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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Offshore-Gesellschaft: Ab wann greift das neue Regelbeispiel als Sperrgrund für eine Selbstanzeige?

    von RAin Dr. Janika Sievert, LL.M. Eur., FA StrR, und RA Alexander Littich, LL.M., FA StrR, ECOVIS L+C Regensburg und Landshut

    | Durch das StUmgBG wurde zum 25.6.17 mit § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO ein neuer besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung eingeführt: Danach werden auch Täter belangt, die eine Drittstaatgesellschaft i.S. des § 138 Abs. 3 AO, auf die der Täter unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzen und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzen oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangen. Parallel dazu erweiterte der Gesetzgeber den Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 4 AO bei der Abgabe von Selbstanzeigen. |

     

    Frage des Steuerberaters: Mein Mandant hatte bis Ende 2016 Vermögen im Ausland auf den Namen einer in der Republik Panama gegründeten Briefkastengesellschaft angelegt. Anfang August 2017 hat er eine Selbstanzeige eingereicht. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle hat jetzt ein Steuerstrafverfahren unter Hinweis auf das neue Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO und den korrespondierenden Sperrgrund eingeleitet. Ist dieses Vorgehen korrekt?

     

    Antwort des Strafverteidigers: Straffreiheit tritt trotz Abgabe einer Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO nicht ein, wenn ein in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 6 AO genannter besonders schwerer Fall vorliegt. Seit Inkrafttreten des StUmgBG liegt ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung auch vor, wenn der Täter zur Steuerverkürzung eine Drittstaatgesellschaft nutzt. Darunter fällt z.B. eine in der Republik Panama gegründete Briefkastengesellschaft, die rein formal und zu Verschleierungszwecken Inhaber des Vermögens des Mandanten wurde. Entsprechend der Regelung in Art. 11 StUmgBG gilt dieses Regelbeispiel aber erst für Taten ab dem 26.6.17. Der Mandant aus dem Beispielsfall kann sich daher nicht wegen Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO strafbar gemacht haben.

     

    Ob trotz fehlender Strafbarkeit nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO dennoch der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO greifen kann, ist derzeit noch unklar. Ein wohl vergleichbares Problem gab es, als mit dem JStG 2009 die Verjährungsvorschriften verschärft wurden. Hier vertritt der BGH (5.3.13, 1 StR 73/13, PStR 13, 136) die Ansicht, dass für die Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist die Regelbeispiele in der jeweils geltenden Fassung des § 370 Abs. 3 S. 2 AO maßgeblich seien. Der Gesetzgeber habe mit der Verweisung den Regelbeispielen in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 AO die Funktion von Tatbestandsmerkmalen zugewiesen und eine Differenzierung nach der Fassung der Regelbeispiele in Abhängigkeit vom jeweiligen Tatzeitpunkt gerade nicht vorgenommen. Daher war es nach Ansicht des BGH hier fernliegend, dass der Gesetzgeber teilweise auf eine frühere Rechtslage verweisen wollte. Für den BGH war es bei der Frage der Anwendbarkeit der verschärften Verjährungsvorschriften alleine von Bedeutung, ob die Tat nach geltendem Recht einem der Regelbeispiele entspricht. Dabei kommt nach dem BGH eine zehnjährige Verfolgungsverjährung gerade auch für Taten in Betracht, die bei Tatbegehung noch keinem Regelbeispiel entsprochen haben.

     

    Wendet man diese Rechtsprechung auf die sich jetzt ergebende Problematik der Anwendbarkeit eines zum Tatzeitpunkt noch nicht als Regelbeispiel strafbaren Sperrgrundes der Vermögensverschleierung mittels Offshore-Gesellschaft an, muss man zu dem Schluss kommen, dass der Sperrgrund des § 370 Abs. 2 Nr. 4 AO, der auf das neu eingeführte Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO verweist, auch für Taten in Betracht kommt, die bei Tatbegehung noch keinem Regelbeispiel entsprochen haben. In solchen Fällen wäre es unter Heranziehung der BGH-Rechtsprechung zu der vergleichbaren Problematik also möglich, dass zwar eine Strafbarkeit in einem besonders schweren Fall aufgrund der Nutzung einer Briefkastengesellschaft abzulehnen ist, der korrespondierende Sperrgrund jedoch greift. Das in der Frage geschilderte Vorgehen der Bußgeld- und Strafsachenstelle wäre damit hinsichtlich der Bewertung der Nachmeldung als nicht strafbefreiende Selbstanzeige korrekt.

     

    Mangels vorhandener Rechtsprechung zu genau diesem Problem sollte dem Vorgehen der Bußgeld- und Strafsachenstelle jedoch nicht diskussionslos zugestimmt werden. Denn rein nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO liegt gerade kein Regelbeispiel vor, welches die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige sperren würde, da mangels Anwendbarkeit des Regelbeispiels im Tatzeitraum keine Strafbarkeit des Mandanten in einem besonders schweren Fall gegeben ist.

     

    Das Vorliegen eines besonders schweren Falls muss jedoch für jeden Beteiligten einer Steuerhinterziehung gesondert geprüft und festgestellt werden. Dies führt nach ebenfalls vertretener Ansicht dazu, dass eine Selbstanzeige nicht für alle Tatbeteiligten gleichermaßen gesperrt ist, soweit nicht bei jedem ein Regelbeispiel greift (so etwa Kohler, MK-StGB, § 371 AO, Nr. 307). Wendet man diesen Grundsatz entsprechend auf die Problematik des neuen Sperrgrundes der Briefkastengesellschaft an, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Selbstanzeige nicht nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO gesperrt ist, da das dafür notwendige Regelbeispiel im Zeitpunkt der Tatbegehung noch nicht normiert war.

     

    PRAXISHINWEIS | Ob das Regelbeispiel des großen Ausmaßes (§ 370 Abs. 3 Nr. 1 AO) verwirklicht ist, muss natürlich separat auch in den Panama-Fällen geprüft werden. Jedoch sei hier angemerkt, dass nicht nur sehr große Vermögen auf diesem Wege im Ausland versteckt wurden. Anders als es die Presseberichterstattung vermuten lässt, gibt es durchaus Geldanlagen, bei denen der Aufwand für die Verschleierung weitaus größer war als das zu verschleiernde Vermögen und die aufgrund geringer Erträge eine sehr niedrige Nachzahlungspflicht mit sich bringen.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2018 | Seite 103 | ID 45163875