, dass nach den Feststellungen des Gerichts eine vorsätzliche Steuerhinterziehung nicht vorlag, aber die Strafbarkeit scheiterte nicht erst an § 17 StGB, sondern bereits an § 16 Abs. 1 StGB. Da die steuerpflichtige Tänzerin unwiderlegt der Meinung war, die Spielgeldeinnahmen seien steuerfrei, kannte sie einen Umstand nicht, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört: den Steueranspruch. Dass der Steueranspruch Tatumstand ist, ist seit dem BGH-Urteil vom 13.11.53 (5 StR 342/53, BGHSt 5, 90, 92) in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Allgemeingut und in der Lehre nahezu unbestritten (a.A. Maiwald, Unrechtskenntnis und Vorsatz im Steuerstrafrecht, 1984).
Der Steuerhinterziehungstatbestand ist eben kein reines Blankettgesetz im Sinne einer Verweisungsnorm, die mit den ausfüllenden Tatbeständen des Steuerrechts lediglich zusammenzulesen ist; vielmehr sind „Steuerverkürzung“ und „steuererhebliche Tatsachen“ normative Tatbestandsmerkmale (wie z.B. „fremde ... Sache“ in § 242 StGB), die der Täter ihrem Sinngehalt nach erfassen muss, soll er sich strafbar machen (näher Weidemann in Festschrift für Herzberg, 2008, 299). Auf Vermeidbarkeit des Irrtums kam es also nicht an, sondern nur darauf, ob die Täterin irrte oder nicht.
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