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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Kompensationsverbot im Umsatzsteuerstrafrecht ‒ BGH ändert seine Rechtsprechung nach über 40 Jahren

    von RAin Dr. Janika Sievert, LL.M. Eur., FAin StR, FAin StrR, und RA Alexander Littich, LL.M., FA StR, FA StrR, ECOVIS L+C Landshut

    | Gemäß § 370 Abs. 4 S. 1 AO sind Steuern verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Dies gilt auch, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden können (Kompensationsverbot, § 370 Abs. 4 S. 3 AO). Das Tatbestandsmerkmal „andere Gründe“ begrenzt dabei die bislang geringe Anzahl an Sachverhalten, die bei der Berechnung der verkürzten Steuer berücksichtigt werden konnte. Für den Bereich der Umsatzsteuer hält der BGH mit seinem Urteil vom 13.9.18 (1 StR 642/17, Abruf-Nr. 205707 ) ‒ zumindest in bestimmten Fallkonstellationen ‒ an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. |

     

    FRAGE DES STEUERBERATERS: Mein Mandant hat für das letzte Jahr weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch eine Jahreserklärung abgegeben. Sämtliche Erklärungsfristen sind verstrichen. Aus der nachträglichen Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung sind steuerpflichtige Umsätze ‒ zu einem Umsatzsteuersatz zu 19 % ‒ von 350.000 EUR, also Umsatzsteuer zu 66.500 EUR und auf diese Umsätze entfallende Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der Eingangsumsätze i.H. von 300.000 EUR, also 57.000 EUR zu ermitteln. Welcher Steuerschaden könnte einer Bestrafung zugrunde gelegt werden?

     

    ANTWORT DES STRAFVERTEIDIGERS: Im Gegensatz zu den Ertragsteuern ist die Umsatzsteuer eine Anmeldesteuer. Das bedeutet, dass der Unternehmer die für die Umsatzsteuerfestsetzung erhebliche Höhe der geschuldeten Umsatzsteuer und die damit zu verrechnende Vorsteuer selbst ermittelt und zur Festsetzung an das FA anmeldet.

     

    Unterlässt der Unternehmer die Abgabe der Steuererklärung, verschuldet er damit die nicht rechtzeitige Festsetzung einer geschuldeten Steuer und begeht damit Steuerhinterziehung. Die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen gilt als mitbestrafte Vortat der nicht abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung.

     

    Bis zur jetzt veröffentlichten Entscheidung des BGH (13.9.18, a.a.O.) waren in solchen Situationen die auf die Ausgangsrechnungen entfallenden Vorsteuerbeträge unbeachtlich. Der BGH hatte hier in ständiger Rechtsprechung einen inneren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der auf die eigenen Umsätze entfallenden Umsatzsteuer und den abziehbaren Vorsteuern abgelehnt. Im Fall einer Steuerverkürzung sollten in jedem Falle nur derartige Steuervorteile angerechnet werden, die sich aus der unrichtigen Erklärung selbst ergeben oder die dem Steuerpflichtigen in Unterlassensfällen bei richtigen Angaben zugestanden hätten.

     

    Ein solcher Zusammenhang, der dann aber das eigentlich strenge Kompensationsverbot aushebelte, wurde bisher nur für Werbungkosten bzw. Ausgaben, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem steuerbegründenden Geschäft stehen, im Ertragssteuerrecht anerkannt.

     

    Der BGH hat nun jedoch erkannt, dass die tatbestandliche Handlung, die Umsatzsteuer auf den Ausgangsumsatz nicht zu erklären, im Alltag vieler Steuerpflichtiger in der Regel auch die Nichtgeltendmachung des an sich bestehenden Vorsteueranspruchs aus dem Eingangsumsatz mit sich bringt. Aus dieser Kausalität entsteht der benötigte wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz mit der Folge, dass „der Vorsteueranspruch im Rahmen der Verkürzungsberechnung von Rechts wegen zu berücksichtigen ist“ (BGH 13.9.18, a.a.O., Rn. 21). Die strafrechtliche Schadensberechnung gleicht sich somit dem steuerlichen Verfahren an.

     

    Der BGH kippte damit seine bisherige und viel kritisierte Rechtsprechung zumindest für Fälle, in denen die steuerpflichtige Ausgangsleistung eine tatsächlich durchgeführte Lieferung (also keine Scheinlieferung) war und die verwendeten Wirtschaftsgüter unter den Voraussetzungen des § 15 UStG erworben wurden. Die Vorlage einer Eingangsrechnung muss dabei aber explizit z„im maßgeblichen Besteuerungszeitraum“ gegeben sein.

     

    Vor dem Urteil hätte dem Mandanten in einem Strafverfahren die Verkürzung von Umsatzsteuer i.H. von 66.500 EUR angelastet werden können, damit wäre die Grenze zum sogenannten großen Ausmaß überschritten gewesen. Da nun das Kompensationsverbot im vorliegenden Fall jedoch nicht mehr anwendbar ist, liegt der Steuerschaden bei nur 9.500 EUR, und es handelt sich nun um eine einfache Steuerhinterziehung. Bislang hätte die Vorsteuer nur im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden können.

     

    Der BGH mindert mit diesem Urteil zugunsten des Steuerpflichtigen in Fällen, in denen ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz besteht, erheblich den Verkürzungsumfang. Das wirkt sich spürbar auf die zu erwartende Strafe aus. Der BGH hat jedoch ausdrücklich offengelassen, ob diese pro Steuerhinterzieher ausfallende Nichtanwendbarkeit des Kompensationsverbots für alle Fälle der Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Erklärungsabgabe gilt. Das Urteil gilt auch für Fälle, in denen der Verkürzungserfolg schon vor dem 13.9.18 eingetreten ist.

     

    PRAXISTIPP | § 15 UStG verweist auch auf die allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung von Rechnungen nach §§ 14, 14a UStG. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Senatex vom 15.9.16 (C-518/14, DStR 16, 2211) zur Rückwirkung von Rechnungskorrekturen und der Rechtssache Barlis 06 (15.9.16, C-516/14, DStR 16, 2216) zur Ergänzung von Rechnungen durch andere Dokumente wird sicherlich abzuwarten sein, wie streng der BGH diese neuen selbst gesetzten Maßstäbe zur Vorlage einer Eingangsrechnung im maßgeblichen Besteuerungszeitraum in strafrechtlicher Hinsicht auslegen wird.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2019 | Seite 23 | ID 45634047

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