20.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113685
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 15.09.2010 – 14 K 5903/08
1. Eine vorsätzlich Hinterziehung von Umsatzsteuer liegt vor, wenn der Steuerpflichtige weiß, dass die Ausstellung einer Rechnung mit Umsatzsteuer die Folge hat, dass die Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen ist.
2. Umsätze sind nur dann einem Strohmann nicht zuzurechnen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene, ggf. auch durch Subunternehmer auszuführenden Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und keine eigene Leistung versteuern will.
3. Unrichtige Rechnungen entfalten dann Wirkung, wenn sie der Aussteller in den Verkehr bringt. Ausreichend ist, dass der Aussteller einem Dritten ein mit Blankounterschrift versehenes Papier überlässt, der darauf eine Rechnung erstellen kann.
4. Die Steuerschuld für die Umsatzsteuer bei der Ausstellung einer unrichtigen Rechnung (§ 14 Abs. 3 UStG a.F., § 14c Abs. 1 UStG n.F.) besteht auch für einen Strohmann unabhängig von einem vorwerfbaren Verhalten.
5. Eine Rechnungsberichtigung aufgrund der Rückgängigmachung des Verzichts auf eine Steuerbefreiung kommt nur in Betracht, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens nachweislich rechtzeitig und vollständig beseitigt worden ist. Dies setzt voraus, dass die aus der unrichtigen Rechnung gezogenen Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurückgezahlt worden sind.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 14. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2010 durch … Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger (Kl), ein Mechaniker, meldete am 2. Dezember 1997 bei der Gemeinde X das Gewerbe G an und am 8. März 2003 wieder ab. … Er gründete außerdem zusammen mit seinem Vater die A GmbH, deren Geschäftsführer sein Vater ist. Diese handelt mit Gold und stellte zunächst Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuer(USt)-Ausweis aus, stornierte diese jedoch, so dass vom Rechnungsempfänger die Vorsteuern zurückgefordert wurden. Hiergegen klagte dieser erfolglos (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Dezember 2009 XI R 7/08, Nichtveröffentlichte Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2010, 1497). Der BFH ging u.a. davon aus, dass die B GmbH als Klägerin die Stornorechnungen zu den in der Zeit von Juni bis November 2003 ausgestellten Rechnungen der A GmbH im Januar 2004 erhalten hatte.
Der Beklagte (Bekl) schätzte zunächst die USt-Besteuerungsgrundlagen 1997 und setzte die USt dann entsprechend der vom Kl am 3. November 1999 eingereichten USt-Erklärung erklärungsgemäß mit geändertem USt-Bescheid 1997 vom 10. Dezember 1999 fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) hob er auf. Die USt 1998 setzte er im Wege der Schätzung mit Bescheid vom 10. Oktober 2000 fest und änderte diese nach Eingang der Steuererklärung mit geändertem USt-Bescheid für 1998 vom 7. November 2000 auf – … DM. Der Bekl stimmte der USt-Erklärung 1999 mit Bescheid vom 30. Juli 2001 zu. Abweichungen ergaben sich im Jahr 2000 von der eingereichten Erklärung nicht. Für die Streitjahre 2001 – 2003 reichte der Kl keine USt-Erklärungen ein.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2003 ordnete der Bekl eine USt-Sonderprüfung beim Kl für die Besteuerungszeiträume 2000 bis 2002 gemäß § 196 Abgabenordnung (AO) an. Die Steuerfahndungsstelle (Steufa) des Finanzamts (FA) Z hatte anlässlich von Ermittlungsmaßnahmen in anderer Sache erfahren, dass unter der Firma des Kl Goldlieferungen mit gesondertem USt-Ausweis im Inland erfolgt seien. Ihre im November 2003 begonnene Überprüfung ergab, dass der Kl diese Umsätze nicht der USt unterworfen habe. Hierzu hielt die Steufa in ihrem vorläufigen steuerlichen Prüfungsbericht vom 1. Dezember 2003 über die Ermittlungen beim Kl, „Handel mit Edelmetallen und NE-Metallen” im Wesentlichen fest:
„Nach den bisherigen Ermittlungen handelt es sich bei den erklärten Umsätzen nicht um die festgestellten Goldlieferungen (siehe Tz. 13 ff.), sondern um die Umsätze aus der Verarbeitung / Handel von Zinn und anderen Metallen. Die bisher erklärten Besteuerungsgrundlagen und die abzugsfähige Vorsteuer sind daher um die in Tz. 13 und 14 aufgeführten Entgelte zu erhöhen. …
Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bericht Bezug genommen (Betriebsprüfungs(Bp)-Akten, S. 6-14). …
Der Bekl änderte daraufhin die USt-Festsetzungen 1998 – 2000 jeweils mit geänderten USt-Bescheiden vom 5. Dezember 2003 und setzte USt für 1998 in Höhe von xx.xxx,xx EUR, für 1999 in Höhe von xx.xxx,xx EUR und für 2000 in Höhe von xx.xxx,xx EUR fest. Ebenfalls mit USt-Bescheiden vom 5. Dezember 2003 setzte er die USt für 2001 in Höhe von xx.xxx,xx EUR und für 2002 in Höhe von xxx.xxx,xx EUR jeweils unter dem VdN fest. Mit USt-Bescheid 2003 vom 6. Dezember 2005 setzte er die USt in Höhe von xxx.xxx,xx EUR fest. Hiergegen legte der Kl jeweils Einspruch ein.
Die Steufa setzte ihre Ermittlungen fort. Sie wertete im Wesentlichen Rechnungen, Gutschriften und Kontenunterlagen aus. Der Kl hatte u.a. am 1. März 2001 ein Konto bei der Bank 1 U eröffnet, das von September 2001 bis November 2001 für den An- und Verkauf von Gold genutzt wurde. Schon vor 1998 war der Kl Inhaber von (mindestens) zwei Konten bei der Bank 2 U, die hauptsächlich der Abwicklung der Goldgeschäfte dienten. Dies ergab sich auch aus handschriftlichen Zahlungsvermerken auf den Rechnungsausfertigungen der B GmbH.
Die Steufa verfasste dann einen strafrechtlichen Ermittlungsbericht am 24. Oktober 2005, nach dem der Kl und sein Vater Mittäter sind. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bericht Bezug genommen (Bp-Akten, S. 16-28). Außerdem hielt die Steufa in ihrem steuerlichen Bericht vom selben Tag im Wesentlichen fest: ” 13. Goldeinkäufe
Die durch die Steuerfahndung bei den jeweiligen Lieferanten erhobenen Belege ergaben in den Jahren 1996 bis November 2003 (incl. A GmbH) Einkäufe von… Kilogramm Feingold im Wert von x.xxx.xxx,xx Euro netto. Die Käufe erfolgten fast ausschließlich umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 8i bis 1999, bzw. § 25c Abs. 1 UStG), es wurden lediglich für die gesamten Einkäufe xx.xxx,xx Euro Umsatzsteuer bezahlt, die als Vorsteuer abzugsfähig sind.
Hauptlieferant war die E GmbH (vormals E) in H mit… kg. Weitere Lieferanten waren die D … und F … Ab Oktober 2003 wurde verstärkt bei der Bank 1 H-W eingekauft. Die Bezahlung erfolgte in der Regel per Scheck. Bei der Fa. E waren Ende 2003 noch Verbindlichkeiten von ca. xx.xxx Euro vorhanden.
Die Fa. E berechnete ab 2000 Formkosten für die Lieferung in Barrenform von insgesamt xx.xxx,xx Euro, die in der o.g. Summe bereits enthalten sind.
An die Lieferanten wurden außerdem noch xx.xxx,xx Euro Finanzierungskosten … bezahlt. Darin enthaltene und abzugsfähige Vorsteuer in Höhe von x.xxx,xx Euro.
14. Gewinnerzielungsabsicht
Eine Gewinnerzielungsabsicht aus dem An- und Verkauf von Gold war von Anfang an nicht gewollt und auch nicht möglich, da das Gold immer teurer eingekauft wurde als es verkauft wurde. Die von den Kunden vereinnahmte Umsatzsteuer aus den Verkäufen wird nicht in die Gewinnberechnung mit einbezogen, …
Im gesamten Ermittlungszeitraum (1996 – Nov. 2003) standen den Wareneinkaufskosten von x.xxx.xxx,xx Euro netto Verkaufserlöse von x.xxx.xxx,xx Euro gegenüber, … Wenn man diesen Verlust mit der vereinnahmten Umsatzsteuer von x.xxx.xxx,xx Euro saldiert, ergibt sich ein rein rechnerischer Überschuss von xxx.xxx,xx Euro, der noch saldiert mit den bezahlten Vorsteuern und den Finanzierungskosten einen Überschuss von xxx.xxx Euro ergibt. …
20. Zuschätzung Goldumsätze
Die Verprobung der Goldein- und Verkäufe für die Jahre 2000 bis 2003 ergab Differenzen, da nicht alle Einkäufe auch Verkäufen zugeordnet werden konnten. Die Differenz von.. Kilogramm des Jahres 2003 wird 50: 50 auf Einzelfirma und GmbH verteilt. Die Zuschätzung erfolgt mit einem Bruttokilopreis von xx.xxx Euro. Generell wird davon ausgegangen, dass auch dieses Gold mit offenem Umsatzsteuerausweis verkauft wurde. …
21. Vorsteuer …”
Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bericht Bezug genommen (Bp-Akten, S. 29-41).
Der Bekl änderte unter Berücksichtigung dieses Berichts die USt-Bescheide 1998-2003 gemäß § 164 Abs. 2 AO jeweils mit Bescheiden vom 1. März 2006 und setzte USt für 1997 in Höhe von xx.xxx,xx EUR, für 1998 in Höhe von xx.xxx,xx EUR, für 1999 in Höhe von xx.xxx,xx EUR, für 2000 in H öhe von xx.xxx,xx EUR, für 2001 in Höhe von xxx.xxx,xx EUR, für 2002 in Höhe von xxx.xxx,xx EUR und für 2003 in Höhe von xxx.xxx,xx EUR fest. Der VdN wurde aufgehoben. Den USt-Bescheid für 1997 änderte er gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Hiergegen legte der Kl jeweils Einspruch ein.
Während des Ermittlungsverfahrens sagte der Kl als Beschuldigter zur Sache im Wesentlichen aus, dass er mit den Goldgeschäften grundsätzlich nur am Rande zu tun gehabt habe. … Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Vernehmung des Beschuldigten Bezug genommen (Anlagenband zur Klage-Akte).
Mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht der Kl im Wesentlichen geltend, sein Vater b a A habe die beanstandeten Goldgeschäfte getätigt. Dieser sei für die USt verantwortlich. Sein Vater habe beabsichtigt, eine „b a A GmbH” zu gründen. Um schon vor der Gründung der GmbH Geschäfte tätigen zu können, habe er seinen, des Kl, Briefkopf verwendet und abgeändert. Dies ergebe sich auch aus der Rechnung vom 15. November 1999 (Klage-Akte, S. 26).
Der Kl, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, beantragte mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2008:
Die USt-Bescheide des Finanzamts Y für die Veranlagungsjahre 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002 und 2003 in der Form der Änderungsbescheide vom 01.03.2006, Az. …, werden aufgehoben.
Die Einspruchsentscheidung des Finanzamts Y vom 13.11.2008, Az. …, wird aufgehoben.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, der Kl sei Unternehmer und habe die Goldgeschäfte mit gesondertem USt-Ausweis getätigt. Der Kl sei nach außen hin aufgetreten. Er selbst habe Kontakt mit den entsprechenden Firmen gehabt. Unter dem Namen seiner Firma seien die Geschäfte abgewickelt worden. Seine Firma sei der Rechnungsaussteller gewesen. Das den Geschäftspartnern mitgeteilte Konto sei das des Kl gewesen. Es seien nur wenige Rechnungen mit „b a A” innerhalb eines kurzen Zeitraums ausgestellt worden. Diese seien berichtigt worden. Die neuen Rechnungen wiesen die Firma des Kl ohne Angabe „b” als Rechnungsaussteller aus. Der Kl habe vor allem Gold in Barrenform umsatzsteuerfrei von der E in H oder bei der Bank 1 erworben. Dieses Gold habe er dann umsatzsteuerpflichtig mit gesondertem USt-Ausweis veräußert. Er habe im Wesentlichen Gold an die Fa. B GmbH zur eigenen Verwendung geliefert und hierfür entsprechende Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis gestellt. Die Fa. B GmbH habe außerdem Goldbarren erhalten und in Goldgranulat für den Kl umgearbeitet, der das Goldgranulat im Wesentlichen an die Firma T veräußerte. Da der Kl keinen Ofen zur Bearbeitung von Gold gekauft und zum Zeitpunkt der Durchsuchung keinen Ofen gehabt habe, habe sich der Kl zur Umarbeitung der gekauften Goldbarren in verkauftes Goldgranulat eines Dritten, nämlich der Firma B GmbH, bedienen müssen. Diese habe einen Ofen gehabt und ihr sei eine Umarbeitung innerhalb von 2-3 Stunden möglich gewesen.
Obwohl der Kl die Rechnungen über Goldlieferungen an die Firma B GmbH berichtigt habe, habe er, der Bekl, die angefochtenen USt-Bescheide nicht zu ändern. Der Kl habe keinen entsprechenden Antrag gestellt. Darüber hinaus stehe nicht fest, dass die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Das für den Rechnungsempfänger zuständige FA habe die Vorsteuern noch nicht zurückgefordert. Im Übrigen könne der Kl nicht alle Rechnungen über Goldlieferungen berichtigen. So ergebe sich z.B. aus den Gutschriften der Firma T, H, dass der Kl den Artikel „1966 Feingold” geliefert und USt gesondert ausgewiesen habe. Dabei handle es sich um Goldgranulat, dessen Verkauf umsatzsteuerpflichtig sei. Insoweit sei eine Rechnungsberichtigung nicht möglich.
Der Beklagte übergab außerdem ein Schreiben des früheren Vertreters des Kl vom 13. Januar 2006 zu den Akten. Danach schrieb dieser für die „Fa. a A L und Fa. A GmbH” an die Firma B GmbH,
„bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß mich die obigen Firmen beauftragt haben, Ihnen die nachfolgenden Storno-Rechnungen, Rechnungen und Gutschriften zur Verfügung zu stellen. Mit der Bitte um Beachtung und gleichlautendes Buchen füge ich für meine Mandantinnen hier bei Storno-Rechnungen ab 18.01.1999”.
Die Akten des Strafverfahrens des Kl … des AG U wurden beigezogen. …
Entscheidungsgründe
1. Der Senat ist an einer Entscheidung nicht gehindert.
Für die Klägerseite ist zwar in der mündlichen Verhandlung am 15. September 2010 niemand erschienen. Sie ist jedoch in der ordnungsgemäßen Ladung vom 18. August 2010 darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
2. Die Klage wegen USt 1998 ist unzulässig. Der Kl hat insoweit nicht geltend gemacht, durch den angefochtenen geänderten USt-Bescheid 1998 vom 1. März 2006 in seinen Rechten verletzt zu sein (vgl. § 40 Abs. 2 FGO). Denn die beantragte Aufhebung des geänderten USt-Bescheids 1998 vom 1. März 2006 mit einer USt-Festsetzung in Höhe von xx.xxx,xx EUR würde zu einer Verböserung führen, da dann der geänderte USt-Bescheid 1998 vom 5. Dezember 2003 mit einer USt-Festsetzung in Höhe von xx.xxx,xx EUR Geltung erlangen würde. Eine solche ist jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren nicht zulässig.
3. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Die geänderten USt-Bescheide der Streitjahre 1997, 1999 bis 2003, jeweils vom 1. März 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2008, sind nicht aufzuheben.
a. Der Bekl durfte den geänderten USt-Bescheid 1997 vom 10. Dezember 1999 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO mit USt-Bescheid 1997 vom 1. März 2006 ändern.
aa. Der Bekl war an einer Änderung nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung gehindert. Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 1 S. 2 AO zehn Jahre. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kl die USt 1997 hinterzogen hat, indem er die Umsätze mit den Goldlieferungen nicht erklärt hat, obwohl er hierfür Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis ausgestellt hat. Er hat damit den Bekl über steuerlich erhebliche Tatsachen (Goldlieferungen mit gesondertem USt-Ausweis) nicht informiert, insoweit in seiner USt-Erklärung 1997 unvollständige Angaben gemacht und dadurch die USt 1997 verkürzt (vgl. § 370 Abs. 1 AO). Dies geschah vorsätzlich. Denn der Kl wusste –wie er in seiner Vernehmung einräumte–, dass „wenn eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis ausgestellt wird, diese … dann bezahlt werden muß”, also die USt an ein FA abzuführen ist, und dass er Rechnungen ausgestellt hat. Er nahm damit zumindest billigend in Kauf, dass diese Umsätze weder erklärt noch versteuert werden. Denn nach eigenem Bekunden hinterfragte er die Geschäftsvorfälle nicht. Er gehorchte seinem Vater und handelte auf Geheiß. Dieses Verhalten lässt auch den Schluss zu, dass der Kl seine steuerliche Pflichten verletzt hat und damit auch zumindest billigend in Kauf nahm, den Beklagten pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und dadurch Steuern zu verkürzen (vgl. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).
Die zehnjährige Festsetzungsfrist war zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids noch nicht abgelaufen. Die Festsetzungsfrist begann gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht worden ist und damit mit Ablauf des Jahres 1999. Sie endete infolge der zehnjährigen Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2009. Der Bekl erließ den geänderten USt-Bescheid 1997 jedoch schon im Jahr 2006.
bb. Der Bekl konnte den USt-Bescheid 1997 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern, da dem für die Steuerfestsetzung zuständigen Bediensteten die Tatsachen (Goldlieferungen und Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis unter Verwendung des Firmennamens des Kl) erst nachträglich, d.h. erst nach der Steuerfestsetzung im Jahr 1999 infolge der Ermittlungen der Steufa bekannt wurden.
b. Der Bekl hat in den Streitjahren zu Recht USt wegen der Goldlieferungen festgesetzt, da der Kl diese Umsätze als steuerpflichtige behandelt und entsprechende Rechnungen ausgestellt hat.
Der Kl ist Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG, da er das Gewerbe G ausgeübt hat. Es kann dahin gestellt bleiben, ob dieses Unternehmen auch die Goldlieferungen umfasste. Dem steht nicht entgegen, dass der Kl vorträgt, „Strohmann” gewesen zu sein, da selbst ein „Strohmann” als leistender Unternehmer in Betracht kommt und ihm dementsprechend die Leistungen zugerechnet werden können (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, Bundessteuerblatt (BStBl.) II 2004, 622; BFH-Urteil vom 12. August 2009 XI R 48/07, Juris). Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn das „vorgeschobene” Strohmanngeschäft zivilrechtlich und umsatzsteuerrechtlich (vgl. auch § 41 Abs. 2 AO) nur zum Schein abgeschlossen worden ist, d.h. wenn die Vertragsparteien, der Strohmann und der Dritte einvernehmlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Dritten und dem Hintermann eintreten sollen. Entscheidend für solch eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung der Person des Leistungsempfängers ist, dass der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene, ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen und keine eigenen Leistungen versteuern will (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BStBl. II 2004, 622). Gegen ein solches Scheingeschäft spricht indes, dass zwischen dem Kl und den Vertragspartnern persönliche und berufliche Kontakte bestanden haben. Der Kl ist auch nach außen aufgetreten. Er hat Goldlieferungen beim Lieferanten abgeholt und seinen Kunden gebracht. Die Zahlungen wickelte er über sein Konto ab.
Der Kl schuldet jedenfalls die USt in den Streitjahren gem. § 14 Abs. 3 UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung. Er hat nämlich in Rechnungen einen Steuerbetrag gesondert ausgewiesen. Das Gesetz verpflichtet den Rechnungsaussteller, den in der Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrag an das FA abzuführen (Schlosser-Zeuner in: Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl. 2009, § 14c Rn. 15). Die unrichtigen Rechnungen entfalten dann Wirkungen, wenn sie der Aussteller in den Verkehr bringt. Dies ist der Fall, wenn die in der Rechnung als Aussteller bezeichnete Person an der Ausstellung und Begebung des Dokuments mitgewirkt hat (BFH-Urteile vom 16. März 1993 XI R 103/90, BStBl. II 1993, 531; vom 24. September 1998 V R 18/98, BFH/NV 1999, 525), z.B. indem sie einem Dritten ein mit Blankounterschrift versehenes Papier überlässt, der darauf eine Rechnung erstellt (BFH-Urteil vom 5. August 1988 X R 66/82, BStBl. II 1988, 1019). Der Kl hat in seiner Vernehmung eingeräumt, Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis eigenhändig unterschrieben zu haben. Schon mit seiner Unterschrift hat er an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt. Ohne Bedeutung ist, dass er nach seinen Angaben durch seinen Vater zur Erstellung der Rechnung überredet worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juli 1996 V B 23/96, BFH/NV 1997, 204). Seine Einlassungen lassen darüber hinaus den Schluss zu, dass er – wenn auch auf Anweisung – die Rechnung zur Post und damit auf den Weg zum Rechnungsempfänger gebracht oder gar persönlich übergeben hat. Darüber hinaus hat er deren Ausstellung nicht verhindert. Er hat damit durch das Überlassen der von ihm erstellten Abrechnungspapiere an seinen Vater die Rechnungen in den Verkehr gebracht. Er hat ihm quasi eine Blankounterschrift erteilt, da er ihm vertraut hat. Selbst ein guter Glaube und eine mögliche missbräuchliche Verwendung der Rechnungen durch seinen Vater lassen die Steuerschuldnerschaft des Kl nicht entfallen. Auf ein vorwerfbares Verhalten kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 103/90, BStBl. II 1993, 531). Eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass – wie der Kl vorträgt – der anweisende „Hintermann” die gesondert ausgewiesene USt schuldet, scheidet aus, da ansonsten die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 3 UStG ihre generalpräventive Wirkung verliert. Der Schuldner der ausgewiesenen USt – hier der Kl – kann sich allenfalls mit zivilrechtlichen Ersatzansprüchen an seinen Vater halten (so BFH-Beschluss vom 17. Juli 1996 V B 23/96, BFH/NV 1997, 204).
4. Die USt-Festsetzungen der Streitjahre 1997 bis 2003 ist auch nicht zu berichtigen. Die Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt zwar, dass der Aussteller der Rechnungen die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigen und damit entsprechende Rechnungen berichtigen kann (Schlosser-Zeuner in: Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl. 2009, § 14c Rn. 27). Der Verzicht auf eine Steuerbefreiung kann auch rückgängig gemacht und die Leistung damit im Ergebnis als steuerfrei behandelt werden. Mit der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung wird der in der ursprünglichen Rechnung ausgewiesene Steuerbetrag – rückwirkend – nicht mehr geschuldet und die Rückgängigmachung wirkt auf das Jahr der Ausführung des Umsatzes zurück (BFH-Urteil vom 10. Dezember 2009 XI R 7/08, BFH/NV 2010, 1497). Der Rechnungsaussteller bleibt jedoch, falls für die Leistung, für die der Verzicht erklärt wurde, Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt wurden, trotz der der Rückgängigmachung des Verzichts zukommenden Rückwirkung bis zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung Steuerschuldner nach § 14 Abs. 2 S. 1 UStG. Dies gilt auch dann, wenn der Leistungsempfänger mit Steuerausweis abgerechnet hatte (BFH-Beschluss vom 4. November 2009 V B 66/09, Juris). Trotz Berichtigung bleibt damit der Bekl berechtigt, die Steuer von dem Kl zu fordern. Darüber hinaus ist eine Rechnungsberichtigung nur zulässig, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens nachweislich rechtzeitig und vollständig beseitigt worden ist. Das gilt sowohl bei unrichtiger (§ 14 Abs. 2 S. 1 UStG) als auch bei unberechtigter (§ 14 Abs. 3 UStG) Abrechnung mit Steuerausweis. Das Steueraufkommen wird bei zu Unrecht in Rechnung gestellter Steuer dadurch gefährdet, dass –wie im Streitfall– dieser Steuerbetrag als Vorsteuer abgezogen wurde. Über eine Leistung darf nur einmal, und zwar mit der wirklich vereinbarten Bemessungsgrundlage, abgerechnet werden (BFH-Urteil vom 22. März 2001 V R 11/98, BStBl II 2004, 313). Folglich kann der Kl erst dann erfolgreich eine Berichtigung seiner Umsatzsteuersteuererklärungen 1997 bis 2003 vornehmen, wenn sichergestellt ist, dass die erhaltenen Vorsteuerbeträge von den Leistungsempfängern – wie der Firma B GmbH – an das zuständige FA tatsächlich zurück gezahlt worden sind (Sächsisches Finanzgericht (FG), Urteil vom 8. Oktober 2003 2 K 1757/08, Juris). Dies hat der Kl indes nicht vorgetragen und der Bekl ausgeführt, dass bisher nicht einmal die Vorsteuern von der Firma B GmbH zurück gefordert worden sind. Außerdem ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kl die Rechnungen an die Firma B GmbH in den Streitjahren berichtigt hat. Nach dem Schreiben des früheren Vertreters des Kl vom 13. Januar 2006 an die Firma B GmbH wurden die an sie adressierten Rechnungen erst im Januar 2006 berichtigt. Dazu stimmig ist, dass der Kl während des Strafverfahrens im Januar 2006 eine berichtigte USt-Erklärung 1999 vorgelegt hat. Aus diesem Grund kann dahin gestellt bleiben, ob und in welchem Umfang der Kl Goldgranulat geliefert hat und insoweit nicht zu einer Rechnungsberichtigung befugt ist.
5. Der Kl trägt gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.