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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Grenzkontrolle, Vorermittlungen und Selbstanzeige

    von RA Uwe K. Franz, FA StR und FA HandR/GesR, Cornea Franz Rechtsanwälte, Würzburg

    | Der Mandant wurde im Dezember 2012 zusammen mit seinem Freund beim Überschreiten der schweizerisch-deutschen Grenze vom Zoll kontrolliert. Die Beamten stellten fest, dass beide Personen Bargeld i.H. von 8.000 EUR bei sich hatten. Auf die Frage nach der Herkunft des Geldes teilten beide übereinstimmend mit, dass sie Uhren in der Schweiz einkaufen wollten. Das Bargeld sei in Deutschland zuvor abgehoben worden. Man habe jedoch keine Uhr gefunden, da diese letztlich zu teuer gewesen seien. Nun führe man das Geld daher wieder zurück. |

     

    Frage des Steuerberaters: Im Februar 2013 erschienen bei Mandant A und seinem Freund B Beamte der Steuerfahndungsstelle. A wurde mitgeteilt, dass man davon ausgehe,dass B Kapitaleinkünfte habe. A solle sich bis Ende März 2013 überlegen, ob er nicht etwas zu sagen habe, hierzu sei er verpflichtet. Auch B wurde gefragt, ob er sich nicht äußern wolle, man gehe davon aus, dass er ein Schweizer Konto mit bislang nicht erklärten Einkünften habe. A und B schweigen. Die Fahnder verließen A mit dem Hinweis, man warte auf eine Stellungnahme.

     

    Tatsächlich haben beide ein Konto in der Schweiz mit bisher nicht erklärten Kapitalerträgen. Die Beträge sind nicht unerheblich, erreichten aber in den einzelnen VZnicht mehr als 50.000 EUR. Beide wollen wissen, wie sie nun bestmöglich aus der Sache herauskommen. Ist für den Mandanten A und/oder für den Mandanten B jetzt noch eine strafbefreiende Selbstanzeige möglich? Oder ist für einen der beiden oder gar bereits für beide Mandanten der Sperrgrund verwirklicht und damit eine Strafbefreiung nicht mehr zu erreichen?

     

    Antwort des Verteidigers: Seit dem Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes vom 28.4.11 (BGBl I 11, 676) am 3.5.11 haben sich die Voraussetzungen für die wirksame Selbstanzeige deutlich verschärft. Offenkundig haben beide Mandanten den Tatbestand der Steuerhinterziehung i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht, eine Berichtigung nach § 153 AO scheidet daher aus. Es ist fraglich, ob eine Selbstanzeige nach § 371 Abs. 1 AO noch möglich ist oder ob ein Sperrgrund i.S. des § 371 Abs. 2 AO eingreift.

     

    In Betracht kommt hier zunächst der Sperrgrund der Tatentdeckung. Hierzu ist erforderlich, dass objektiv die Tat entdeckt wurde. Dies bedeutet, dass durch die objektive Kenntnis der Tatumstände eine Lage geschaffen ist, die bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung wahrscheinlich macht (Simon/Vogelberg, Steuerstrafrecht, 3. Aufl., S. 224, m.w.N.). Ferner muss der Täter dies subjektiv wissen oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen. Entscheidend sind dabei die persönlichen Fähigkeiten des Täters (Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., Rn. 197 zu § 371 AO; Flore/Tsambikakis/Wessing, Steuerstrafrecht, Rn. 125 f. zu § 371 AO). Insbesondere ist zu beachten, dass der 1. Strafsenat des BGH (20.5.10, 1 StR 577/09, PStR 11, 55, DStR 10, 1133; Simon/Vogelberg, a.a.O., 227) sehr geringe Anforderungen an das subjektive Element stellt. Da jedoch beide Kriterien - objektive Tatentdeckung und subjektive Kenntnis - kumulativ vorliegen müssen, ist hier davon auszugehen, dass eine Tatentdeckung noch nicht gegeben ist. Insbesondere für A erscheint dies sicher. Selbst wenn die Steuerakten bereits abgeglichen wurden, fehlt es an der Kenntnis der Steuerquelle, mag auch die Vermutung und Lebenserfahrung des Fahnders eine andere sein. Ferner sprechen auch das Vorgehen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO wie der Zeitfaktor seit Grenzübertritt und die Gesamtumstände gegen die Tatentdeckung (AStBV (St) 2013 Nr. 12). Ein Vorgehen nach § 208 Abs. 1 Nr. 1 AO (Erforschung von Steuerstraftaten) wäre hier auch nicht möglich, da es die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach § 397 AO voraussetzt. Die fehlende Einleitung bedeutet wiederum wegen § 152 Abs. 2 StPO, dass noch kein Anfangsverdacht besteht (Simon/Vogelberg, a.a.O., S. 251; AEAO Nr. 1 zu § 208 AO).

     

    Fraglich ist aber, ob der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO in Betracht kommt. Neben dem Erscheinen ist dabei subjektiv erforderlich, dass der Prüfer in Prüfungsabsicht erscheint und dies erkennbar ist (Kohlmann, Steuerstrafrecht, Rn. 133 zu § 371 AO; FGJ, a.a.O., Rn. 143; Flore/Tsambikakis/Wessing, a.a.O., Rn. 121).

     

    Sperrwirkung für Mandant A:Der Fahnder teilte A ausdrücklich mit, dass man davon ausgehe, dass B nicht erklärte Einkünfte habe. Man wolle Aussagen des A, da man ihn verdächtigte, für B Bargeld transportiert zu haben. Eine Prüfung bei A sollte nicht erfolgen und wurde auch durch die Aussagen des Fahnders ausgeschlossen. Eine Selbstanzeige ist daher mit strafbefreiender Wirkung möglich, wenn A die Nachsteuer (§ 370 Abs. 3 AO) bezahlen kann.

     

    Sperrwirkung für Mandant B:Bei Mandant B sind die Prüfer in der Absicht erschienen, eine Prüfung durchzuführen - soweit sie nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO zur Entdeckung unbekannter Steuerfälle erschienen sind (Vorfeldermittlungen). Dies ist ausreichend für die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1c AO (Flore/Tsambikakis/Wessing, a.a.O., Rn. 106 zu § 371 AO), das gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung (BGH 20.5.10, 1 StR 577/09, PStR 11, 55, DStR 10, 1133). Die Selbstanzeige dürfte daher für B gesperrt sein. Der Wille des B geht jedoch dahin, „reinen Tisch“ zu machen. Daher sollte eine Berichtigung erfolgen. Zumindest bei der Strafzumessung ist die gescheiterte Selbstanzeige mildernd zu berücksichtigen.

     

    PRAXISHINWEIS | Für Mandant B wird letztlich nur die Akteneinsicht nach § 147 StPO i.V. mit § 385 Abs. 1 AO in die Ermittlungsakte Sicherheit bringen. In den Fällen, in denen schon ein „Erstkontakt“ zu den Finanzbehörden stattgefunden hat, muss der Berater den Mandanten sehr genau und umfassend auf die Folgen hinweisen, wenn sich der Mandant vollständig offenbart, aber eine strafbefreiende Wirkung an einem Sperrgrund i.S. des § 371 Abs. 2 AO scheitert. Gefährlich ist es hier, dem Mandanten zu starke Hoffnungen auf die Straffreiheit zu machen. Nur im Einzelfall dürfte vorliegend eine strafbefreiende Selbstanzeige noch möglich sein. Dann muss der Mandant wissen, welche Folgen es hat, wenn er von seinem Recht zu Schweigen keinen Gebrauch macht und er der Finanzverwaltung alle Details liefert, die sie benötigt. Eine Strafmilderung ist hierbei allerdings sicher.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2013 | Seite 131 | ID 38461130