Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 05.01.2012 · IWW-Abrufnummer 120171

    Finanzgericht Münster: Beschluss vom 07.11.2011 – 11 V 2705/11 AO

    1) Veranlasst ein vorläufig schwacher Insolvenzverwalter bei der kontoführenden Bank des Insolvenzschuldners, dass Steuerbeträge aus dem Lastschriftverfahren zurückgebucht werden, bestehen an einem unsubstantiierten Auskunfts- und Vorlageersuchen des Finanzamts gegenüber dem Insolvenzverwalter, die Fakten und Hintergründe des Rückrufs offenzulegen, ernstliche Rechtmäßigkeitszweifel.


    2) Eine Haftung des vorläufig schwachen Insolvenzverwalters nach den §§ 34, 35 AO als Verfügungsberechtigter kommt nicht in Betracht.


    BESCHLUSS
    In dem Rechtsstreit
    hat der 11. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … am 07.11.2011 beschlossen:
    Tatbestand:
    I.
    Streitig ist, ob ein Auskunfts- und Vorlageersuchen von der Vollziehung auszusetzen ist.
    Die Antragstellerin (Astin.) wurde mit Beschluss des Amtsgerichts E. vom 26.06.2007 – … IN …/07 – in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der L. W.-GmbH (GmbH) zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. In dem Beschluss heißt es u.a. wie folgt (Bl. 19 der Gerichtsakte – GA –):
    „Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens sind nur noch mit Zustimmung der vorläufigen Insolvenzverwalterin wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO).
    Die vorläufige Insolvenzverwalterin ist nicht allgemeine Vertreterin der Schuldnerin. … Die vorläufige Insolvenzverwalterin wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen.”
    Das Insolvenzverfahren wurde am 28.08.2007 eröffnet und die Astin. zur Insolvenzverwalterin bestellt (Bl. 21 GA).
    Die GmbH hatte den Antragsgegner (Ag.) schon in 2005 ermächtigt, alle fälligen Steuerschulden von ihrem Konto 000000001 bei der X.-Bank E. einzuziehen. Die Einzugsermächtigung wurde mit Schreiben vom 08.06.2007, Eingang ebenfalls am 08.06.2007, widerrufen (Bl. 33 FA-Akte).
    In Ausübung ihrer Tätigkeit als vorläufige Insolvenzverwalterin veranlasste die Astin., dass die folgenden Abbuchungen rückgängig gemacht wurden:

    Steuerurspr. GutschriftRückbuchung
    Lohnsteuer etc. April 200710.05.200720.07.2007
    Lohnsteuer etc. Mai 200711.06.200713.07.2007
    USt April 200710.+15.05.200720.07.2007
    Mit Bescheid vom 21.06.2011 forderte der Ag. die Astin. unter Bezugnahme auf die o.g. Rückbuchungen auf, bestimmte Auskünfte zu geben und Unterlagen einzureichen. Das Schreiben, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, lautet auszugsweise wie folgt:
    „Besteuerungsverfahren der Firma L. W. GmbH, U. (AG E. … IN …/07)
    Auskunfts- und Vorlageersuchen gem. §§ 93, 97 AO
    Sehr geehrte Frau G.,
    nach Aktenlage haben Sie seinerzeit noch als vorläufige sog. schwache Insolvenzverwalterin die Rückbuchung folgender mit Lastschrift … eingezogenen Steuern veranlasst: …
    Hierzu erbitte ich folgende Auskünfte (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AO) und die Vorlage folgender Urkunden (§ 97 Abs. 1 Satz 1 AO):
    I. Auskunftsersuchen:
    Haben Sie den Widerruf gegenüber der X.-Bank E. schriftlich erklärt?
    Lagen Ihnen vor der Abfassung des Widerrufsschreibens alle Kontoauszüge der Schuldnerin vor?
    Wurde der Widerruf formularmäßig ausgesprochen …
    Wurde das Konto der Schuldnerin im Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs der Steuern debitorisch geführt?
    Wenn 4. bejaht wird: Lag eine Kreditzusage vor?
    Falls 5 nicht zutrifft: Wurde die Überziehung geduldet?
    Sind durch die Rückbuchung Sicherheiten freigeworden?
    Welche rechtlichen Prüfungen sind von Ihnen vor der Erklärung des Widerrufs vorgenommen worden?
    Bitte geben Sie die Namen und Funktionen Ihrer Gesprächspartner in dieser Sache bei der X.-Bank E. an.
    II. Vorlageersuchen
    Ihr Widerrufsschreiben an die X.-Bank E.
    Aktenvermerke, interne Stellungnahmen u.ä. über den vorzunehmenden Lastschriftwiderruf, auch soweit sie in anderen Vermerken o.ä. enthalten sind
    Telefon- und sonstige Gesprächsvermerke über Gespräche mit der X.-Bank E., auch soweit sie in anderen Vermerken o.ä. enthalten sind.
    … Die Auskünfte sind für die Besteuerung der o.a. Stpfl. einschließlich der möglichen Haftung Dritter – auch Ihre als gewesene vorläufige Insolvenzverwalterin – nach §§ 34, 69 AO bzw. §§ 35, 69 AO erforderlich.”
    Die Astin. legte mit Schreiben vom 20.07.2011 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Der AdV-Antrag wurde mit Bescheid vom 27.07.2011 abgelehnt.
    Die Astin. begehrt nunmehr AdV durch das Gericht. Die Antragsschrift vom 02.08.2011 wurde auf dem Briefbogen der Y. & D. erstellt unter Beifügung einer Vollmacht der Astin., mit der diese „ den Rechtsanwälten der Y. & D., …, I., insbesondere Herrn Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. H. L. sowie Herrn Rechtsanwalt Dr. B. T1. jeweils Einzelvertretungsvollmacht ” erteilt. Unterschrieben wurde die Antragsschrift von Dr. B. T1..
    Die Astin. ist der Auffassung, dass das Auskunfts- und Vorlageersuchen aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sei.
    Der Ag. behaupte, die erbetenen Auskünfte und Unterlagen seien für die Besteuerung der GmbH einschließlich einer möglichen Haftung Dritter erforderlich. Diese Annahme sei jedoch unzutreffend.
    Über Tatsachen, die nicht zur Aufklärung eines steuerrelevanten Sachverhalts geeignet seien, dürfe die Finanzbehörde keine Auskunft verlangen. Inwiefern die Antworten auf die vom Ag. gestellten Fragen für die Besteuerung der GmbH von Bedeutung seien, sei völlig offen. Insbesondere würden die möglichen Antworten keine Rückschlüsse auf die vom Ag. als erheblich bezeichnete Tatsache zulassen, ob eine ausdrückliche, konkludente oder fiktive Genehmigung vor dem Widerruf der Lastschriften vorgelegen habe. Denn die gestellten Fragen würden sich allein auf die Umstände des Widerrufs sowie die finanzielle Lage der GmbH beziehen. Überdies könne zu der Frage, ob eine Genehmigung der Lastschrift erfolgt sei, in erster Linie nur der damalige Geschäftsführer Auskunft gegeben.
    Das Gleiche gelte auch, soweit der Ag. auf eine mögliche Haftungsinanspruchnahme Dritter abstelle. Wer diese Dritten seien und warum die Kenntnisse über die Umstände des Widerrufs für die Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen relevant seien, habe der Ag. nicht dargelegt.
    Letztlich sei nicht einmal der Finanzrechtsweg eröffnet. Nach der sog. Genehmigungstheorie gelte eine per Lastschrift eingezogene Forderung erst mit der ausdrücklichen, konkludenten oder sog. fiktiven Genehmigung der Lastschriftabbuchung durch den Schuldner als erfüllt. Unterstelle man – was tatsächlich nicht der Fall sei –, es hätte eine Genehmigung der Lastschriften durch die GmbH bereits vorgelegen, als sie – die Astin. – als vorläufige Insolvenzverwalterin die Zustimmung zur Genehmigung versagt habe, wäre die betreffende Steuerschuld auf Grundlage einer bereits erfolgten Genehmigung schon durch Erfüllung erloschen gewesen, § 47 AO. Die Zustimmungsversagung wäre dann an sich ins Leere gegangen, die Steuerschuld bliebe erfüllt und das Steuerschuldverhältnis beendet. Allerdings wäre dem Ag. durch die Rückgängigmachung der Gutschrift ein Nachteil entstanden.
    Dieser Nachteil sei jedoch nicht über § 37 Abs. 2 AO auszugleichen. Denn § 37 Abs. setze eine zweckgerichtete Leistung des Ag. an die Insolvenzschuldnerin voraus, woran es fehle, wenn eine Belastungsbuchung ohne Veranlassung des Finanzamts rückgängig gemacht werde. Das bloße „Hinnehmen der Rückbuchung” sei kein Willensakt. Nicht zweckgerichtete Bereicherungen in sonstiger Weise würden mangels Leistung nicht von § 37 Abs. 2 AO erfasst. Der Schaden, der dem Ag. im Falle eines rechtsmissbräuchlichen Widerrufs entstehe, müsse zivilrechtlich geltend gemacht werden. Ein steuerliches Rückgewährschuldverhältnis liege insoweit nicht vor. Im Ergebnis könne daher dahinstehen, ob die Astin. bereits genehmigte Lastschriften „widerrufen” habe. Denn selbst wenn man dies annehmen wolle, habe die GmbH dadurch keine ungerechtfertigte Erstattung i.S.d. § 37 Abs. 2 AO erlangt, die Gegenstand eines Besteuerungsverfahrens und somit des Auskunfts- und Vorlageersuchens sein könne.
    Soweit das Auskunfts- und Vorlageersuchen der Vorbereitung einer möglichen Haftungsinanspruchnahme der Astin. nach §§ 34, 35, 69 AO diene, seien die erbetenen Auskünfte schon deshalb nicht erforderlich i.S.d. § 93 Abs. 1 AO, weil eine solche Haftungsinanspruchnahme unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht komme. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt sei weder gesetzlicher Vertreter noch Vermögensverwalter i.S.d. § 34 AO. Auch sei er kein Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 AO, denn er habe nicht die Rechtsmacht, seine ihm vom Gericht eingeräumten Verwaltungsbefugnisse zu einer Verfügungsbefugnis auszudehnen. Der Ag. versuche vergeblich, aus der dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt von der Rechtsprechung eingeräumten Widerrufsbefugnis eine Verfügungsbefugnis i.S.d. § 35 AO zu konstruieren. Denn die Widerrufsbefugnis sei lediglich Ausdruck des nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO angeordneten Zustimmungsvorbehalts. Der sog. „Widerruf” einer Lastschrift stelle nichts anderes dar, als die Versagung der Zustimmung zur Genehmigung der Lastschriftabbuchung. Der vorläufige Insolvenzverwalter dürfe selbst gar nicht verfügen und tue dies auch nicht, sondern er stimme lediglich einer Verfügung des Insolvenzschuldners zu oder nicht zu.
    Selbst wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter als Person i.S.d. §§ 34, 35 AO angesehen werde, scheide eine Haftung nach § 69 AO zumindest deshalb aus, weil keine Pflichtverletzung vorliege. Dass sie – die Astin. – die Zustimmung zur Genehmigung der Lastschriften versagt habe, entspreche der pflichtgemäßen Ausübung des Amtes als vorläufige Insolvenzverwalterin. Es sei die vordringlichste Pflicht eines vorläufigen Insolvenzverwalters, die Insolvenzmasse zu sichern, wozu auch die Versagung von Lastschriften gehöre. Aus einer insolvenzrechtlichen Pflicht eine steuerrechtliche Pflichtverletzung zu konstruieren, stehe im eklatanten Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH und BFH. Dass den vorläufigen Insolvenzverwalter keine steuerlichen Pflichten treffen würden, zeige auch die Vorschrift des § 55 Abs. 4 InsO. Auch habe sie – die Astin. – nicht schuldhaft gehandelt, da ihr Handeln im Einklang mit der damaligen Rechtsprechung des BGH gestanden habe.
    Einziger theoretisch denkbarer Haftungsgrund für einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt sei § 60 InsO. Dieser Anspruch sei allerdings im Zivilrechtswege zu verfolgen und berechtigte das Finanzamt nicht dazu, sich durch Hoheitsakt und damit unter Umgehung des im Zivilverfahren geltenden Beibringungsgrundsatzes Informationen zu beschaffen.
    AdV sei zudem aus dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte zu gewähren. Die Kenntniserlangung von einmal erteilten Auskünften und erlangten Informationen könne nicht wieder rückgängig gemacht werden, weshalb sie – die Astin. – einen irreparablen Schaden erleiden würde, wenn keine AdV gewährt werde und sich das Auskunfts- und Vorlageersuchen im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig herausstelle.
    Die Astin. beantragt,
    die Vollziehung des Auskunfts- und Vorlageersuchens vom 21.06.2011 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen,
    Der Ag. beantragt,
    den Antrag abzulehnen,
    hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.
    Er rügt, dass die Astin. schon nicht wirksam vertreten sei. Die angeblichen Vertreter „Rechtsanwälte der Y. & D.” seien weder namentlich benannt noch eine Steuerberatungs- oder Rechtsanwaltsgesellschaft einer im Inland oder der EG zugelassenen Rechtsform. Vielmehr handele es sich ausweislich der Angaben auf dem Briefbogen um eine im Staat New York zugelassene Gesellschaft, die als solche aber zur Vertretung in Abgabenangelegenheiten nicht zugelassen sei.
    Das Auskunfts- und Vorlageersuchen sei auch rechtmäßig.
    Die erbetenen Auskünfte seien schon deshalb auf steuerlich erhebliche Tatsachen gerichtet, weil bei Lastschrifteinzug zumindest unter Geltung der sog. Genehmigungstheorie entscheidend sei, ob die Lastschrift ausdrücklich, konkludent oder fiktiv nach den AGB der Banken/Sparkassen genehmigt worden sei (Hinweis auf BGH, Urteil vom 04.11.2004 – IX ZR 22/03 juris). Sei sie genehmigt, sei steuerlich Zahlung eingetreten, §§ 47, 224 Abs. 2 Nr. 3 AO. Dann werde z.B. ein Geschäftsführer von der Haftung frei, selbst wenn die Lastschrift später (rechtswidrig) widerrufen werde.
    Außerdem habe der rechtswidrige Widerruf einer bereits genehmigten Lastschrift nicht die Folge, dass der ursprüngliche Steueranspruch wieder auflebe (FG Münster, Urteil vom 02.07.2009 – 10 K 1549/08 L, EFG 2009, 1616). Vielmehr entstehe ein eigenständiger Erstattungsanspruch, dessen Fälligkeit nach der Fälligkeit der ursprünglichen Steuerforderung liege. Dies habe Bedeutung sowohl für die Tilgungsreihenfolge (§ 225 AO) als auch für die Anmeldung der Insolvenzforderungen. Die verlangten Auskünfte würden mithin auch der Feststellung der materiell-rechtlich richtigen steuerlichen Rechtslage dienen.
    Die Auskunft könne auch zu steuerlich erheblichen Tatsachen für die Frage führen, ob die Astin. nach §§ 35, 69 AO hafte. Das Finanzamt vertrete die Auffassung, dass vorläufige Insolvenzverwalter, die Lastschriften ungeprüft (schematisch i.S.d. der BGHRechtsprechung und nicht nur ohne anerkennenswerte Gründe und damit pauschal i.S. dieser Rechtsprechung) widerrufen und damit „in die Staatskasse gegriffen” hätten, wegen der damit erfolgten ungerechtfertigten Steuererstattung, die im nachfolgenden Insolvenzverfahren ausfalle, haften würden, wenn die Prüfung ergebe, dass die Lastschrift bereits ausdrücklich, konkludent oder fiktiv genehmigt gewesen sei. Bei dieser möglichen Haftung handele es sich nicht um die Haftung nach §§ 35, 69 AO wegen Nichtzahlung der Steuern (§ 69 S. 1 3.Alt. AO), sondern um eine Haftung nach §§ 35, 69 AO wegen rechtswidriger Verschaffung einer Steuererstattung (§ 69 Satz 1 a.E. AO).
    Auch könne ein vorläufiger Insolvenzverwalter Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 AO sein. Die vom Senat in bereits entschiedenen Parallelfällen (z.B. 11 V 1844/11 AO) zitierten Entscheidungen, wonach ein vorläufiger Insolvenzverwalter kein Verfügungsbefugter i.S.d. § 35 AO sei, seien zu anderen Sachverhalten ergangen. Sie würden die Zahlungspflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters und Verfügungen über das Vermögen des Schuldners – insbesondere die eigenmächtige Befugnisüberschreitung – betreffen. Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 AO sei jeder, der rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen seien, verfügen könne und als Verfügungsbefugter auftrete. Die Verfügungsbefugnis der Astin. richte sich nicht allein nach ihrer Rechtsstellung als vorläufige Insolvenzverwalterin mit Zustimmungsvorbehalt, sondern es komme auf die rechtlichen Befugnisse an, die das Insolvenzgericht ihr außerdem noch eingeräumt habe (Verweis auf BFH, Beschluss XI B 65/08, BFH/NV 2009, 235). Zu Unrecht habe der Senat deshalb in dem den Beteiligten bekannten Verfahren 11 V 1844/11 AO die weitergehenden Ermächtigungen, die das Insolvenzgericht E. der Astin. erteilt habe, nicht gewürdigt. Nach diesen zusätzlichen Befugnissen sei die Astin. ermächtigt gewesen, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen und eingehende Gelder entgegen zu nehmen; Drittschuldnern sei verboten worden, an die Schuldnerin zu zahlen. Durch die Verknüpfung dieses Arrestatoriums mit der Ermächtigung, Bankguthaben und Forderungen einzuziehen und eingehende Gelder entgegen zu nehmen, habe die Astin. die aufgrund der Zustimmungsbedürftigkeit von Verfügungen der Schuldnerin allein noch nicht gegebene alleinige tatsächliche und rechtliche Verfügungsbefugnis über die Bankkonten der Schuldnerin und über deren sonstigen Forderungen. Die Astin. sei auch aufgrund dieser Befugnisse nach außen hin aufgetreten. Die eingezogenen Beträge seien allein von der Astin. auf einem auf ihren Namen lautenden Anderkonto verwaltet worden, über das die Schuldnerin nicht habe verfügen können. Die Astin. hatte damit im Außenverhältnis eine uneingeschränkte Kontovollmacht, die auch im Innenverhältnis zur Schuldnerin von dieser nicht habe eingeschränkt werden können.
    Dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter eine eigene Befugnis i.S.d. § 35 AO habe, zeige sich auch daran, dass der Lastschriftschuldner die Genehmigung der Lastschrift persönlich nur versagen dürfe, wenn er im Verhältnis zum Gläubiger anerkennenswerte Gründe habe. Der vorläufige Insolvenzverwalter dürfe die Genehmigung nach der Rechtsprechung des BGH (z.B. Urteil vom 04.11.2004 – IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49) dagegen auch ohne anerkennenswerte Gründe („pauschal”) und damit nahezu unbeschränkt versagen. Die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters seien mithin nicht von den Befugnissen des Insolvenzschuldners oder dem bloßen Zustimmungsrecht des vorläufigen Insolvenzverwalters abgeleitet, sondern würden darüber deutlich hinaus gehen. Verfügungen seien Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet seien, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben; hierzu würden auch Gestaltungsrechte und insbesondere auch der Widerruf gehören. Bereits daraus folge die Verfügung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Der BGH habe zudem entschieden (Verweis auf IX ZR 22/03), dass durch den Lastschriftwiderruf die Wirkungen des § 81 InsO (Unwirksamkeit von Verfügungen eines Schuldners nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens) in den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung vorgezogen würden. Mithin werde der Schwebezustand beseitigt und die Nichtgenehmigung endgültig. Die Rechtsänderung könne daher auch nicht mehr konkludent oder nach den AGB fiktiv eintreten. Dies habe eindeutig Verfügungscharakter. Zudem werde durch den Widerruf der Anspruch des Gläubigers auf Genehmigung der Abbuchung zum Erlöschen gebracht.
    Dass die Befugnis zum Lastschriftwiderruf nicht durch das Insolvenzgericht erteilt worden sei, sei unschädlich. Denn nach der Rechtsprechung des BGH gehöre der Widerruf nicht genehmigter Lastschriften zu den originären Aufgaben des vorläufigen Insolvenzverwalters und sei Ausfluss seiner Rechtsstellung. Das Widerrufsrecht leite sich gerade nicht aus dem Zustimmungsrecht des vorläufigen Insolvenzverwalters ab. Denn der BGH (Urteil vom 03.05.2011 – XI ZR 152/09, DB 2011, 1572) habe hierzu ausgeführt „ Wenngleich ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Belastungsbuchungen nicht aus eigenem Recht genehmigen kann, so ist er doch in der Lage, die Genehmigungen des Schuldners und den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern, in dem er solchen Belastungsbuchungen widerspricht, die noch nicht genehmigt sind .”
    Die Befugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters zum Widerruf bisher nicht ausdrücklich, konkludent oder fiktiv genehmigter Lastschriften sei eine Neuschöpfung der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH. Neu sei deshalb auch die Einbindung des vorläufigen Insolvenzverwalters in die Zahlungen zur Tilgung der Steuerschulden. Deshalb könne diese Pflicht im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt sein. Als steuerliche Pflicht, die verletzt werde, komme deshalb nur die Pflicht in Betracht, es zu unterlassen, der Masse die Erstattung bereits wirksam gezahlter Steuern mit dem rechtswidrig verwendeten bloß technischen Mittel des Lastschriftwiderrufs zu verschaffen. Diese Pflicht lasse sich aus einer Reduktion der steuerlichen Zahlungspflichten a maiore ad minus ableiten. Denn §§ 34, 35 AO liege erkennbar das Prinzip zugrunde, dass der Umfang der steuerlichen Pflichten des Vertreters oder Verfügungsbefugten mit dem Umfang seiner Vertretungs- bzw. Verfügungsmacht korrespondiere. Wäre der vorläufige Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht befugt, Lohnzahlungen zu leisten (so ausdrücklich regelmäßig die Bestellungsbeschlüsse des AG E.), hätte er die steuerliche Pflicht, auch die darauf entfallende Lohnsteuer zu entrichten. Wäre er nur berechtigt, Lohnsteuerzahlungen des Schuldners zuzustimmen, wäre er steuerlich verpflichtet, berechtigten Lohnsteuerzahlungen des Schuldners einschließlich der Steuerzahlungen zuzustimmen. Dies wäre ein Weniger gegenüber einer eigenen Zahlungspflicht. Wäre seine Zustimmungsberechtigung auf die Genehmigung von Lastschriften reduziert, müsste er rechtmäßigen Lohnsteuerlastschriften als ein noch Weniger zustimmen. Da jedoch seine Befugnis darauf reduziert sei, nicht ausdrücklich, konkludent oder fiktiv genehmigte Lastschriften zu widerrufen, würden sich seine steuerlichen Pflichten noch weiter reduzieren, nämlich darauf, alle anderen Widerrufe zu unterlassen.
    Zum Einwand der Astin., es könne schon deshalb zu keinem nach § 37 Abs. 2 AO auszugleichenden Nachteil kommen, weil es an einer zweckgerichteten Leistung des Finanzamts an die Insolvenzschuldnerin fehle, sei zu entgegen, dass die technischen Möglichkeiten des Lastschriftverfahrens mit der Willensbildung beim Finanzamt nicht identisch seien. Dieses dürfe die Rechtmäßigkeit der Rückbelastung prüfen. Komme es dabei zu dem Ergebnis, dass die Rückbelastung zwar rechtswidrig sei, es aus anderen Gründen (etwa wegen Anfechtbarkeit der Lastschriftzahlung durch den Insolvenzverwalter) jedoch zweckmäßig sei, die zurück gebuchte Steuer bei der Insolvenzmasse zu belassen, und unternehme das Finanzamt deshalb in der Folge keine weiteren Schritte, dann genehmige es konkludent die Rückbelastung in gleicher Weise, wie zuvor der Schuldner die – technische – Lastschriftabbuchung genehmigt habe. Rechtlich werde damit eine Erstattung i.S.d. § 37 AO bewirkt.
    Der Widerruf könne auch schuldhaft erfolgt sein. Die Astin. verkenne, dass sich die angebliche Pflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters, die Genehmigung von Lastschriften zu verhindern, nicht auf solche Lastschriften erstrecken könne, die bereits genehmigt seien. Hierbei seien auch konkludente Genehmigungen zu beachten, die bei der Abbuchung von Steueranmeldungsbeträgen im Lastschrifteinzugsverfahren bereits innerhalb weniger Bankarbeitstage nach der Abbuchung anzunehmen sei; sie könne sogar noch früher vorliegen, wenn der Steuerschuldner den Betrag in seiner Buchhaltung als Aufwand behandelt und damit seinen Genehmigungswillen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe. Kein Gericht habe jemals bejaht, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Pflicht habe, bereits genehmigte Lastschriften noch zu widerrufen. Im Gegenteil: der BGH habe für diesen Fall sogar eine Schadensersatzpflicht aus § 826 BGB angenommen (BGH, Urteil vom 20.07.2010 – IX ZR 37/09, juris). Vor diesem Hintergrund sei das Unterlassen jeglicher Prüfung als zumindest grob fahrlässig anzusehen. Das Auskunfts- und Vorlageersuchen diene der Ermittlung, ob eine einzelfallbezogene Prüfung durchgeführt worden sei, und somit der Ermittlung von Tatsachen, die für die Frage des Verschuldens i.S.d. § 69 AO erheblich seien.
    Der Senat sei in den bisher entschiedenen Parallelfällen (u.a. 11 V 1844/11 AO) davon ausgegangen, dass das Auskunfts- und Vorlageersuchen nach den Angaben des Finanzamts dazu habe dienen sollen zu ermitteln, ob die Lastschriften ausdrücklich, konkludent oder fiktiv nach den AGB der Banken/Sparkassen genehmigt worden seien. Dies sei jedoch nicht der Zweck des Auskunfts- und Vorlageersuchen gewesen, auch wenn frühere Schriftsätze des Finanzamts Anlass zu dieser Annahme gegeben haben mögen. Tatsächlich diene das Auskunftsersuchen der Ermittlung der Haftungsgrundlagen. Hierzu seien auch die Umstände des Widerrufs von Bedeutung, da diese – bei der bei Auskunftsersuchen lediglich prognostisch möglichen Würdigung m– bei der Verschuldensprüfung erheblich seien. Dies genüge. Das Gleiche gelte für die Vorlage der Widerrufsschreiben und des weiteren Schriftverkehrs, da die Kenntnis von dessen genauem Wortlaut bei prognostischer Würdigung zur Verschuldensprüfung erforderlich erscheine.
    Was genau mit den einzelnen Fragen bezweckt worden sei, wird vom Ag. im Schriftsatz vom 01.09.2011 näher erläutert. Zu der Frage 4 heißt es dort, dass der Umstand, ob das Konto der Schuldnerin im Zeitpunkt des Lastschrifteinzugs der Steuern debitorisch geführt worden sei, wichtig sei, da dann der Widerruf der Lastschrift nicht der Masseerhaltung, sondern primär der Begünstigung der kontoführenden Bank diene. Mit den Fragen 5 bis 7 hätten Varianten abgedeckt werden sollen, aus denen sich u.U. eine spätere eventuelle Anfechtbarkeit der Steuerzahlung ergeben könne. Im Falle späterer Anfechtbarkeit sei der Lastschriftwiderruf rechtens (Ermittlung haftungsausschließender Tatsachen zugunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters).
    Soweit es darum gehe, in Erfahrung zu bringen, ob eine Lastschrift bereits genehmigt worden sei, könnten nicht nur die Bank bzw. die Geschäftsführer Auskunft geben, sondern auch die Astin. Denn diese habe schließlich vor dem Widerruf die einschlägigen Auskünfte von der Bank bzw. dem Geschäftsführer einholen müssen und somit – jedenfalls bei ordnungsgemäßen Verhalten – ebenfalls Kenntnis von diesen Tatsachen erlangt. Zudem verwalte die Astin. in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin die zur Insolvenzmasse gehörenden Geschäftsbücher, aus denen sich für den Streitfall relevante Informationen ergeben könnten.
    Soweit die Astin. meine, das Finanzamt verschaffe sich auf unzulässigem Weg Beweismittel für einen Zivilrechtsprozess, sei zu entgegnen, dass nach dem Wortlaut der §§ 93, 97 AO die Auskünfte bzw. Unterlagen für die Besteuerung – nicht für das Besteuerungsverfahren – von Bedeutung sein müssten. Besteuerung sei z.B. auch die Einziehung von Ansprüchen des Steuerschuldners gegen Dritte im Zivilrechtsweg.
    Die Vollziehung des Auskunfts- und Vorlageersuchens bedeute auch keine unbillige Härte. Denn wenn sich der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig herausstelle, würden die erlangten Erkenntnisse einem formellen Verwertungsverbot unterliegen, das im Haftungsverfahren zu berücksichtigen wäre (Verweis auf BFH, Beschluss vom 13.09.2005 – X B 8/05, BFH/NV 2005, 2167).
    Anders herum bedeute die Aussetzung der Vollziehung des Auskunfts- und Vorlageersuchens, dass das Finanzamt nicht mehr rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung am 31.12.2011 einen rechtmäßigen Haftungsbescheid erlassen könne. Denn ein auf nur unvollständigen Sachverhaltsermittlungen beruhender Haftungsbescheid sei zwangsläufig ermessensfehlerhaft und rechtswidrig. Damit werde die Hauptsache auch für das Haftungsverfahren materiell-rechtlich vorweg genommen.
    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die übersandte Steuerakte Bezug genommen.
    Gründe:
    II.
    1. Der Antrag ist zulässig.
    Insbesondere wurde der Antrag wirksam gestellt. Dabei kann offen bleiben, ob die Y. & D. …. bzw. „die Rechtsanwälte der Y. & D. ….” zur Vertretung im Finanzgerichtsprozess befugt sind. Denn die Antragsschrift wurde von Rechtsanwalt Dr. B. T1. unterschrieben und diesem wurde – wie sich aus der mit der Antragsschrift eingereichten Vollmacht ergibt – Einzelvertretungsvollmacht erteilt. Der Aussetzungsantrag wurde damit wirksam im Namen der Astin. gestellt.
    2. Der Antrag ist auch begründet.
    Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 2 FGO soll das Gericht auf Antrag des Steuerpflichtigen die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen bzw. dessen Vollziehung aufheben, wenn ernsthafte Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechts- oder Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (BFH, Beschluss vom 10.02.1967 – III B 9/66, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).
    Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Auskunfts- und Vorlageersuchens.
    Im Rahmen seiner Ermittlungen darf sich das Finanzamt der Beweismittel bedienen, die es nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich hält, insbesondere Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im
    Besteuerungsverfahren einholen und Urkunden beiziehen (§ 92 Satz 1 Nr. 1 und 3 AO). Die rechtliche Befugnis zu solchen Verlangen ergibt sich aus §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 AO. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes erforderlichen Auskünfte zu erteilen und nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde von den Beteiligten und anderen Personen die Vorlage von Büchern, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht verlangen. Sowohl die Auskunfts- als auch die Vorlageersuchen müssen zur Ermittlung eines steuerlich erheblichen Sachverhalts geeignet und erforderlich, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar sein.
    Wird eine Lastschrift vom vorläufigen Insolvenzverwalter widerrufen, können verschiedene Sachverhalte verwirklicht sein. Zunächst ist danach zu unterscheiden, ob sich der Widerruf auf eine bereits genehmigte oder auf eine noch im Schwebezustand befindliche Lastschrift bezog. War die Lastschrift noch im Schwebezustand, ergeben sich wiederum unterschiedliche Folgen je nachdem, ob der Widerruf „mechanisch” ausgesprochen wurde oder nicht.
    Sofern das Auskunfts- und Vorlageersuchen der Klärung der Frage gedient haben sollte, ob die Lastschriften im Zeitpunkt des Widerrufs bereits genehmigt waren, ist es bei summarischer Prüfung rechtswidrig. Denn zum einen ist schon nicht erkennbar, inwiefern das Finanzamt mit den gestellten Fragen überhaupt eine Klärung gerade dieser Punkte bezweckte, und zum anderen ist es fraglich, inwieweit die erbetenen Auskünfte und Unterlagen zur Klärung dieser Frage geeignet sind. Benötigt würden Informationen dazu, ob die Geschäftsführer der GmbH bereits eine ausdrückliche oder konkludente Genehmigung erteilt haben bzw. welche Vereinbarungen zwischen der GmbH und der X.-Bank E. in Bezug auf das Konto gelten. Tatsächlich gefragt wird jedoch nach den Begleitumständen des Widerrufs. Hieraus lassen sich allenfalls im Rahmen der Frage 8 („Welche rechtlichen Prüfungen sind von Ihnen vor der Erklärung des Widerrufs vorgenommen worden?”) nähere Erkenntnisse erlangen in Bezug darauf, ob die Lastschriften bereits genehmigt waren, und das auch nur dann, wenn die Astin. – wovon der Ag. gerade nicht auszugehen scheint – die Lastschriften vor dem Widerruf einzeln geprüft hat.
    Mit der Einschätzung des Senats, dass es dem Ag. nicht um die Klärung der Frage gegangen ist, ob die Lastschriften bereits genehmigt waren, korrespondiert die Aussage des Ag. in dessen Schriftsatz vom 01.09.2011. Hiernach habe das streitige Auskunftsund Vorlageersuchen der Ermittlung von Tatsachen dienen sollen, anhand derer beurteilt werden könne, ob der Tatbestand einer Haftungsnorm (hier: §§ 35, 69 AO) erfüllt sein könnte. Die Begleitumstände des Widerrufs seien u.a. für die Frage, ob die Astin. schuldhaft gehandelt habe, von Bedeutung. Es solle insbesondere herausgefunden werden, ob die Astin. vor dem Widerruf überhaupt irgendwelche Prüfungen vorgenommen habe und – falls ja – ob insbesondere geprüft worden sei, ob hinsichtlich einzelner Lastschriften bereits eine ausdrückliche oder konkludente Genehmigung durch die Insolvenzschuldnerin erfolgt sei.
    Auch in Bezug auf den Ermittlungszweck „Haftung nach § 69 AO” ist die Rechtmäßigkeit des Auskunfts- und Vorlageersuchen bei summarischer Prüfung ernstlich zweifelhaft.
    Die erbetenen Auskünfte und Unterlagen mögen zwar Aufschluss zu bestimmten Tatbestandsmerkmalen des § 69 AO, insbesondere der Frage des Verschuldens, geben. Eine Haftung besteht letztlich jedoch nur dann, wenn sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Haftungsnorm gegeben sind. Dies führt dazu, dass in den Fällen, in denen ein Tatbestandsmerkmal schon aus „anderen” Gründen – d.h. aus Gründen, die mit dem Auskunfts- und Vorlageersuchen nichts zu tun haben – zu verneinen ist, die erbetenen Auskünfte und Unterlagen nicht mehr erforderlich sind, um die Frage der Haftung abschließend beurteilen zu können. Die Haftung ist dann vielmehr schon aus den anderen Gründen zu verneinen.
    Ein solcher „anderer” Grund kann insbesondere darin liegen, dass die Person, hinsichtlich derer geprüft werden soll, ob sie pflichtwidrig und schuldhaft handelte, nicht zum Personenkreis der §§ 34, 35 AO gehört.
    Die Voraussetzungen des § 34 AO liegen im Streitfall nicht vor. Die Astin. ist lediglich ein sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt. Eine solche Person ist weder gesetzlicher Vertreter des Insolvenzschuldners noch Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO.
    Eine Haftung kommt damit nur in Betracht, wenn die Astin. in ihrer Eigenschaft als schwache vorläufige Insolvenzverwalterin Verfügungsberechtigte i.S.d. § 35 AO wäre. Dies ist jedoch zweifelhaft. In der bisherigen Rechtsprechung ist – soweit ersichtlich – ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt noch nie als Verfügungsberechtigter i.S.d. § 35 AO angesehen worden (vgl. BFH, Beschluss vom 27.05.2009 – VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591; FG Münster, Urteil vom 01.07.2010 – 3 K 3206/06 L, EFG 2010, 1670). Die dort entschiedenen Fälle mögen zwar andere Sachverhaltskonstellationen betroffen haben. Sie entsprechen jedoch dem Grundsatz, dass das bloße Recht, über das Wirksamwerden fremder Verfügungen durch Zustimmung bzw. Nichtzustimmung zu entscheiden, keine eigene Verfügungsberechtigung darstellt.
    Nach § 35 AO hat derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Verfügungsberechtigter ist jede Person, die rechtlich und wirtschaftlich über fremde Wirtschaftsgüter verfügen kann und nach außen als Verfügungsberechtigter auftritt (BFH, Beschluss vom 08.12.2010 – VII B 102/10, BFH/NV 2011, 740). Der Verfügungsberechtigte muss die Fähigkeit haben, auf Grund bürgerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam zu handeln. Ein sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt i.S.d. §§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO hat diese Fähigkeit nicht, denn ihm wird vom Insolvenzgericht – vorbehaltlich einzelner anderweitiger gerichtlicher Anordnungen -gerade keine eigene Verfügungsbefugnis übertragen. Eingeräumt wird vielmehr nur das Recht, darüber zu entscheiden, ob Verfügungen des Schuldners wirksam werden sollen oder nicht. Auch wenn dem vorläufigen Insolvenzverwalter damit mittelbar ein erheblicher Einfluss auf das Vermögen des Insolvenzschuldners eingeräumt wird, verbleibt es jedoch dabei, dass nicht er es ist, der verfügt, sondern die einzelnen Verfügungen vom Insolvenzschuldner stammen. Das Recht, eine Verfügung des Insolvenzschuldners durch Versagung der Zustimmung zu unterbinden, ist nicht identisch mit dem Recht, selbst Verfügungen vornehmen zu können.
    Letzteres konnte die Astin. gerade nicht, und zwar auch nicht in Bezug auf Bankgeschäfte. Soweit der Ag. auf den Beschluss des AG E. vom 26.06.2007 – … IN …/07 – verweist, verkennt er, dass der Astin. dort keine allgemeine Verfügungsgewalt über die Bankkonten der GmbH eingeräumt wurde, sondern ausschließlich das Recht, „Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen”. Das Recht, über die Bankguthaben anderweitig zu verfügen – insbesondere selbst Überweisungen zu tätigen o.ä. – ist der Astin. nicht übertragen worden. Soweit der Ag. darauf verweist, die Astin. habe ein Anderkonto eröffnet, über das sie die alleinige Verfügungsgewalt inne gehabt habe, ist ihm entgegen zu halten, dass das Recht, Bankguthaben und sonstige Forderungen einzuziehen, auch zur Eröffnung eines Anderkontos berechtigt, auf dem die eingezogenen Geldmittel für die Insolvenzschuldnerin verwahrt werden. Dass die Astin. zu der Zeit, als sie noch schwache vorläufige Insolvenzverwalterin war, über das bloße Verwahren hinaus eigene Verfügungen über die Geldmittel getätigt hat, ist nach Aktenlage nicht ersichtlich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, würde dies nichts daran ändern, dass die Astin. zu der Zeit, als sie noch vorläufige Insolvenzverwalterin war, zu eigenen Verfügungen über die Geldmittel der KG nicht befugt gewesen ist. Derjenige, der seine rechtliche Verfügungsmacht eigenmächtig überschreitet, wird dadurch nicht zum Verfügungsberechtigten i.S.d. § 35 AO (vgl. BFH, Beschluss vom 27.05.2009 – VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591).
    Ob ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter – so wie vom Ag. vorgetragen -zumindest im Hinblick auf Lastschriften eine eigene Verfügungsbefugnis besitzt, kann im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nicht abschließend geklärt werden. Die Klärung komplexer Rechtsfragen bleibt der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Für das Aussetzungsverfahren genügt es, dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. BFH, Beschluss vom 03.02.2008 – II B 59/07, BFH/NV 2008, 1121).
    So verhält es sich auch im Streitfall, da aufgrund der unsicheren Rechtslage nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar ist, dass die vom Ag. erbetenen Auskünfte und Unterlagen für die Prüfung einer Haftung nach § 69 AO überhaupt erforderlich sind. Die hieraus resultierenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Auskunfts- und Vorlageersuchens gebieten es, den Verwaltungsakt von der Vollziehung auszusetzen.
    Ob die Aussetzung der Vollziehung der Finanzbehörde ungelegen kommt, weil hierdurch möglicherweise weitere Maßnahmen behindert oder gar wegen Verjährungseintritt unmöglich gemacht werden, ist kein Umstand, der vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden kann. Denn § 69 FGO dient nicht dem Schutz der Finanzverwaltung, sondern des Steuerpflichtigen. Die Vorschrift ist Ausfluss der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und bewahrt den Steuerpflichtigen vor den Folgen eines Verwaltungsakts, solange dessen Rechtmäßigkeit zweifelhaft ist.
    Für die in diesem Verfahren zu beurteilende Frage, ob an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Auskunfts- und Vorlageersuchens ernsthafte Zweifel bestehen, ist es jedoch ohne Bedeutung, ob etwaige Haftungsansprüche gegen die vorläufige Insolvenzverwalterin möglicherweise mit Ablauf des Jahres 2011 verjähren. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass sich die Vorgänge, zu denen heute im Jahr 2011 vom Finanzamt Auskunft und Vorlage von Unterlagen begehrt wird, bereits im Jahr 2007 abgespielt haben. Betreibt das Finanzamt die von ihm für erforderlich gehaltene Aufklärung erst zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits Verjährung droht, kann dies nicht zu einer Einschränkung des Rechtschutzes des Steuerpflichtigen führen.
    Entgegen der Auffassung des Ag. wird der Schutz der Astin. auch nicht dadurch hinreichend gewahrt, dass etwaige von ihm erteilte Auskünfte und von ihm vorgelegte Unterlagen später einem formellen Verwertungsverbot unterliegen könnten. Denn ein etwaiges Verwertungsverbot beseitigt nur die Folgen der Handlung, ändert aber nichts an der Handlung als solcher. Die Astin. ist nicht allein dadurch belastet, dass etwaige von ihr erteilte Auskünfte und vorgelegte Unterlagen gegen sie verwendet werden könnten, sondern bereits dadurch, dass sie überhaupt etwas tun soll (hier: Auskünfte erteilen und Unterlagen vorlegen). Würde der Verwaltungsakt nicht von der Vollziehung ausgesetzt, könnte die Finanzbehörde die Handlungen sogar nach §§ 328 ff. AO erzwingen. Dies ist mit dem von § 69 Abs. 3 FGO bezweckten Zweck, dass der Steuerpflichtige einen Verwaltungsakt, dessen Rechtmäßigkeit ernsthaft zweifelhaft erscheint, zunächst nicht befolgen muss, nicht vereinbar.
    Sind bereits aus den vorstehenden Gründen rechtlich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Auskunfts- und Vorlageersuchens zu bejahen, können die weiteren von den Beteiligten aufgeworfenen Rechtsfragen dahingestellt bleiben.
    Rein ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es in Bezug auf die Lastschrift vom 11.06.2007 betreffend Lohnsteuer Mai 2007 ohnehin an der Notwendigkeit fehlen dürfte, die Hintergründe des Lastschriftwiderrufs weiter aufzuklären. Denn diese Lastschrift ist zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem keine wirksame Lastschrifteinzugsermächtigung mehr vorlag (s. Schreiben vom 08.06.2007, Bl. 33 FA-Akte). Schon aus diesem Grund konnte die Lastschrift keinen dauerhaften Bestand haben.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde wird nach §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    VorschriftenAO § 92 Satz 1 Nr 3, AO § 97 Abs 1 Satz 1, AO § 34, AO § 35, FGO § 69 Abs 3, AO § 92 Satz 1 Nr 1

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents