· Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet
Der Preis der Selbstanzeige
von RAin Stefanie Schott, FAin StrR, FAin StR, Partnerin der Kanzlei kipper+durth, Darmstadt
| Immer wieder herrscht Verwirrung darüber, welche Zahlungen Voraussetzung für die Wirksamkeit der Selbstanzeige sind, wie diese berechnet werden und welche Zahlungsfristen zu beachten sind. |
Frage des Steuerberaters: Mein Mandant hat Einkommensteuer hinterzogen und will eine Selbstanzeige abgeben. Der Mandant verfügt nur über beschränkte finanzielle Mittel und möchte nun wissen, welche Zahlungen er wann leisten muss, um die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht zu gefährden oder zumindest mit einer möglichst geringen Strafe davon zu kommen.
Antwort des Verteidigers: Neben den übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige nach § 371 AO muss der Mandant die gemäß § 371 Abs. 3 AO bzw. § 398a AO verlangten Zahlungen beachten. Dies ist insoweit kompliziert, als die Vorschriften dreifach auf die hinterzogene Steuer abstellen: Berechnung der Wertgrenze von 50.000 EUR (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, § 398a AO ), Bestimmung der nachzuzahlenden Steuer (§ 371 Abs. 3 AO und § 398a Nr. 1 AO ) sowie des Strafzuschlags von 5 % ( § 398a Nr. 2 AO ).
Hat der Mandant Steuern im Umfang von über 50.000 EUR pro Tat verkürzt oder Steuervorteile in dieser Höhe erlangt, kann die Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO nicht zur Straffreiheit führen. In solchen Fällen wird nach § 398a AO von der Strafverfolgung abgesehen, wenn der Täter neben der hinterzogenen Steuer einen Zuschlag von 5 % der hinterzogenen Steuer an die Staatskasse zahlt. Für die Frage, ob der Mandant nach § 371 Abs. 3 AO durch Zahlung der hinterzogen Steuer Straffreiheit erlangen kann oder nur bei Zahlung des Zuschlags von 5 % straffrei bleibt, ist die „nach § 370 Abs. 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil“ maßgebend (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO). Aufgrund des Verweises ist, wie bei § 370 Abs. 1 AO i.V. mit § 370 Abs. 4 S. 3 AO, das Kompensationsverbot anwendbar und der Nominalbetrag der verkürzten Steuer entscheidend (AG Stuttgart 10.7.13, 23 Cs 147 Js 95252/12, PStR 13, 310; BMF 30.1.13, Plenarprotokoll 17/218, 27063). Ob die Grenze von 50.000 EUR überschritten ist, ist für jede Tat gesondert zu bestimmen.
Beträgt der verkürzte Betrag bis zu 50.000 EUR, tritt nach § 371 Abs. 3 AO Straffreiheit für den Tatbeteiligten nach Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige nur ein, wenn er die „aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern“ innerhalb der ihm dazu bestimmten angemessenen Frist entrichtet. Anders als bei § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO erscheint es insoweit, da nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Schadenswiedergutmachung im Vordergrund steht, richtig, auf den tatsächlich eingetretenen Steuerschaden abzustellen (so z.B. auch Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rn. 93.1; Jäger in Klein, AO, 2012, § 371 Rn. 85). Dem Mandanten ist jedoch zu empfehlen, im Zweifel zunächst den verlangten Betrag zu zahlen, um die Wirksamkeit der Selbstanzeige nicht zu gefährden.
Bei der Frist zur Nachzahlung der hinterzogenen Steuer handelt es sich entgegen landläufiger Annahme nicht um die sich aus dem Steuerbescheid ergebende Zahlungsfrist. Andererseits bedeutet auch die Aussetzung der Vollziehung keine Verlängerung der Frist nach § 371 Abs. 3 AO. Die Fristsetzung richtet sich vielmehr nach strafrechtlichen Gesichtspunkten und erfolgt durch das Strafverfolgungsorgan, also je nach Verfahrensherrschaft durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle des FA oder die StA.
Die finanziellen Möglichkeiten des Mandanten sind bei der Berechnung der Zahlungsfrist grundsätzlich zu berücksichtigen, wobei ihm nach Ansicht der Rechtsprechung relativ kurze Fristen zugemutet werden können, wenn er die nachzuentrichtende Steuer schon wesentlich früher hätte begleichen müssen bzw. wenn er zwischen Erstattung der Selbstanzeige und Fristsetzung bereits Zeit hatte, sich auf die Nachzahlung einzurichten. Wie lang eine angemessene Zahlungsfrist ist, wird im Einzelfall sehr unterschiedlich beantwortet und sollte, wenn der Mandant Schwierigkeiten hat, den erforderlichen Betrag kurzfristig zu zahlen, in Absprache mit der zuständigen Stelle geklärt werden.
Hat der Mandant Steuern im Umfang von über 50.000 EUR pro Tat verkürzt oder Steuervorteile in dieser Höhe erlangt, wird nach § 398a AO von der Strafverfolgung abgesehen, wenn er neben der zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuer einen Zuschlag von 5 % der hinterzogenen Steuer an die Staatskasse zahlt. Für die Berechnung des nach § 398a Nr. 1 AO nachzuentrichtenden Hinterziehungsbetrags kann nichts Anderes gelten als für § 371 Abs. 3 AO, sodass insbesondere das Kompensationsverbot nicht greift.
Der gemäß § 398a Nr. 2 AO zusätzlich zu zahlende Betrag von 5 % richtet sich nicht nach dem gemäß § 398a Nr. 1 AO berechneten Betrag der „zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern“, sondern bezieht sich auf die „hinterzogene Steuer“. Ob insoweit das Kompensationsverbot Anwendung findet oder nicht, ist in der Literatur umstritten und durch die Rechtsprechung - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden. Für ein Abstellen auf den Steuerschaden ließe sich die Verwendung des gleichen Begriffs der „hinterzogenen Steuer“ in § 398a Nr. 1 und 2 AO sowie der - anders als bei § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO - fehlende Verweis auf § 370 Abs. 1 AO anführen. Andererseits dient der Zuschlag anders als die Zahlung nach § 398a Nr. 1 AO nicht dem Schadensausgleich, sondern geht darüber hinaus und ist der Zahlung einer Geldauflage nach § 153a StPO nachempfunden. Richtiger Weise dürfte es daher auf den Nominalbetrag ankommen. Bemessungsgrundlage ist die einzelne, den Betrag von 50.000 EUR übersteigende Tat. Im Übrigen gelten die Ausführungen zu § 371 Abs. 3 AO entsprechend.
PRAXISHINWEIS | Dem Mandant, der die Steuer und den Strafzuschlag nicht rechtzeitig zahlen kann, ist zu empfehlen, zunächst den Steuerschaden wieder gutzumachen und danach den Zuschlag nach § 398a AO zumindest für einzelne Taten aufzubringen. Steuerliche Nebenleistungen i.S. des § 3 Abs. 4 AO, wie z.B. Zinsen und Säumniszuschläge und sonstige fällige Steuern, die nicht hinterzogen worden sind, können später entrichtet werden, ohne damit die Wirksamkeit der Selbstanzeige zu gefährden. Das betrifft auch weitere im Rahmen des sich an die Selbstanzeige anschließenden steuerlichen Verfahrens ermittelte Mehrsteuern, die nicht vorsätzlich verkürzt worden sind. |