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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Selbstanzeige trotz laufender Außenprüfung

    von RA Philipp Külz und RAin Sophia von Hake, LL.M., Flick Gocke Schaumburg, Bonn

    | Eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung hat ihren Ursprung in Außenprüfungen. Die nachfolgenden Ausführungen machen deutlich, dass die Berater durch rechtzeitiges Handeln zumindest in den Fällen des § 378 AO die Verhängung eines Bußgeldes für die Betroffenen häufig noch vermeiden können. |

     

    Frage des Steuerberaters: Bei einer von mir vertretenen GmbH hat eine Lohnsteueraußenprüfung begonnen. Bereits nach wenigen Tagen wurde dem Geschäftsführer durch die Prüfer mitgeteilt, dass eine erste Sichtung von Unterlagen auf die Nichtversteuerung geldwerter Vorteile für einige Arbeitnehmer hindeutet. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, möchten die Finanzbeamten den Sachverhalt - da in der Vergangenheit bei diesem Unternehmen bereits ähnlich gelagerte Feststellungen getroffen wurden - der Bußgeld- und Strafsachenstelle zur Prüfung der Einleitung eines Verfahrens nach § 378 AO vorlegen. Besteht für meinen Mandanten die Möglichkeit, die Verhängung einer Sanktion zu verhindern?

     

    Antwort des Verteidigers: Obwohl die Lohnsteueraußenprüfung schon begonnen und die Prüfer bereits Auffälligkeiten festgestellt haben, ist vorliegend gemäß § 378 Abs. 3 AO eine bußgeldbefreiende Selbstanzeige bis zur etwaigen Verfahrenseinleitung noch möglich.

     

    Im Falle einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO wurde seitens des Gesetzgebers insbesondere durch die Normierung der Sperrgründe in § 371 Abs. 2 Nr. 1a und c AO die Möglichkeit ausgeschlossen, nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung zu erstatten. Anders verhält es sich bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 AO. Hier greifen die Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO nicht ein. Vielmehr wird gemäß § 378 Abs. 3 S. 1 AO eine Geldbuße nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist.

     

    Eine Korrektur nach § 378 Abs. 3 AO kann auch dann noch wirksam sein, wenn der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt der Berichtigung wusste oder damit rechnen musste, dass die Tat ganz oder zum Teil bereits entdeckt war (etwa Joecks in Franzen/Gast/Joecks, 7. Aufl., § 378, Rn. 67). Zu spät ist es erst, wenn dem Täter die Verfahrenseinleitung mitgeteilt worden ist. Konkretisiert wird die gesetzeskonforme Vorgehensweise in solchen Konstellationen durch § 10 BpO. Diese Vorschrift dient dem Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Selbstbelastungsfreiheit und soll strafrechtliche Untersuchungen unter dem „Deckmantel“ einer Außenprüfung verhindern. Sofern sich während einer solchen Prüfung zureichende Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit ergeben, ist seitens der Prüfer die für die Bearbeitung dieser Tat zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten (§ 10 Abs. 1 S. 1 BpO). Gemäß § 10 Abs. 1 S. 3 BpO dürfen die Ermittlungen nach § 194 AO erst fortgesetzt werden, wenn dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Verfahrens bekannt gegeben worden ist.

     

    Die Anforderungen an eine Selbstanzeige i.S. des § 378 Abs. 3 AO sind zwar umstritten, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Täter hier „nur“ leichtfertig gehandelt hat, sind sie nach nahezu einhelliger Auffassung jedenfalls deutlich geringer als bei § 371 AO.

     

    Der BGH hat sich - soweit ersichtlich - letztmalig im Jahr 1959 zu dieser Frage geäußert und ausgeführt, dass die Berichtigung einen eigenen, von der Ermittlungstätigkeit des Prüfers unabhängigen Beitrag des Täters zur Korrektur der bisher unrichtigen Angaben voraussetzt (BGH 25.9.59, 4 StR 332/59, DStZ/B 59, 499). Seit dieser Zeit gibt es lediglich einige einzelfallbezogene Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte.

     

    Nach der Auffassung des OLG Celle ist es etwa nicht erforderlich, dass der Täter „neues steuerliches Material“ liefert (OLG Celle 19.12.63, 1 Ss 402/63, NJW 64, 989). Das OLG Karlsruhe sieht die Voraussetzungen des § 378 Abs. 3 AO als erfüllt an, wenn im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung die Besteuerungsunterlagen vollständig übergeben werden, das Prüfungsergebnis anerkannt und ein Antrag auf pauschalierte Lohnsteuerfestsetzung gestellt wird (OLG Karlsruhe 30.11.95, 2 Ss 158/95, wistra 96, 117). Eine engere Auffassung verlangt einen eigenen, von der Ermittlungstätigkeit der Behörde unabhängigen Beitrag des Täters zur Richtigstellung der bisher unrichtigen Angaben (OLG Oldenburg 18.9.97, Ss 335/97 (I/102), Ss 335/97, PStR 98, 79 f., wistra 98, 71).

     

    Mit Blick auf die nach allen Ansichten vergleichsweise niedrigen Hürden des § 378 Abs. 3 AO besteht somit die Möglichkeit, die strafbefreiende Wirkung auch in dem häufig kleinen Zeitfenster zwischen dem Hinweis eines Prüfers und der Einleitung eines Verfahrens herbeizuführen. Im Ausgangsfall sollte dem Mandanten daher geraten werden, alle relevanten Unterlagen unverzüglich zusammenzustellen und den Beamten vorzulegen sowie gegebenenfalls das Pauschalierungswahlrecht in Anspruch zu nehmen.

     

    PRAXISHINWEIS | Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass Hinweise seitens der Finanzbeamten auf das etwaige Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung umgehend genutzt werden sollten, um vor einer Verfahrenseinleitung die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO zu erfüllen. Sofern ein solches Verfahren während der Außenprüfung bereits eingeleitet wurde, ist durch den Berater genauestens zu untersuchen, ob der Mandant durch seine vorherige Mitwirkung nicht schon die Voraussetzungen des § 378 Abs. 3 AO erfüllt hat.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Talaska, 10-Punkte-Programm: Steuerstrafrechtliche Gefahrenabwehr in der Betriebsprüfung, PStR 13, 260 ff.
    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 191 | ID 42723624