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  • 24.01.2011 | Umsatzsteuerbetrug

    Innergemeinschaftliche Lieferungen - EuGH bestätigt Rechtsansicht des BGH

    von RA StB Dipl.-Finw. Carsten Höink, Düsseldorf und RA Dr. Markus Adick, Bonn

    Der EuGH bestätigt die Rechtsansicht des BGH: Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen entfällt bei bewusstem Ermöglichen von Steuerhinterziehung im EU-Ausland durch kollusives Zusammenwirken (EuGH 7.12.10, C-285/09, Abruf-Nr. 104173).  

    1. Sachverhalt

    Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH, die mit Fahrzeugen handelte. Um es Händlern in Portugal zu ermöglichen, durch Verschleierung der tatsächlichen Käufer USt zu hinterziehen, stellte er Scheinrechnungen auf Scheinkäufer aus, gab deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Zusatz „steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG“ an und suggerierte, die USt werde in Portugal bezahlt. Die tatsächlichen Käufer verkauften in Portugal an private Endabnehmer, ohne den portugiesischen Finanzbehörden mitzuteilen, dass zuvor ein innergemeinschaftlicher Erwerb stattgefunden hatte. Die USt entrichteten sie nicht. Um dies zu verschleiern, ließ der Kläger die CMR-Frachtbriefe von vornherein auf die Endabnehmer ausstellen. Ferner erstellte er weitere Scheinrechnungen mit den Endabnehmern als Adressaten und dem bewusst unzutreffenden Zusatz „Differenzbesteuerung nach § 25a UStG“ aus. In den Steuererklärungen der GmbH gab er die Umsätze als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an und nannte dem BZSt die Scheinkäufer als Vertragspartner, um eine Ermittlung der tatsächlichen Käufer in Portugal über das Mehrwertsteuer-Informationssystem der Union zu verhindern.  

     

    Das LG verurteilte ihn wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe. Die Umsätze seien nicht als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen anzusehen. Der Kläger habe gezielt unionsrechtliche Regeln missbraucht; in Deutschland sei deshalb die Steuerbefreiung zu versagen. Mit der Revision machte der Kläger insbesondere geltend, er habe die Fahrzeuge an gewerblich tätige Erwerber in Portugal geliefert, das Umsatzsteueraufkommen in Deutschland sei nicht gefährdet gewesen, weil die USt Portugal zugestanden habe und es unerheblich sei, dass sie dort nicht gezahlt wurde. Nach Ansicht des BGH war hingegen die Steuerbefreiung im Inland zu verwehren, da sich der Kläger missbräuchlich auf das Gemeinschaftsrecht berufe (Schauf/Höink, PStR 09, 58). Nachdem die FG dennoch die Aussetzung der Vollziehung für die streitigen Steuernachforderungen gewährten (FG Baden-Württemberg 11.3.09, IV 4305/08, bestätigt durch BFH 29.7.09, XI B 24/09, Schauf/Höink, PStR 09, 200), legte der BGH seine Rechtsansicht zum Ausschluss der Steuerbefreiung aufgrund „missbräuchlicher Berufung auf das Gemeinschaftsrecht bei kollusivem Zusammenwirken“ dem EuGH zur Überprüfung vor. Zwischenzeitlich hatte das BVerfG den Vollzug der Freiheitsstrafe ausgesetzt (BVerfG 23.7.09, 2 BvR 542/09). Der EuGH bestätigte nunmehr die Ansicht des BGH, dass die Steuerbefreiung zu versagen sei. Dabei bestärkt er zunächst die völlig konträre Ansicht des Generalanwalts in diesem Vorlageverfahren (dazu Höink/Winter, DStR 10, 1772; PStR 10, 184) - geht dann aber mit seiner Entscheidung darüber hinaus.  

    2. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem

    Scheinrechnungen, unrichtige Angaben und sonstige Manipulationen können die genaue Erhebung der Steuer verhindern und demzufolge das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Frage stellen. Derartige Handlungen wiegen nach Ansicht des EuGH umso schwerer, wenn sie im Rahmen der Übergangsregelung für die Besteuerung innergemeinschaftlicher Umsätze begangen werden, deren Nachweis auf von dem Steuerpflichtigen zu erbringenden Beweisen beruht. Daher verwehre das Unionsrecht es den Mitgliedsstaaten nicht, die Ausstellung unrichtiger Rechnungen als Steuerhinterziehung anzusehen und in einem solchen Fall die Befreiung zu verweigern. Die Verweigerung der Befreiung in dem Fall, dass eine nach nationalem Recht vorgesehene Pflicht bewusst nicht eingehalten werde - im vorliegenden Fall die Pflicht, den Empfänger der innergemeinschaftlichen Lieferung zu benennen - habe abschreckende Wirkung. Diese solle die Durchsetzung der Pflicht gewährleisten und Steuerhinterziehungen verhüten.