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  • 16.11.2011 · IWW-Abrufnummer 113688

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 24.11.2010 – 8 K 4132/07

    Wer entweder als Mittäter oder Gehilfe zu einer Steuerhinterziehung des Schwarzzahlungsempfängers beim Grundstücksverkauf als Käufer durch Zahlung am Kaufvertrag vorbei mitgewirkt hat, haftet gem. § 71 AO, auch wenn das Strafverfahren gegen ihn gem. § 153a StPO gegen Erfüllung von Auflagen und Weisungen eingestellt wird.


    FG Münster v. 24.11.2010

    8 K 4132/07

    Tatbestand:
    Streitig ist die Haftung des Klägers (Kl.) gemäß § 71 Abgabenordnung (AO) für Einkommensteuer (ESt) 2001, Zinsen zur ESt 2001, Solidaritätszuschlag 2001 und römisch-katholische Kirchensteuer 2001 des Steuerschuldners M.

    Der Kl. ist verheiratet. Die Eheleute schlossen am 09.06.2001 mit dem Finanzbeamten M (nachfolgend: M) notariell beurkundete Kaufverträge – UR-Nr. des Notars N …/01, …/01 und …/01 – über vier Wohnungen im Objekt N-straße … in O. Die Eheleute erwarben die Wohnungen zu ½ Anteil. Auf Drängen des M vereinbarte der Kl. mit M, dass neben dem beurkundeten Kaufpreis eine weitere Zahlung von 50.000,00 DM zu erfolgen habe. Sowohl M als auch der Makler H (nachfolgend: Makler) machten dem Kl. deutlich, dass das Zustandekommen der Kaufverträge von der „Schwarzzahlung” abhängig sei.

    Im März 2001 leistete der Kl. von den vereinbarten 50.000,00 DM einen Teilbetrag an M in Höhe von 15.000,00 DM. Nach Angaben des Kl. gelang es ihm, unbemerkt von den übrigen Vertragsparteien, einen Teilbetrag in Höhe von 15.000,00 DM in die Grundstückskaufverträge aufnehmen zu lassen. Am Tag der Vertragsunterzeichnung händigte der Kl. an den Makler einen Briefumschlag aus, der den vereinbarten Restbetrag in Höhe von 35.000,00 DM enthielt. Dabei war dem Kl. bewusst, dass dieser Betrag von M nicht versteuert werden sollte.

    Im Rahmen einer beim M durchgeführten Außenprüfung des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung O deckte der Prüfer auf, dass M von den 35.000,00 DM lediglich 30.000,00 DM erhielt. Der Makler behielt nach den Feststellungen des Prüfers 5.000,00 DM aus dem Briefumschlag für sich. M berücksichtigte den in bar erhaltenen Betrag in Höhe von 30.000,00 DM im Rahmen seiner Gewinn- und Verlustrechnung für seinen Betrieb „gewerblicher Grundstückshandel” im Veranlagungszeitraum 2001 nicht.

    Im Anschluss an die Außenprüfung des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung O änderte der Beklagte (Bekl.) am 12.08.2005 die ESt-Festsetzung 2001 für M dergestalt, dass – unter Berücksichtigung eines weiteren Gewinnes bei den Einkünften nach § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 30.000,00 DM – die ESt um … EUR, die römisch-katholische Kirchensteuer um … EUR und der Solidaritätszuschlag um … EUR erhöht wurden. Ferner setzte der Bekl. Zinsen zur ESt 2001 nach § 233a AO in Höhe von … EUR fest. M zahlte diese Beträge nicht.

    Am 03.08.2005 wurde über das Vermögen des M das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Bekl. hat die mit ESt-Bescheid vom 12.08.2005 festgesetzten Steuern für das Jahr 2001 am 22.08.2005 als nicht titulierte Forderung zur Tabelle angemeldet. Nachdem der Insolvenzverwalter u. a. diese Forderung zunächst beschritt, nahm er am 27.10.2005 seinen Widerspruch zurück, so dass am 23.12.2005 die Feststellung der hier streitigen Beträge in voller Höhe zur Tabelle erfolgte. Das Insolvenzverfahren wurde am 31.05.2007 mangels Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben und die Restschuldbefreiung angekündigt.

    Mit Haftungsbescheid vom 27.01.2006 nahm der Bekl. den Kl. sowie dessen Ehefrau für die Mehrsteuern des M unter Hinweis auf §§ 5, 71, 191, 219 AO in Haftung. Zur Begründung für die Inanspruchnahme führte der Bekl. aus, dass der Kl. durch die Vereinbarung einer außerhalb des notariellen Vertrages bar zu leistenden Zahlung für die oben genannten Wohnungen Beihilfe zur Steuerhinterziehung des M geleistet habe. Die Inanspruchnahme sei ermessensgerecht, da M die festgesetzten Mehrsteuern nicht gezahlt habe. Im Haftungsbescheid wies der Bekl. darauf hin, dass der Makler ebenfalls für die Mehrsteuern in Haftung genommen werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Haftungsbescheides vom 27.01.2006 Bezug genommen und verwiesen.

    Der Kl. legte am 28. Februar 2006 gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein.

    Mit Bescheid vom 09.03.2006 nahm der Bekl. den angefochtenen Haftungsbescheid, soweit er sich auf die Haftung der Ehefrau des Klägers erstreckte, zurück. Der Bekl. wies zugleich darauf hin, dass nach § 124 Abs. 2 AO der Haftungsbescheid nach Maßgabe der inhaltlichen Beschränkung durch die Teilrücknahme fortgelte.

    Am 29.01.2007 wurde das gegen den Kl. eingeleitete Strafverfahren nach § 153a Strafprozessordnung ( StPO ) eingestellt.

    Der Kl. begründete seinen Einspruch mit Schriftsatz vom 22.07.2007 und warf die Frage auf, ob die Verwirklichung einer eigenen Steuerhinterziehung als Täter zugleich Beihilfe hinsichtlich der Steuerhinterziehung eines Mittäters sein könne. Jedenfalls sei in seiner Person der erforderliche doppelte Gehilfenvorsatz fraglich und dürfte nicht erweislich sein.

    Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 30.08.2007 wies der Bekl. den Einspruch gegen den Haftungsbescheid als unbegründet zurück.

    Zur Begründung wies der Bekl. darauf hin, dass der Kl. Beihilfe zur Steuerhinterziehung des M geleistet habe. Der Bekl. sah M als den Haupttäter einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO an, da dieser die vereinnahmte Summe in Höhe von 30.000,00 DM nicht bei der Ermittlung seiner gewerblichen Einkünfte berücksichtigt habe. Diese Haupttat des M habe der Kl. objektiv dadurch unterstützt, dass er die Barzahlung geleistet habe. Der Bekl. ging darüber hinaus von einem bedingten Beihilfevorsatz des Kl. aus, da dieser damit gerechnet haben müsse, dass die zusätzliche Barzahlung zur Begehung einer Steuerhinterziehung genutzt werden sollte und er damit gerechnet habe, dass die Steuerhinterziehung durch die Zahlung objektiv gefördert werde. Der Bekl. verwies auf die vom Kl. gemachte Aussage vom 18.02.2005, wonach vor Vertragsschluss bereits die Rede von einer Schwarzzahlung gewesen sei und man sich erst nach Verhandlungen mit M man sich auf die Summe von 50.000,00 DM geeinigt habe. Der Kl. habe daher billigend in Kauf genommen, dass der Taterfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreffen werde. Der Bekl. sah die Barzahlung auch ursächlich zum Ausfall der Steuern, da bei pflichtgemäßem Verhalten des Kl. die Steuer des M höher festgesetzt worden sei, so dass es nicht zu der Steuererstattung gekommen wäre, wie es im erstmaligen Steuerbescheid für 2001 des M erfolgt ist.

    Der Bekl. sah es als ermessensgerecht an, den Kl. dem Grunde und der Höhe nach in Anspruch zu nehmen und verwies darauf, dass es bei einer vorsätzlichen Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung zu einer Vorprägung der Ermessensentscheidung komme. Die Haftung in voller Höhe sei deshalb ermessengerecht, da der Kl. durch die Schwarzzahlung die Straftat des M erst ermöglicht habe. Da der Bekl. auch den Makler in Haftung genommen habe, seien weitere Ausführungen zum Auswahlermessen entbehrlich (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 27.01.2005, 3 K 40/02, EFG 2005, 662). Für die Haftung nach § 71 AO komme es nicht darauf an, dass das Amtsgericht das Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt habe. Die Frage, wie die Haftungsschuld zwischen den Gesamtschuldnern aufzuteilen ist, sei zivilrechtlicher Natur und für die haftungsrechtliche Inanspruchnahme nach § 71 AO unbeachtlich.

    Am 28. September 2007 hat der Kl. Klage gegen den Haftungsbescheid in Gestalt der EE erhoben.

    Der Kl. beruft sich auf die Unschuldsvermutung, da das Strafverfahren beim Amtsgericht gegen Zahlung einer Geldauflage nach § 153a StPO eingestellt wurde. Er vertritt die Auffassung, dass der Bekl. die Fragen von Täterschaft und Teilnahme nicht abschließend festgestellt habe. Der Bekl. habe nicht umfassend gewürdigt, wer gegenüber wem mit welchem Tatbeitrag Unregelmäßigkeiten im Bezug auf den Verkauf der Wohnungen veranlasst bzw. sich daran beteiligt hat. Darüber hinaus ist der Kl. der Auffassung, dass es der Bekl. ermessensfehlerhaft unterlassen habe, eine nur quotale Haftung des Kl. zu überprüfen. Da der Bekl. lediglich Auszüge der Finanzamtsakten des M vorgelegt hat, sei nicht ersichtlich, ob und welche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den M und den Makler ohne Erfolg durchgeführt wurden. M habe als Finanzbeamter im aktiven Dienst über Dienstbezüge verfügt. Die Nichtvorlage der kompletten Steuerakten des M und des Maklers hindere ihn, sich zu verteidigen und verstoße gegen das Gebot eines fairen Verfahrens.

    Der Kl. beantragt,

    den Haftungsbescheid des Bekl. vom 27.01.2006 in der Fassung der EE vom 30.08.2007 aufzuheben,

    hilfsweise,

    die Einspruchsentscheidung wegen Verletzung des Entschließungsermessens aufzuheben.

    Der Bekl. beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Bekl. weist darauf hin, dass in Folge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des M Vollstreckungsmaßnahmen unterbleiben mussten. Er vertritt die Ansicht, dass spätestens mit der Feststellung zur Tabelle am 23.12.2005 wirksam Steuerbeträge gegenüber M festgesetzt wurden. Bei einer Haftungsinanspruchnahme sei die Festsetzung der Steuerschuld gegenüber dem Steuerschuldner nicht erforderlich. Ausreichend sei, dass die Steuer entstanden ist. In der laufenden Wohlverhaltensphase sei eine Vollstreckung nach der Insolvenzordnung ausgeschlossen. Da eine Masseunzulänglichkeit vorliege, habe eine Vollstreckung keine Aussicht auf Erfolg gehabt.

    Der Berichterstatter hat den Sach- und Rechtsstreit mit den Beteiligten am 12.08.2010 erörtert. Auf das Protokoll der Sitzung wird verwiesen und Bezug genommen.

    Der Senat hat am 24.11.2010 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift hierüber wird Bezug genommen. Die vom Bekl. geführte Haftungsakte des Kl. war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.



    Entscheidungsgründe:
    Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

    Soweit der Kl. für die Zinsen zur ESt 2001 nach § 233a AO in Haftung genommen wird, ist der Haftungsbescheid rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten. Die Haftung nach § 71 AO erstreckt sich nicht auf Zinsen nach § 233a AO, sondern umfasst lediglich Steuerhinterziehungszinsen nach § 235 AO (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, § 71 AO, Rn. 15).

    Im Übrigen ist der Haftungsbescheid in Gestalt der EE rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

    Bei der nach § 191 Abs. 1 AO zweigliedrigen Entscheidung (vgl. Urteil des BFH vom 04.10.1988 VII R 53/85, BFH/NV 1989, 274) über die Inhaftungnahme des Kl. für die Steuerschulden des M hat der Bekl. die haftungsbegründenden Voraussetzungen des § 71 i. V. m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Recht bejaht und – auch unter Beachtung von § 191 Abs. 3 und Abs. 5 AO – sein nur im Rahmen des § 102 FGO nachprüfbares Verwaltungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt.

    Nach dem Gesamtergebnis des Klageverfahrens steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass sich der Kl. an der aktiven Steuerhinterziehung des M nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in Mittäterschaft oder zumindest in der ebenfalls nicht nur steuerstrafrechtlich, sondern auch steuerhaftungsrechtlich wahlfeststellungsfähigen Teilnahme der vorsätzlichen Beihilfe beteiligt hat. Entgegen der Auffassung des Kl. ist es unerheblich, ob der Kl. Mittäter oder Hilfeleistender zur Steuerhinterziehung gewesen ist. Denn steuerhaftungsrechtlich reicht eine Wahlfeststellung aus (vgl. FG O, Urteil vom 15.10.2003 1 K 165/99, EFG 2004, 542, m. w. N.).

    Eine Steuerhinterziehung des M ist nach Überzeugung des Senats gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gegeben. Nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO liegt eine Steuerhinterziehung dann vor, wenn den Finanzbehörden gegenüber steuerlich relevanten Tatsachen unrichtige, unvollständige Angaben gemacht werden. Indem M die als „Schwarzzahlung” vereinnahmten Beträge in seiner Gewinnermittlung über den gewerblichen Grundstückshandel nicht berücksichtigt hat, hat er Steuern verkürzt. Die Zahlung außerhalb der Grundstückkaufverträge sollte nach den Vorstellungen des M die wahren Einnahmen verschleiern und so die Finanzbehörden zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung veranlassen.

    Zu dieser vorsätzlichen Straftat des M hat der Kl. jedenfalls Beihilfe geleistet. Beihilfe leistet, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet (§ 27 Abs. 1 StGB). Als Hilfeleistung ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. Beihilfevorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch seine Beihilfe das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Er braucht die Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.1996 1 StR 14/96 , BGHSt 42, 135, NJW 1996, 2517, BB 1996, 1997, NStZ 1997, 272). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde oder die Tat ausdrücklich missbilligt. Es genügt, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat zu fördern oder zu erleichtern und der Hilfeleistende dies weiß (vgl. FG O, Urteil vom 20.09.2006 5 K 4518/02, EFG 07, 488; Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 10.12.2002 II 536/00 , DStR 03, 1251; FG Köln, Urteil vom 19.12.2001 10 K 2330/96, EFG 2002, 513; FG O, Urteil vom 11.12.2001 1 K 3470/98, EFG 2002, 728). Der Gehilfe erbringt einen von der Haupttat losgelösten Beitrag. Beihilfe durch Tat kann nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH a.a.O.) schon begehen, wer dem (Haupt)Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich an die Hand gibt und damit bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels typischerweise geförderte Haupttat verübt wird.

    Unstreitig hat der Kl. dem M mindestens 30.000,00 DM ausgehändigt, ohne dass diese 30.000,00 DM im Kaufvertrag erwähnt wurden. Dem Kl. war bewusst, dass es sich hierbei um eine „Schwarzzahlung” handelt. Damit war für den Kl. erkennbar, dass es dem M darauf ankam diese Zahlung ohne Nachweis zu erlangen. Aus dem Begriff der „Schwarzzahlung” ergibt sich, dass dem Kl. bewusst war, dass der M nicht beabsichtigte, diese Einnahmen bei seiner ESt-Erklärung zu erwähnen. Zwar hat sich der Kl. darauf eingelassen, dass für ihn lediglich die Verkürzung der GrESt von Interesse sei; dies führt jedoch nicht dazu, dass die Beihilfehandlung, nämlich die Zahlung des Geldes, nicht vom Vorsatz des Kl. getragen wurde. Denn der Kl. hat in der Besprechung vom 18.02.2005, die in den Diensträumen des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung O im Beisein seines Prozessbevollmächtigten erfolgte, mitgeteilt, dass ihm bewusst war, dass die Gelder von M nicht versteuert werden sollten. Insoweit hatte der Kl. den erforderlichen Doppelvorsatz, nämlich sowohl den Vorsatz bzgl. der Haupttat des M als auch hinsichtlich seiner Beihilfehandlung. Denn der Kl. nahm billigend in Kauf, dass der M, mangels Nachweise, die vereinnahmten 30.000 DM nicht der Besteuerung zuführen würde. Denn die Schwarzzahlung ist typischerweise geeignet, die Steuerhinterziehung als Haupttat zu fördern und diese zu erleichtern. Dem Kl. war bewusst, dass der M nur diejenigen Zahlungen in der Gewinnermittlung berücksichtigen werde, die sich aus dem Kaufvertrag ergeben. Dies hat der Kl. dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er die bereits gezahlten 15.000 DM – vom M unbemerkt – im Grundstückskaufvertrag unterbrachte.

    Entgegen der Auffassung des Kl. musste der Bekl. nicht umfassend feststellen, wer gegenüber wem mit welchem Tatbeitrag Unregelmäßigkeiten im Bezug auf den Verkauf der Wohnungen veranlasst bzw. sich daran beteiligt hat. Im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung des angefochtenen Bescheides ist ausreichend, dass der Bekl. diejenigen Tatumstände ermittelte und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, die auf die Strafbarkeit des Kl. schließen lassen. Die strafrechtliche Verantwortung des Kl. entfällt nicht dadurch, dass der Makler möglicherweise einen gleichen oder anderen Tatbeitrag zur Steuerhinterziehung des M geleistet hat.

    Der Bekl. hat auch nicht gegen die Unschuldvermutung verstoßen. Denn der Bekl. hat beim Erlass des angefochtenen Haftungsbescheides in tatsächlicher Hinsicht nicht darauf abgestellt, dass der Kl. der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO zugestimmt hat. Die Entscheidung des Bekl. stützt sich auf die Ermittlungsergebnisse des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung O. Für die Anwendung des § 71 AO ist unerheblich, dass das Strafverfahren des Kl. im amtsgerichtlichen Termin nach § 153a StPO eingestellt wurde. Denn die Haftungsinanspruchnahme erfolgt unabhängig davon, welchen Ausgang das Strafverfahren nimmt. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung ist, ist das erkennende Gericht nicht an die Wertungen des Strafgerichtes gebunden (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, § 71 AO, Rn. 13). Die Frage der Steuerhinterziehung ist für das Gericht lediglich eine Vorfrage, über die es im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung selbständig zu entscheiden hat (vgl. Loose, a.a.O.).

    Im Streitfall hat der Bekl. den Kl. unter Berücksichtigung des ihm eingeräumten Ermessens zu Recht als Haftenden gemäß § 71 AO in Anspruch genommen. Der Entschluss, den Kl. in Anspruch zu nehmen, ist nicht bereits deshalb zu beanstanden, weil die Vollstreckung beim Steuerschuldner oder einem anderen Haftungsschuldner ohne Erfolg geblieben ist. Denn über das Vermögen des M wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Aus diesem Grunde kann die vom Kl. aufgeworfene Frage, ob und inwieweit der Bekl. Zwangsvollstreckungsversuche gegen M unternommen hat, unbeantwortet bleiben. Der Einwand des Kl., dass hinsichtlich des Maklers nicht ersichtlich ist, welche Vollstreckungsmaßnahmen durch den Bekl. vorgenommen worden sind, vermag nicht zum Klageerfolg zu verhelfen, denn der Kl. hat die Haftungssumme gezahlt. Ab diesem Zeitpunkt konnte und durfte der Bekl. keine weitere Vollstreckung gegen den Makler mehr durchführen, da die Folgerung des Bekl. durch Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen ist. Es wäre rechtsfehlerhaft gewesen, gegen den Makler weitere Vollstreckungsmaßnahmen nach der Zahlung durch den Kl. noch durchzuführen. Denn die festgesetzten Mehrsteuern kann der Bekl. insgesamt nur einmal fordern. Mit der Zahlung durch den Kl. war die Forderung getilgt.

    Fehler im Auswahlermessen des Bekl. sind nicht erkennbar. Rechtsfehlerfrei hat der Bekl. den Kl. neben dem Makler in Haftung genommen. Kommen mehrere Steuerhinterzieher als Haftungsschuldner in Betracht, so wäre es ermessensfehlerhaft, nur einen von ihnen in Anspruch zu nehmen. Steuerhinterzieher stehen bei der Ausübung des Auswahlermessens vielmehr grundsätzlich gleichrangig nebeneinander (vgl. BFH, Urteil vom 28.2.1991 VII R 3/90 , BFH/NV 1991, 504).

    Zutreffend hat der Bekl. auch auf die Vorprägung der Ermessensentscheidung hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 08.09.2004 XI R 1/03, HFR 05, 293), der der Senat folgt, ist bei einer vorsätzlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung die Inanspruchnahme des Gehilfen als Haftungsschuldner auch ohne nähere Darlegung der Ermessenserwägung als ermessensgerecht nach § 102 FGO anzusehen. Die Vorprägung ist nicht nur für die Inanspruchnahme dem Grunde nach, sondern auch für die Inanspruchnahme der Höhe nach gegeben. Das hat zur Folge, dass – entgegen der Auffassung des Kl. – bei der Bemessung des Haftungsbetrages nicht zu berücksichtigen ist, dass der Steuervorteil nicht nur ihm (niedrigere GrESt), sondern dem M (niedrigere ESt) zugute gekommen ist. Eine Differenzierung nach der Rolle der jeweiligen Beteiligten im Tatgeschehen und dem aus der Tat gezogenen Nutzen ist bei Steuerhinterziehern regelmäßig nicht geboten (vgl. BFH, Beschluss vom 04.03.2005 VII B 154/04, BFH/NV 05, 1240).

    Ob und in welchem Umfang die Gesamtschuld zwischen den in Haftung Genommenen aufzuteilen ist, brauchte der Bekl. nicht in seinen Ermessenserwägungen zu berücksichtigen. Sowohl gegen den Kl. als auch gegen den Makler erließ der Bekl. Haftungsbescheide und wies den Kl. darauf hin, dass er neben dem Makler hafte. Insoweit besteht eine Gesamtschuld. Sofern der Kl. eine anteilige Haftung anstrebt, ist er auf das zivilrechtliche Verfahren zu verweisen. Nach Maßgabe der Regelung des § 426 Abs. 1 BGB sind Gesamtschulden im Innenverhältnis aufteilbar.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135, 136 Abs. 1 FGO.

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung.

    RechtsgebieteAO, StPOVorschriftenAO § 191 Abs 1 AO § 370 Abs 1 Nr 1 StPO § 153a AO § 71